Sport/Wintersport

Hinterseer: "Schlimm, wie’s auf unseren Pisten zugeht"

Ob in ZDF, SRF, ORF oder im Wachsfigurenkabinett – Hansi Hinterseer wird in und nach der Hahnenkamm-Woche dauerpräsent sein. Nur einen Sotschi-Ausflug hatte er nie im Sinn.

KURIER: Wird die 60er-Feier trocken verlaufen? Man sieht Sie, was für Ihre Branchen eher unüblich ist, nie beschwipst.

Hansi Hinterseer: Zuweilen a guates Glaserl – das kommt schon vor. Aber täuscht’s euch net. Mein Freund Franz Klammer zum Beispiel trinkt oft wochenlang nix außer lauwarmes Wasser.

Stimmt es, dass Sie tournee­freie Zeiten oft täglich im Wildpark Aurach verbringen?

Ja. Von diesen Tieren geht eine wunderbare Ausstrahlung aus. Wurscht, ob manche lächeln. Die Natur gibt mir Kraft.

Die Wildpark-Chefin schwärmt, wie liebevoll Sie einen verletzten Hirschen pflegen.

Ich hoffe, dass er überlebt. Obwohl man die vom Geweih anderer Hirsche verursachten Verletzungen immer noch sieht. Ich habe dem Hirschen Voltaren ins Wasser gemischt. Damit er nicht so leidet. Ihm macht auch Arthrose zu schaffen. Er hat Gelenksschmerzen genauso wie ein Mensch.

Schmerzmittel futtern derzeit ja so manche Skistars, als bekämen sie Mengenrabatt. Über Ihre Person wurden indes nie arge Verletzungen bekannt.

Ich bin vermutlich der einzige Rennfahrer, der nie am Knie operiert worden ist.

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Außer Marcel Hirscher! Auch er hat gesunde Knie. Wie beurteilen Sie ihn?

Was er und sein Vater leisten, verdient Bewunderung. Mit ihm kam der richtige Mann zur richtigen Zeit. Womit ich, ohne Hirscher abwerten zu wollen, sagen will: Früher, als der Sykora und Stangassinger Slalom gefahren sind und die Torabstände weiter waren, hätte es der Marcel schwerer gehabt.

Hirscher ist 24 Jahre alt. Sie haben mit 24 Ihre Weltcup-Karriere beendet. Vielleicht blieben Ihnen deshalb gesundheitliche Spätfolgen erspart.

Ihr vergesst, dass ich danach zwei Mal Abfahrts-Profi-Weltmeister wurde.

Über Benjamin Raich, der 36 wird, sagen manche Leute bereits: Wann hört denn der endlich auf?

So eine Gemeinheit. Raich zählt zu den Größten aller Zeiten. Der hat sensationell viel gewonnen und nie eine Ausred’ gebraucht.

Klammer behauptet, er hätte noch mehr gewonnen, wäre es euch erlaubt gewesen, Schuhe eurer Wahl zu benützen. Litten Sie auch darunter?

Im Torlauf war’s noch extremer. Wir wurden gezwungen, heimische Schuhe zu tragen, obwohl damals jeder wusste, dass die italienischen Rennschuach vom Stenmark und die französischen besser waren. Mir ist es gegangen wie einem, der an Patsch’n anziehen muss. Trotzdem: Es war eine wunderbare Zeit.

Und heute? Stehen sie noch oft auf Skiern?

Und ob. Am liebsten im Frühjahr. Es gibt nix Schöneres. Noch am 30. April war’s letztes Jahr so super bei uns, dass ich zwölf Mal die Streif runtergefahren bin.

Mit Helm?

Es ist schon okay, wenn die Leut Sturzhelme tragen. Aber viele wiegen sich damit in trügerischer Sicherheit. In Wahrheit ist es der helle Wahnsinn, wie es auf den Pisten zugeht. Keiner darf sich wundern, wenn mehr ärgere Unfälle passieren als früher.

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Und warum?

Ich bin unlängst in der Gondel neben einem gesessen, der hat noch während der Bergfahrt via Handy Aktien verkauft. Die Leute sind nicht mehr konzentriert. Sie überschätzen sich maßlos.

War denn das früher anders?

Ja. Allein schon auf Grund der Ski. Als ich als erster mit so einem 1,80-er Carver aufgetaucht bin, haben’s mich ausgelacht. Aber dann hat die Industrie, weil man auf das Snowboarden reagieren musste, nachgezogen. Die Carver sind leichter zu fahren, verleiten aber dazu, sich für besser zu halten als man ist. Dazu kommen die heutigen Pisten, die einem Teppich gleichen. Viel zu viele fahren rücksichtslos und über ihre Verhältnisse. Statt der Mensch mit dem Ski, fahrt der Ski mit dem Menschen.

Lässt sich das ändern?

Auch die Rennläufer sind gefordert. Sie haben Vorbildfunktion. Ihnen hört man zu. Sie müssen immer wieder öffentlich appellieren, die Pistenregeln einzuhalten.

Hielt Helmträger Michael Schumacher die Regeln ein?

Mir liegt’s fern, Ferndiagnosen zu treffen. Nur so viel: Ich trau’ mich in kein Gelände, wenn ich net sicher bin, ob dort mit Schnee überdeckte Felsen sind.

Im Februar starten Sie eine Über-40-Städte-Tournee in sieben Ländern. Sind Sie vor Bühnen-Auftritten nervöser als früher vor Ski-Rennen?

Nein. Vor Rennen habe ich net frühstücken können. Heute bin ich null nervös.

Wie ist’s möglich, bei so einer Tournee fit zu bleiben?

Wir fahren täglich zwischen 300 und 500 Kilometer. Ich habe im Doppeldecker oben ein Schlafzimmer. Unten sind Bar und TV. Ich bin stolz auf meine Band. Wir sind diszipliniert unterwegs. Zum Joggen und Radlfahren muss immer a bissl Zeit sein. Die Bühnenauftritte dauern von 20 bis 23 Uhr. Danach gibt’s Autogramme. Dabei muss ich aufpassen, dass ich mich net verkühl’. Die Hallentüren sind offen, es wird abgebaut, es zieht. Da hat nicht jeder Verständnis, dass das Schreiben auch a End’ haben muss.

Wie steht’s mit Twitter und Facebook?

Das erledigen meine Töchter für mich. Sie begleiten mich auf der Tournee.

Wurde Ihnen nie angeboten, in die Politik einzusteigen?

Nein. Nie. Ich hätte mich allerdings auch nie dazu überreden lassen.

Ob Sie, Armin Assinger oder Dancing Star-Sieger-Rainer Schönfelder – ist es Zufall, das sich immer wieder Skifahrer im Showgeschäft durchsetzen?

Skifahrer waren immer schon irrsinnig vielseitig. Haben auch bei Geschicklichkeits-Mehrkämpfen gewonnen. Als Sportler lernst du, dich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Wir Ski-Fahrer sind allerweil schon als fröhliche Leut’ mit einem positiven Image dagestanden. Anders als die Fußballer, die man oft zu Deppn abgestempelt hat.

Ihr Neffe Lukas Hinterseer hat es unter Marcel Koller zum Teamdebütanten gebracht. Stört Sie, dass er im Innsbrucker Tivoli nur Hansi gerufen wird?

Wenn’s ihn nicht stört, mich stört es nicht. Im Gegenteil. Ich hab mir wiederholt vorgenommen, ein Match von ihm zu besuchen. Im Fernsehen taugt er mir sehr. Er kann ein Spiel gut lesen. Großartig, dass er das Bewegungstalent von seinem Vater, vom Guido, hat. Und auch den Biss dazu.

Johann Ernst Hinterseer (geboren am 2. Februar 1954 in Kitzbühel) gewann sechs Weltcup- Rennen und 1974 WM-Silber im Riesenslalom. Zu dieser Zeit war sein Vater Ernst Hinterseer (Slalom-Olympiasieger 1960) ÖSV-Trainer. Mit 24 wechselte Hinterseer zu den Profis in die USA, wo er 1982 und 1983 Abfahrtsweltmeister wurde. Hansi Hinterseer ist seit 1986 mit einer Schweizerin verheiratet und Vater zweier Töchter (Jessica, 27, Laura, 25). 1994 wurde er als Volksmusik-Sänger entdeckt und inzwischen 30-mal mit der Goldenen oder Platin-Schallplatte ausgezeichnet. Er wirkte bei 12 Spielfilmen mit.

Treffen mit Hansi Hinterseer, ehe der Rummel um seinen Sechziger beginnt. Er schlug dazu den Wildpark Aurach in 1160 Metern Höhe vor. Dort ist er auch außerhalb der Saison Stammgast. Dort verrät die freundliche Chefin, dass sich Hansi noch im Gelände bei seinem Freund namens Prinz befinde, der ihm Sorgen mache.

Der Schlagerkönig beim Prinzen? So heißt ein 12 Jahre alter Hirsch, der in der Brunftzeit von rivalisierenden Artgenossen arg verletzt worden war. Angeblich taucht Prinz vor allem dann auf, wenn er den Hansi wittert. Angeblich läuft der Hirsch vor Tierärzten, nicht aber vor Hinterseer davon. Angeblich übt Tierfreund Hansi auf das gesamte Rotwild magische Anziehungskraft aus. Angeblich hocken Skeptiker zuweilen auf dem gegenüberliegenden Berg mit Feldstechern, weil sie nicht glauben, dass Tiere gegenüber HH ihre Scheu ablegen. Doch die Wildpark-Chefin schwört: Das sei kein Jägerlatein.

Ehe junge Leser irritiert fragen, was denn so eine Tierstory über einen alten Schlagerstar auf einer Sportseite verloren habe, sei festgestellt: Der Hirsche-Flüsterer, der vor 20 Jahren ins Showbusiness einstieg, war vor 40 Jahren Vizeweltmeister im Riesenslalom geworden.

Immer noch ist er jener Kitzbüheler, der als letzter Vertreter von der Stadt am g’schwollenen Kamm im Weltcup gewann. Immer noch hat er im Golf Handicap 3. Sein einziges genbedingtes Handicap ist, dass er nicht verzeihen kann, wenn ihn einmal wer ungut behandelt hat.

Die sommerliche Wanderung auf den Hahnenkamm, bei der ihn bis zu 12.000 Fans begleiteten, will er nie mehr organisieren. Und auch ein Konzert des populärsten Kitzbühelers wird’s in Kitz so rasch nicht mehr geben.

Zu teuer, zu kitschig, meinten manche, die er für Freunde gehalten hatte. Über den kulturellen Wert seiner Auftritte lässt sich streiten. Tatsache aber ist, dass Ever-Blond Hansi alle die Sorgen vergessen lässt, von der Witwe bis zum Rollstuhlfahrer; und dass er mit seinem Lächeln und seinen Schnulzen von Zürich bis zur Ostsee ungleich mehr Menschen glücklich macht als unsereiner mit ätzender Kritik.