Sport/Wintersport

Harti Weirather: "Wo soll das noch hinführen"

Harti Weirather konnte 1982 auf der Streif gewinnen, mittlerweile vermarktet der 58-Jährige mit seiner Agentur WWP die Hahnenkammrennen. "Mister Streif" wird der Tiroler deshalb gerne genannt. "Aber ich mag diese Bezeichnung gar nicht."

KURIER: Herr Weirather, einmal ehrlich: Können Sie die Hahnenkammrennen wirklich genießen oder ist diese Woche für Sie Stress pur?

Harti Weirather: Es ist immer wieder eine Berg- und Talfahrt. Wenn wir zum Beispiel so ein Wetter wie heuer haben und allein schon deshalb irgendwie alle gut drauf sind, dann ist es sensationell. Aber einen Moment später denkst du schon wieder nach, was noch in die Hose gehen könnte und was alles zu tun ist.

Was kann denn alles in die Hose gehen?

Wenn wir in all den Jahren eines gelernt haben: Der Teufel schläft hier in Kitzbühel nie. Einmal ist uns die Ölleitung eingefroren, und wir hatten in der Früh in unserem Zelt plötzlich zehn Grad minus. Wenn das einige Stunden später passiert, dann kannst du die Leute gar nicht reinlassen. Dann kannst du absagen. Wir sind jedenfalls immer auf der Hut. Aber da geht’s den Fahrern ja nicht anders. Die müssen hier runter auch jede Hundertstelsekunde wachsam sein.

Sie haben’s angesprochen. Wundern Sie sich manchmal, dass Sie hier selbst einmal mit 130 km/h runter gefahren sind?

Ich schüttle heute oft den Kopf und denke mir: ,Was war ich doch nur für ein Verrückter? Wie gestört musst du gewesen sein, dass du dir das angetan hast?‘ Der Kampf Mann gegen Berg war zu unserer Zeit der gleiche, aber früher war es teilweise noch schlimmer, weil es die ganzen Sicherheitsmaßnahmen nicht gegeben hat. Eigentlich unvorstellbar aus heutiger Sicht.

Was macht Ihrer Meinung nach den Reiz von Kitzbühel aus?

Was wirklich interessant ist: Wir haben bei uns oft Leute zu Gast, die das erste Mal in ihrem Leben Schnee sehen und sich im Skifahren nicht auskennen. Die setzt du dann da auf die Tribüne, und du brauchst ihnen nichts mehr großartig erklären. Das ist denen sofort klar, dass das ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Ein Blick da rauf genügt, das ist selbsterklärend. Wenn du das erste Mal hier bist, denkst du dir: ,Das gibt’s doch alles gar nicht. Das ist einfach irre.‘

Wie sehr geht’s Ihnen persönlich nahe, wenn hier Athleten stürzen?

Ich habe in meinem Leben drei Phasen durchgemacht: Als Rennläufer hat es mir nicht brutal genug sein können. Mir war’s immer lieber, wenn’s richtig zur Sache gegangen ist, weil ich mir dann einen Vorteil ausgerechnet habe. Da hatte ich einfach mehr Siegchancen. Als Vermarkter denkst du: Es sollte möglichst spektakulär sein, zugleich aber bloß ja nicht zu viele schwere Stürze geben, weil sonst die Sponsoren aussteigen.

Und was geht Ihnen als Vater einer Abfahrerin (Tochter Tina, Anmerkung) durch den Kopf?

Da möchtest du eigentlich, dass die Strecke von oben bis unten am besten in Watte verpackt wäre. Damit gar nichts passieren kann.

Können Sie hinschauen, wenn Ihre Tochter fährt?

Bei mir geht’s. Ich schaffe es noch, die Hanni als Mutter hat aber Megaprobleme, hinzusehen. Weil die Tina einfach schon so viele Verletzungen hatte. Ich hab’ schon versucht, ihr das auszureden, und sie gefragt, ob sie aufhört. Aber das Skifahren ist ihre Leidenschaft. Die war als Kind schon immer nur den ganzen Tag am Skilift.

Der Skisport lebt bekanntlich nicht nur von Siegern, sondern auch von Typen. Aus der Sicht des Vermarkters: Wer taugt Ihnen?

Da steht einer ganz vorne: Alberto Tomba war der Idealfall. Der Typ war das Beste, was damals dem Skisport passieren konnte. Man muss sich das einmal vorstellen: Eine Nicht-Skination wie Italien hatte zu seinen Zeiten bei Skirennen höhere Einschaltquoten als der Fußball und die Formel eins. Das war aber nur eine Person. So einen gibt’s halt kein zweites Mal. Gute Typen wird’s aber immer wieder geben.

Zum Beispiel?

Ich finde Max Franz cool. Auf seine Art. Wichtig ist ja, dass jeder für eine gewisse Sache steht. Leute wie Hannes Reichelt und Matthias Mayer sind eher die Seriösen, und der Max ist der Rebell.

Und was ist mit Marcel Hirscher?

Der ist einfach nur ein irrer Typ. Ich finde ihn faszinierend. Allein schon, mit welcher Professionalität er immer weitermacht und sich nie zurücklehnt. Man muss ja nur einmal schauen, wie Marcel körperlich beisammen ist: Allein die Aufwärmübungen, die er vor dem Start macht, die hätten wir damals im schärfsten Konditionstraining nicht zusammengebracht. Wir wären nach solchen Sachen zu müde gewesen, um runterzufahren.

Themenwechsel: 2018 finden die Winterspiele in Südkorea statt, vier Jahre später dann in China. Was halten Sie davon?

Ich sage, dass es höchste Zeit ist, dass diese Gigantomanie endlich eingebremst wird. Es ist ein völliger Schwachsinn, dass man überall um teures Geld neue Sportanlagen hinstellt, die danach nie mehr wieder benutzt werden. Da gehört eine Trendumkehr her. Andererseits ...

Andererseits?

Andererseits muss man die wirtschaftliche Seite natürlich auch sehen. Wenn es die Pekinger schaffen, ein tolles Skigebiet hinzustellen, dann ist das natürlich auch eine Bereicherung für den Skisport. Wir reden da von einem enormen Markt, da kann sich sogar Europa verstecken. So ehrlich muss man auch sein: Bei uns in Österreich würden viele vom Skimarkt China profitieren.

Können Sie denn verstehen, dass sich in Europa die Bevölkerung zuletzt überall gegen Winterspiele ausgesprochen hat?

Die Leute sind dagegen, weil man es in den letzten Jahren komplett übertrieben hat. Die sind es satt, dass man danach auf Milliardenschulden sitzt und leere Sportstätten hat. Das Motto kann nur heißen: weniger ist mehr, zurück zu den Wurzeln. Und dann wird die Bevölkerung wieder für Olympia zu begeistern sein.

Also begrüßen Sie es, dass in Innsbruck und Tirol über eine Kandidatur für die Winterspiele 2026 nachgedacht wird?Das würde in meinen Augen absolut Sinn ergeben. Bei uns sind die ganzen Sportstätten schon da, wir haben alles. Olympia in Tirol, das wäre ein Gewinn.

Sie sind mit Ihrer Agentur auch im Fußball tätig. Sind Fußballstars wirklich 100 Millionen Euro und mehr wert?

Das ist der nächste Bereich, in dem wir inzwischen jenseits von Gut und Böse sind. Ich frage mich, wo das alles noch hinführen soll.

Fragt sich das der Sportfan oder der Vermarkter?

Ganz generell. Uns als Vermarkter geht es ja genauso: Wenn wir Real Madrid einen Sponsor um ein paar Millionen Euro bringen, dann wird das gar nicht richtig beachtet. Wenn aber ein Spielervermittler einen Spieler bringt, der 70 Millionen kostet, dem rollen sie den roten Teppich aus. Das ist Realität.

Abschließend, wann ist für Sie das Hahnenkamm-Wochenende gelungen?

Ganz einfach: wenn es gutes Wetter, gute Stimmung und keine Verletzten gibt. Wer dann gewinnt, ist eigentlich egal, weil dann alle zufrieden sind. Und ich kann mich danach in Ruhe hinlegen. In den Tagen nach Kitzbühel gehe ich immer auf dem Zahnfleisch.