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Roger Bader: "Wir sind in allen Partien krasser Außenseiter"

Österreichs Eishockey-Nationalteam darf sich nach zwei Jahren Pause wieder mit den besten Teams der Welt messen. Die erste von sieben Partien in der Vorrunde spielen die Österreicher gleich gegen die Schweiz, 2013 Vizeweltmeister (12.15, ORF Sport+).

KURIER: Sie stehen als Headcoach von Österreich gegen die Spieler aus ihrer Heimat auf der Bank. Was wird da in Roger Bader vorgehen?

Roger Bader: Ich habe ein Jahr Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen. Es ist klar, dass das besonders für mich ist. Aber ich werde dieses Spiel genauso vorbereiten und angehen wie jedes andere auch.

Gab es viele Interviewanfragen aus der Schweiz?

Ja, ich war ja auch immer wieder in den Stadien in der Schweiz und auch beim Test Schweiz gegen Norwegen. Auch in den letzten Tagen gab es einige Anfragen. Für die Schweizer ist auch speziell, wenn auf der Gegenseite ein Schweizer steht. Aber gegen den Aufsteiger wird natürlich ein Sieg erwartet.

Sie sind als Coach erstmals bei einer A-WM. Was wird anders sein?

Die Voraussetzungen, weil wir in jedem Spiel die Außenseiter sind. Von den Abläufen her und von der Art und Weise, wie ich coache und wie wir uns vorbereiten, das Spiel nachbereiten und die Trainings machen, hat das keinen Einfluss.

Wie schwierig ist es, als Trainer über alle Spieler und alle Faktoren in einem Spiel immer den Überblick zu behalten und analytisch zu denken?

Das ist ja ein Beruf, den ich seit mehr als 25 Jahren mache. Wenn du coachst, musst du komplett in deine eigene Welt eintauchen können. Wenn du das schaffst, sind deine Sinne dermaßen geschärft, dass du alles siehst. Dann siehst du, was der gegnerische Coach macht, und siehst alles von deinen Spielern. Da könnte jemand nackt übers Eis laufen, ich würde das nicht bemerken. Aber natürlich bin ich nicht alleine. Christoph Brandner coacht die Verteidiger, Markus Peintner fokussiert sich auf Einzelkorrekturen und Einzellob. Das macht er hervorragend, ich kann mich auf Änderungen in unserem Plan konzentrieren und mich auf die Beurteilung unserer Spieler und des Gegners konzentrieren.

Was ist vom österreichischen Team zu erwarten?

Wir sind in den sieben Partien sieben Mal krasser Außenseiter. In den letzten zehn Jahren war die WM ein Turnier von 14 Mannschaften mit zwei Gästen. Die zwei Gäste waren ein Jahr dabei, und dann kamen zwei neue. Irgendwann wird eine Mannschaft kommen und diese Kette durchbrechen. Wir wollen das sein. Aber das bedeutet, dass wir Mannschaften hinter uns bringen müssen, die schon zehn oder mehr Jahre in der A-Gruppe sind. Frankreich hatte ja nicht zehn Jahre Glück. Wir müssen uns benehmen wie ein Außenseiter.

Was bedeutet das?

Wir dürfen nicht spielen wie Salzburg gegen Fehervar. Oder wie Wien gegen Graz. Wir müssen im kämpferischen Bereich herausragend sein, wir müssen unsere Strategie taktisch sehr diszipliniert umsetzen. Es ist nicht so, dass immer der Favorit gewinnt. Aber der Außenseiter muss in den Bereichen Kampfgeist, Disziplin und Teamzusammengehörigkeit besser sein als der Gegner.

Sie haben Frankreich angesprochen. Sie sind der vermeintlich schwächste Gegner. Wie gut kennen Sie die Franzosen?

Ich kenne alle Ergebnisse der letzten 15 Monate. Ich kenne ihre besten Spieler, ich weiß, wer ihnen fehlt. Dann kommt natürlich das Videostudium dazu. Frankreich hat eine Gruppe von Spielern, die seit sechs, sieben Jahren einen Kern bilden. Sie haben 2017 bei der Heim-WM zehn Punkte gemacht. In den letzten zwölf Monaten haben wir sie zwei Mal geschlagen.

Wie gehen sie mit der österreichischen Euphorie um, dass nach einem Aufstieg in die A-WM oft gleich vom Viertelfinale oder mehr geträumt wird?

Man muss ein bisschen realistisch sein. Wir können erst sagen, dass wir eine A-Nation sind, wenn wir drei Jahre in Folge den Klassenerhalt geschafft haben. Wie kann man nur davon ausgehen, dass der Klassenerhalt ein Mindestziel ist, wenn es vorher zehn Jahre lang kein Aufsteiger geschafft hat? Das ist doch einfach überheblich! Wenn man vom Viertelfinale spricht, ist das nicht nur unrealistisch, sondern auch fast ein wenig arrogant.

Sie haben sich nach dem 0:5 im Test gegen Kasachstan über Medienberichte sehr geärgert.

Man muss schon wissen, dass wir nicht besser sind als Kasachstan. Mich hat gestört, dass ich gelesen habe, wir haben gegen die B-Nation Kasachstan verloren. Das impliziert ja, dass wir eine A-Nation sind – super, super, super! Mein Gott, wir sind nicht besser als Kasachstan. Wir haben letztes Jahr bei der WM mit der kompletten Mannschaft gegen die Kasachen verloren. Wir können jetzt nicht so tun, als ob wir durch den Aufstieg eine A-Nation sind.

Was haben die Spieler aus dem 0:5 in Wien gelernt?

Viele haben die Einstellung, dass sie sehr lange am Puck bleiben, weil sie das in der EBEL so machen können. Das kannst du nur rausbekommen, wenn du es ihnen sagst und es trainierst. Oder aber wenn es einmal so richtig bestraft wird. Und gegen Kasachstan wurde es bestraft.

Abgesehen von der zu hohen Anzahl an Legionären bei den Klubs in Österreich, was könnte die Liga im Sinne des Nationalteams besser machen?

Ich werde bei der WM nichts über die nationale Liga sagen. Aber ganz allgemein gesprochen: Was möchte ein Nationalcoach? Er möchte, dass in der heimischen Liga möglichst schnelles, intensives und hochklassiges Eishockey gespielt wird. Logischerweise will er auch, dass einheimische Spieler viel spielen und in wichtigen Rollen zum Zug kommen.

Beim Turnier in St. Petersburg ist aufgefallen, dass die Spieler aus der EBEL Probleme haben, weil ihre Fouls mit dem Schläger international viel strenger geahndet werden.

Das ist absolut so. Die Schiedsrichter haben rigoros wie bei der A-WM gepfiffen. Unsere Spieler waren erstaunt. Bei einer WM will man Stockschläge, Haken und Halten nicht sehen. Ich klopfe mir selber auf die Schulter, dass wir in St. Petersburg teilgenommen haben.

Welche Schlagzeile wollen Sie im KURIER nach dem letzten Gruppenspiel am 14. Mai gegen Tschechien lesen?

„Sensationelle österreichische Mannschaft schafft den Klassenerhalt!“