Ein Fehlstart in die WM
Tina Maze drehte im Ziel wie eh und je ihr Glücksrad und sang auf dem Podest lautstark die slowenische Hymne. Lara Gut (CH) fiel ihrem österreichischen Cheftrainer Hans Flatscher um den Hals. Und daneben jubelte die Amerikanerin Julia Mancuso ausgelassen über Bronze – auf den ersten Blick verriet das erste Siegespodest dieser WM nichts über das ungewöhnliche und unwürdige Startrennen von Schladming.
Super-G-Business as usual hätte man meinen können. Der erwartete Auftakt nach Maze. Doch was in Schladming in den Stunden vor der Siegerehrung am späten Nachmittag alles passiert ist, das hatte tatsächlich mit einem normalen Ski-Rennen wenig gemein. Geschweige denn mit einem werbewirksamen Startschuss zu Titelkämpfen, die als beste Ski-WM aller Zeiten in die Geschichte eingehen sollen.
Aufreger
Da war einmal ein Superstar (Lindsey Vonn), der einen Horrorsturz fabrizierte und sich schwer verletzte.
Da waren zahlreiche Mitfavoritinnen (Anna Fenninger, Maria Höfl-Riesch, Tina Weirather), die sich im Kurs verirrten und wie Anfänger an Toren vorbeifuhren;
da waren 23 Rennläuferinnen, die gar nicht erst auf die Strecke durften, weil der Super-G nach 36 Starterinnen abgebrochen wurde;
da war auch ein österreichischer Fan, der sich auf der Planai verirrt hatte und plötzlich mitten auf der Piste stand;
da war auch noch ein Pistenarbeiter, der sich während des Rennens einen folgenschweren Ausrutscher leistete und sich die Nase brach;
und da war Nebel, Nebel und nochmals Nebel.
Verschiebungen
Doch alles der Reihe nach: Es war von Anfang an kein guter Tag für einen Speed-Bewerb, bei dem die Läuferinnen mit mehr als 100 Stundenkilometer über die Piste rasen. Im Ennstal hatte sich eine dicke Nebelbank ausgebreitet, die Fans und Läuferinnen mussten ja regelrecht in die Luft gehen angesichts der vielen Verschiebungen, Verzögerungen und Vertröstungen. Erst von 11 Uhr auf 11.30, dann auf 11.45, 12.00, 12.15, 12.30, dann weiter auf 12.40 Uhr, 13, 13.30, 13.45, 14.00, 14.15. Als der Super-G dann schließlich um 14.30 Uhr mit dreieinhalbstündiger Verspätung doch noch gestartet wurde, war das Rennen zwölf (!!) Mal verschoben worden. „Wir hatten einen sehr schwierigen Tag“, gab auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel zu.
Wartepause
Selbst langjährige WM-Begleiter können sich nicht an ein ähnliches Terminchaos bei einem Ski-Rennen von WM-Format erinnern. Maria Höfl-Riesch, die es nicht bis ins Ziel schaffte, brachte es auf den Punkt: „So ein verrückter Tag. Ich bin nur froh, dass ich heil herunten bin.“
Tina Maze war die ganze Aufregung wurscht. Wie bereits so oft in diesem Winter prallte an der Slowenin alles ab. Die lange Wartepause? Kein Problem. Die schwierige Kurssetzung? Alles halb so wild. Die schlechte Sicht? Nicht der Rede wert. „Ich weiß, dass ich gut bin“, sagte die 30-Jährige, die in dieser Saison alles in Grund und Boden fährt. Die Triumphfahrt im WM-Super-G ist nur die logische Fortsetzung ihrer beeindruckenden Erfolgsserie (sieben Saisonsiege). Die große Kristallkugel ist der 30-Jährigen schon jetzt sicher, auch die 2000-Punkte-Marke dürfte für diese Maze in Hochform nur mehr eine kleine Hürde sein. Vor allem aber war dieser Triumph erst der Startschuss zur Medaillenjagd. Denn viele Ski-Experten trauen Maze bei dieser WM in allen Bewerben Stockerlplätze zu. „Damit will ich mich auch gar nicht beschäftigen.“
Enttäuschung
Im Jubel um Maze den Trubel um die Verschiebungen und im Bangen um Lindsey Vonn ging der Fehlstart der Österreicherinnen fast ein wenig unter. Nur eine Läuferin unter den ersten zehn, dazu die Panne von Hoffnungsträgerin Anna Fenninger, bei der die lange Wartezeit sichtlich Spuren hinterlassen hat. Vor allem, nachdem oben im Starthaus bereits Plan B (Verschiebung auf Donnerstag) diskutiert worden war.
Fenninger zeigte sich jedenfalls beeindruckt von den Nebengeräuschen des WM-Startrennens. „Ich weiß selbst nicht genau, was mir dort passiert ist“, sagte die Salzburgerin, „es ist alles so schnell gegangen“.
Und weil Titelverteidigerin Elisabeth Görgl („wir haben alle gedacht, dass eine Absage erfolgt“) ihrer alten Garmischer WM-Form weiter hinterher fährt und sich mit Nicole Schmidhofer den elften Rang teilte, war Andrea Fischbacher als Neunte noch die Beste der enttäuschenden Damen.
Schröcksnadel war vom ersten sportlichen Auftreten zwar nicht wirklich angetan, aber er findet die Aufregung um den WM-Start trotzdem überzogen. „Der Unfall von Vonn hat nichts mit der Verschiebung zu tun.“ Nachsatz: „So schlecht war das Rennen nicht.“
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