Warum Schladming wieder ein Spektakel wird
Von Florian Plavec
Es war ein Experiment und es galt von Anfang an als Schnapsidee. Wer soll sich schon einen Slalom unter der Woche anschauen? Mitten in der Nacht? Unter Flutlicht! Den Veranstaltern rund um OK-Chef Hans Grogl wurde 1997 prophezeit, dass sie alleine im Zielraum stehen werden.
Doch das Rennen wurde zum Spektakel. Schon bei der ersten Auflage machten 25.000 Fans eine Stimmung, wie sie sonst nur in einem vollen Fußballstadion entsteht. Der Sieg von Nachtschwärmer Alberto Tomba war ein denkwürdiger Moment in Schladming, dem noch viele folgen sollten, etwa ...
... 1999, als der bis dato kaum bekannte Benjamin Raich im zweiten Durchgang von Rang 23 zum ersten Weltcupsieg fuhr. Heute ist Raich mit vier Erfolgen Rekordhalter in Schladming;
... 2005, als der grimmige Manfred Pranger zwei Tage nach seinem Premierensieg in Kitzbühel auch in Schladming zuschlug;
... 2009, als 50.000 Zuschauer (Rekord) die Strecke säumten und einen Heimsieg von Reinfried Herbst feierten;
... 2012, als sich Marcel Hirscher und Ivica Kostelic nach der „Einfädler-Affäre“ medienwirksam versöhnten – und Hirscher anschließend zum ersten Mal das Rennen gewann und von seinem „emotionalsten Weltcupsieg“ sprach;
... 2016, als Marcel Hirscher mit verkehrt herum eingebauter Scheibe der Skibrille der Durchblick fehlte. Im zweiten Lauf verbesserte er sich noch von Rang 22 auf 2;
... 2018, als Zuschauer Schneebälle auf Henrik Kristoffersen warfen, der dann als Zweiter dem Sieger Marcel Hirscher fair gratulierte.
Zum heutigen Rennen (17.45/20.45/live ORFeins) werden 45.000 Besucher erwartet und 1,8 Millionen vor den TV-Geräten. Noch mehr also, als es beim Slalom in Kitzbühel waren (39.000/ 1,3 Mio.). Während in Kitzbühel die Fans „respektvoller“ seien, herrsche in Schladming die „aggressive Atmosphäre eines Fußballstadions“, sagt der Franzose Muffat-Jeandet. Mit Alkohol, Fan-Gesängen und verbotener Pyrotechnik.
Sieganwärter
Gab es in den vergangenen Jahren zumeist ein Duell Hirscher–Kristoffersen, so ist heute die Liste der potenziellen Sieger groß. Allein das ÖSV-Team präsentiert sich stark wie schon lange nicht: Fünf Österreicher finden sich in den Top 12 des Slalom-Weltcups und dürfen Dank Titelverteidiger Marcel Hirscher wohl auch bei der WM starten: Hirscher (1.), Schwarz (5.), Matt (7.), Feller (8.) und Hirschbühl (12.).
„Das Schladming-Nightrace ist auch ein richtiger Klassiker“, sagt Marco Schwarz. „Mal schauen, wie die Piste beieinander ist, wie sie mit Wasser hergerichtet wurde.“ Besonders Michael Matt freut sich auf die heiße Nacht in Schladming. „Es sind die Schweiz-Rennen schon schön, da kann man sich gut aufwärmen für die zwei Klassiker“, sagte der 25-Jährige. „Die Österreich-Rennen in Kitzbühel und Schladming sind eine Klasse für sich. Da sieht man schon, welchen Stellenwert der Skisport in Österreich hat.“
Punkto Stimmung gäbe es zwischen Kitzbühel und Schladming kaum einen Unterschied, sagt Christian Hirschbühl: „Es ist völlig egal, ob jetzt 40.000 oder 25.000 sind, das merkst du als Läufer nicht.“
Von all dem unbeeindruckt bleibt Senkrechtstarter Clement Noël. „Natürlich ist es besser, wenn so viele Leute da sind“, sagt er. „Die Atmosphäre ist wirklich toll.“ Der 21-jährige Franzose greift nach seinen Siegen in Wengen und Kitzbühel nach dem Klassiker-Triple. Bisher haben erst zwei Läufer dieses Kunststück vollbracht: Benjamin Raich (2001) und Henrik Kristoffersen (2016).