Sport

Von Milliarden-Investitionen zu olympischen Ruinen

Wahrscheinlich haben die meisten Brasilianer noch nie etwas von Faliron gehört. Geschweige denn, dass einer von ihnen jemals dort gewesen wäre. Würden sie Faliron kennen, dieses Küstenörtchen unweit von Athen, ihre Begeisterung für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro hätte sich wohl noch mehr in Grenzen gehalten.

In Faliron wird die schrille Scheinwelt, in der sich die Olympischen Spiele von heute bewegen, graue Wirklichkeit. Stadionpaläste, die sich die Natur zurückgeholt hat; Schwimmbecken, die seit Jahren keinen Tropfen Wasser mehr gesehen haben; Sportanlagen, die vor sich hinrotten. Eine Geisterkulisse erinnert zwölf Jahre nach dem Erlöschen des olympischen Feuers an die historischen Sommerspiele von Athen 2004.

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Dieser Ort ist ein Mahnmal für die Rios, Pyeongchangs, Tokios und all die anderen Städte, die immer noch Feuer und Flamme für Olympische Spiele sind. In Faliron offenbart sich auf 24 Hektar all das, wofür Olympia mittlerweile steht: Größenwahn, Inszenierung, Maßlosigkeit, Korruption.

Wie sich Rio de Janeiro wohl in zwölf Jahren präsentieren wird?

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Bei der Bevölkerung regierte zuletzt die Skepsis. Nach einer aktuellen Umfrage glauben jedenfalls 63 Prozent der Befragten, dass die Kosten der Sommerspiele – offiziell rund elf Milliarden Euro – deren Nutzen deutlich übersteigen werden.

Olympia in Not

Dabei klingen die Pläne für die Nachnutzung der olympischen Anlagen von Rio durchaus vielversprechend. Auf dem Gelände des Olympia-Parks soll künftig ein neues Stadtviertel entstehen, mit Wohnungen, Schulen, Sportzentren, Grünflächen, einem Badesee und einer Familienklinik. Ob sich all diese Vorhaben angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage Brasiliens aber tatsächlich in die Realität umsetzen lassen, ist eine andere Geschichte.

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Der Blick auf vergangene Olympische Spiele und andere sportliche Großereignisse macht deutlich, dass Nachhaltigkeit allzu oft eine leere Phrase ist. Sobald das olympische Feuer erloschen ist, sobald der Wanderzirkus namens Olympia weitergezogen ist, scheint vielmehr das Motto zu gelten: dabei sein war alles.

Oft fehlt schlicht das Geld, um die teuren Sportstätten zu erhalten oder umzubauen; oft auch die Bereitschaft, die Arenen mit Leben zu füllen. Meistens gleich beides.

Hellas von Sinnen

In Athen endete das Sommermärchen von 2004 mit einer griechischen Tragödie. Nachdem die Fußballer den EM-Titel geholt hatten und später die Sportwelt zu Gast war, folgte rasch das böse Erwachen. Viele Wirtschaftsexperten sahen in den Investitionen für die Spiele (11,2 Milliarden Euro) den Ursprung des griechischen Finanzdebakels. Die verwaisten olympischen Sportanlagen sind da noch die geringsten Sorgen des Landes.

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Sportruinen sind mittlerweile verteilt über die ganze Welt zu finden. Das Erbe der Winterspiele 2006 in Turin? Bob- und Rodelbahn sowie die Sprungschanze sind nicht mehr in Betrieb. In Peking erinnern verwaiste Hallen, ein trockengelegter Wildwasserkanal und viele streunende Hunde an die Sommerspiele 2008. Und die Winterspiele vor zwei Jahren in Sotschi waren ohnehin der Gipfel der Maßlosigkeit. 37 Milliarden Euro ließ sich Wladimir Putin seine Spiele kosten, die Sportstätten werden als sündteure Einweg-Arenen in die Geschichte eingehen. Die Skifahrer, Skispringer und Biathleten wird man jedenfalls nicht mehr so schnell am Schwarzen Meer sehen.

Fans in Sorge

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Auch und vor allem wegen dieser extremen Entwicklungen ist die Olympia-Begeisterung der Sportfans an einem Tiefpunkt angelangt. Für die Winterspiele 2022 fanden sich gerade noch zwei Kandidaten, nachdem sich in Oslo, Stockholm, München und St. Moritz die Bevölkerung gegen Olympia ausgesprochen hatte. Auch in Hamburg sagten die Menschen im vergangenen Jahr bei einem Referendum Nein zu den Sommerspielen 2024.

Die Beispiele von Athen 2004, Peking 2008 oder Sotschi 2014 mit ihren Sportruinen sind offenbar abschreckend. Doch man muss gar nicht einmal so weit in die Ferne blicken. Auch in Österreich gibt’s ein kleines Faliron: Das Fußball-Stadion in Klagenfurt war seinerzeit für drei Vorrundenpartien der EM 2008 errichtet worden.

Heute verirren sich bei Spielen keine 1000 Fans in die 30.000 Zuschauer fassende Arena am Wörthersee.