Tour: Kampf gegen Kälte und Konkurrenz
Von Stefan Sigwarth
Sommer? Welcher Sommer? Rund 200 Radsportler mussten am Sonntag vom Col du Galibier aus Kälte und Schnee gerettet werden: Die Freizeitradler hatten an einem Hobbyrennen teilgenommen, Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und Schnee auf der 2645 Meter hoch gelegenen Passhöhe brachten etliche in ernsthafte Schwierigkeiten.
Am Donnerstag haben die Profis bei der Tour de France das gleiche Ziel; Dienstag Mittag fielen wieder Schneeflocken auf den Pass. Dabei ist der Galibier nicht einmal das Dach der heurigen Tour de France: Das ist - ebenfalls am Donnerstag - der 2744 Meter hohe Col d'Agnel.
Überraschungsmann
Immerhin soll es bis dahin wieder etwas wärmer werden, sollen die Straßen frei sein. Brutal werden die entscheidenden Tage bei der heurigen Frankreich-Rundfahrt dennoch. Für die größte Überraschung sorgt bisher einer, den kaum wer auf der Rechnung hatte: Thomas Voeckler. Der Elsässer aus dem Team Europcar (vormals Bouygues Télécom), der bislang oft durch lange Solofluchten geglänzt hatte, trägt auch nach den Pyrenäen noch das Gelbe Trikot des Gesamtführenden. Der 32-Jährige sieht sich aber nicht als Favorit.
Der Spanier Samuel Sanchez hingegen tut das sehr wohl: "Thomas sagt zwar, dass er kein Kandidat für den Gesamtsieg ist. Aber nach dem, was ich am Sonntag von ihm im Anstieg zum Plateau de Beille gesehen habe, bin ich fest davon überzeugt, dass er die Tour gewinnen kann." Zumal Voeckler heuer bereits bei der Tour du Haut-Var und den Vier Tagen von Dünkirchen siegte und damit nicht mehr nur ein Spezialist für Alleingänge ist.
"Das Monster unserer Ära"
Freilich liegen noch die Bergankünfte auf dem Galibier und in Alpe d'Huez (Freitag) sowie das 42,5-Kilometer-Einzelzeitfahren durchs Hügelland rund um Grenoble vor dem Tross, weshalb der erste französische Tour-Sieg seit Bernard Hinault (1985) keine ausgemachte Sache ist.
Samuel Sanchez hat den Australier Cadel Evans weit oben auf seiner Rechnung, dessen Minuten Rückstand auf Voeckler schon allein nach dem Zeitfahren verschwunden sein könnten. Und Alberto Contador ist der große Unbekannte: Zeigt der dreifache Tour-Sieger aus Spanien, der sich Anfang August wegen seiner positiven Dopingprobe aus dem Vorjahr vor dem Sportgerichtshof verantworten muss, weiter ansteigende Form, ist sogar die Titelverteidigung möglich. Denn wie sagte Samuel Sanchez am Montag: "Er ist das Monster unserer Ära."