Tour de France: Festwochen für Radsport-Gourmets
Von Stefan Sigwarth
Da kann kommen, was will, da kann abstürzen, wer will, da kann betrügen, wer will: Le Tour gewinnt immer. Die Frankreich-Rundfahrt ist größer als ihre Teilnehmer, größer als ihre Skandale, sie ist wohl der beste Grund, im Sommer nicht ins Freibad zu gehen, sondern auf der Couch zu knotzen und sich stundenlang das Geschehen im Fernsehen anzuschauen – oder überhaupt vor Ort.
Heuer gibt es für Österreicher gleich drei Argumente, um sich kurzfristig nach Frankreich zu begeben – auch wenn Patrick Konrad nach seinem so starken Frühjahr und Frühsommer (Siebenter bei Paris–Nizza, Zehnter bei Baskenland-Rundfahrt und Flèche Wallonne, Siebenter beim Giro d’Italia) eine Pause einlegen muss, um bis zur WM in Innsbruck wieder in diese beeindruckende Form zu kommen, zuletzt hat der Mödlinger auch gekränkelt.
Dennoch schickt der in Kufstein angesiedelte deutsche Rennstall Bora-hansgrohe ein Team mit zwei Oberösterreichern ins Rennen, Lukas Pöstlberger (26) ist ja nach seinem Etappensieg beim Giro 2017 in aller Munde, und Gregor Mühlberger (24) zeigte seine Kletter-, Flucht- und Zeitfahrqualitäten bei der Tour de Suisse mit vierten Plätzen in Teamzeitfahren und auf der Bergetappe nach Arosa. Beide sollen vor allem helfen, ob nun dem slowakischen Sprintstar Peter Sagan oder dem polnischen Gesamtklassementfahrer Rafal Majka, doch wenn sich die Gelegenheit ergibt, werden sie auch mit Ausreißergruppen ihre Chancen erhalten.
Der Dritte im rot-weiß-roten Bunde ist Michael Gogl, 24, der für Trek-Segafredo um den Niederländer Bauke Mollema in die Pedale tritt. Sein fünfter Rang bei der Tour des Fjords in Norwegen sowie ein siebenter Etappenrang bei der Tour de Suisse sprechen ebenfalls für eine solide Form des mit 1,86 Metern für einen Radprofi ungewöhnlich großen Oberösterreichers – und für mögliche Überraschungen.
Millionenspiel
Solche hat es in den letzten Tagen rund um die 105. Tour de France zuhauf gegeben, die größte lieferten definitiv die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und der Radsport-Weltverband UCI mit dem Einstellen der Doping-Ermittlungen gegen den vierfachen Tour-Sieger Chris Froome. Angesichts von mehr als 8000 Seiten an Gutachten, Studien und Stellungnahmen rund um den auffällig hohen Wert des Asthmamittels Salbutamol im Körper des 33-jährigen Briten vom Team Sky (die mehrere Millionen Euro gekostet haben), gleicht es für Beobachter einer Kapitulation der Kontrolleure.
Da wurden Werte hin- und hergerechnet, am Ende von neun Monaten (!) nach der auffälligen Dopingprobe stand eine ziemlich wortkarge Erklärung ohne weitere Begründungen. Die Wissenschaftler hätten sich die Argumente der Vertreter Froomes angesehen, das war’s.
Das war’s wohl eher nicht: Mit genau dieser Nicht-Argumentation sind allen Tür und Tor geöffnet, die den Kampf gegen das Doping nur noch als Feigenblatt ansehen – und als lukrativen Versuch, zumindest den Eindruck zu erwecken, als werde etwas getan. Hauptsache, das Geld fließt in die richtigen Taschen. Diese Kritik bleibt.
Dass es auch anders geht, zeigte die US-Anti-Doping-Agentur in der Causa rund um Lance Armstrong, wo alle Dokumente zugänglich gemacht worden sind. Und dass noch einiges im Argen liegt, ist ebenso klar. Seien es die Listen der zugelassenen Medikamente, seien es Präparate, die heuer bereits in Sportlern entdeckt worden sind, obwohl deren Entwicklung eingestellt worden ist, weil sie sich im Tierversuch als extrem krebserregend herausgestellt haben.
Klar ist aber auch: Die Tour de France wird am Samstag losrollen, beschützt von 29.000 Polizisten und Feuerwehrleuten, und sie wird am 29. Juli in Paris enden. Vive le Tour!