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Ein historischer Tag zum Vergessen

Hängende Köpfe, enttäuschte Gesichter, fragende Blicke – Österreichs Abfahrer boten am Samstag im Zielraum von Beaver Creek ein einheitliches Bild. Zu viel hatten sie sich vom zweiten Herren-Rennen erhofft, zu wenig war Matthias Mayer (12.), Hannes Reichelt (13.), Max Franz (19.) und Georg Streitberger (29.) auf der Birds of Prey geglückt. Am Ende stand das schlechteste Ergebnis bei einer WM-Abfahrt überhaupt.

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, durften nach der Königsdisziplin auch noch die ewigen Rivalen jubeln: die Schweizer. Patrick Küng hatte sich die Goldmedaille gesichert, Beat Feuz Bronze. "Wenn man weiß, wie skifanatisch die Schweizer sind, dann kann man ihnen das schon gönnen", sagte Hannes Reichelt im Stile eines fairen Sportsmannes.

"Ich muss das Rennen erst genau analysieren. Eigentlich habe ich schon gedacht, dass ich ein bisserl schneller war", sagte der Super-G-Weltmeister, der bereits Sonntag die Reise zurück in die Heimat antritt. Und auch wenn Österreichs Speed-Herren sagen, dass der Fokus nun auf der Revanche beim nächsten Weltcup in Saalbach liege, eine Wiedergutmachung für die WM-Abfahrt ist das selbstverständlich keine. "Das tut natürlich weh", sagte ÖSV-Sportdirektor Hans Pum, der klarstellte: "Ob es die größte Niederlage aller Zeiten war, ist egal. Was zählt, ist, dass wir keine Medaille gewonnen haben. Da ist es egal, ob der Beste Sechster, Zehnter oder Zwanzigster ist."

Übermotiviert

Mit dem geschlossen schlechten Ergebnis ging für das rot-weiß-rote Team eine schwarze WM-Serie weiter: Seit 2005 blieb die selbst ernannte Ski-Nation Nummer eins mittlerweile fünf Mal in Serie ohne Medaille in der Königsdisziplin. In Bormio hatte Michael Walchhofer Österreich eine Bronzemedaille beschert, eben die bisher letzte Medaille.

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Warum es auch 2015 nicht klappen sollte, hatte Hans Pum schnell analysiert: Bei Franz und Streitberger sei es etwas finsterer gewesen, wusste der Sportdirektor zu berichten. "Die anderen sind zu hart gefahren. Sie wollten einfach zu viel", sagte Pum, der aber nicht gleich die ganze WM schlechtreden wollte. "Wir müssen trotz allem zufrieden sein. Die bisherigen Erfolge und die Qualität der Mannschaft werden helfen, dass wir bald wieder obenauf sind", sagte er. Das Gute an der Weltmeisterschaft sei es ja, dass die nächste Chance bereits bevorstehe.

Überglücklich

So betreten die ÖSV-Läufer aussahen, so glücklich wirkten die Schweizer. "Ich musste heute nicht ans Limit gehen", sagte Weltmeister Patrick Küng gar, dem ein weitgehend fehlerfreier Lauf auf dem anspruchsvollen Gelände gelungen war. Seit 1997 und Bruno Kernen II hatte sich kein Schweizer mehr den begehrten Abfahrtstitel sichern können. "Jetzt kann ich es sicher noch nicht ganz fassen", gab der 31-Jährige zu Protokoll. Er trug seinen größten Karriereerfolg mit Fassung. Ganz im Stile eines aufgeräumten Schweizers.

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Beat Feuz hingegen, jener 27-Jährige, der sich die Bronzemedaille erkämpft hatte, sah aus, als wäre er soeben Weltmeister geworden. Grund dafür war wohl der lange Leidensweg, den der Emmentaler nach einer hartnäckigen Entzündung im linken Knie hinter sich hat. "Es haben nicht viele daran geglaubt. Ich selber teilweise auch nicht."

Ein Kalifornier machte am Samstag mit der Silbermedaille nicht nur sich selbst eine Freude, sondern auch den zahlreichen Ski-Fans, die wieder an die WM-Strecke gepilgert waren. "Das ist der beste Moment meines Lebens", sagte Travis Ganong, der schon im Dezember in Santa Caterina im Weltcup gewonnen hatte. "Im Moment fühlt sich das alles noch ziemlich surreal an", sagte der entspannte der 26-Jährige mit der schwarzen Schirmkappe. "Gebt mir ein paar Momente, um das zu realisieren."

Ganong bescherte den Gastgebern die ersehnte zweite Medaille nach Bronze von Lindsey Vonn (Super-G). "Der Druck ist so groß vor Heimpublikum, meinen Freunden und der Familie", gab der Vizeweltmeister zu. "Ich bin heute Früh aufgewacht und habe mich so unter Druck gefühlt. Ich konnte nicht wirklich schlafen, aber dann habe ich mir gedacht: Okay, ich habe so hart trainiert in den letzten Jahren, ich liebe es Ski zu fahren. Let’s go out and have some fun!" Und Spaß schien Ganong dann auch zu haben auf der Birds of Prey. Trotz der 20.000 Fans, die ihn entlang der Strecke anfeuerten, behielt er die Nerven.

Bereits bei den Olympischen Spielen in Sotschi hatte Ganong aufgezeigt, als er in der Abfahrt Fünfter wurde. "Ich war so nah dran bei Olympia. Da ist mir klar geworden, dass ich bereit bin für eine Medaille", erzählt der Kalifornier, der versucht hatte, den Druck auszublenden. "Du musst es einfach halten und darfst dich nicht zu sehr auf das große Ganze konzentrieren oder auf das Ergebnis." Er habe einfach versucht, alles nicht ganz so ernst zu nehmen. Scheinbar genau das richtige Rezept.