Sport

Ringen, ein echter Männer-Sport

Was haben wir davon geträumt, dass der Ringer Amer Hrustanovic die rot-weiß-roten Kastanien aus dem olympischen Feuer holt! Die Schlagzeilen waren bereits wohl durchdacht, die Palette reichte von "Amergeddon" bis "Ausgezeichnet mit dem Amer Gütesiegel". Weil aber ein Pole im Achtelfinale zu stark war für den griechisch-römisch-affinen Salzburger, der 84 Kilo wiegt, haben wir umdisponiert. Dass Amer deshalb "immer das Bummerl" hat, ersparen wir ihm.

Ringen ist eine wunderbare Sportart, die Männer ausüben, deren Körper wie geschnitzt anmuten. Zumindest jene sind wohl definiert und proportioniert, die weniger als 120 Kilo haben. Die anderen Typen schauen ein bissl aus wie der Mistkäfer Kurt aus "Biene Maja", das ist der, der immer eine Mistkugel vor sich herschiebt. Auch der Anzug ist ähnlich.

Wehe dir!

10.000 Zuschauer sind in die ExCel Arena gekommen, in der normalerweise sämtliche Messen in London veranstaltet werden. Außer die, die mit Kirche zu tun haben. Trotzdem marschieren die Sportler andächtig ein, immer in Pärchen, einer nach dem anderen. In der Mitte der Halle sind drei Podeste aufgebaut, auf denen gerungen wird. Am Montag fanden neben den Wettkämpfen in der Klasse bis 84 Kilo auch jene bis 60 und 120 statt. In der Kurt-Klasse gab`s den meisten Applaus.

Ringen heißt auf Englisch "Wrestling", hat aber nichts mit Hulk Hogan oder Macho Man zu tun. Während beim Freistilringen jeder Körperteil eingesetzt werden darf, beschränkt sich`s bei Griechisch-römisch auf Oberkörper und Arme. Sind dabei beide Sportler eine Minute lang zu passiv und landen keine Wertung, muss einer in die Bestrafungsposition.

Bestrafungsposition. Allein das Wort klingt interessant. Rammstein besingt den Vorgang in zwei Liedern so: "Deine Größe macht mich klein, du darfst mein Bestrafer sein." Weiter im Text: "Bück dich, befehl ich dir, wende dein Antlitz ab von mir. Dein Gesicht ist mir egal, bück dich, noch einmal."

Achtung, Aufreißer!

Da kniet also der zu Bestrafende auf allen Vieren in der Mitte der Matte, streckt den Popo raus und wartet ungeduldig, bis er vom anderen von Hinten gepackt wird. Der Ringrichter assistiert, er drückt den zu Bestrafenden sanft in Position. Und rrrummmms! Sekundenbruchteile, nachdem der Körperkontakt erfolgt ist, drückt der Untere sein Becken auf die Matte und versucht, ähnlich einem Gecko, auf der Matte picken zu bleiben, sodass der Obere nicht die Taille umfassen und einen Aufreißer anbringen kann. So nennt man das Drehen des Gegners um die eigene Achse. Das glückte Hrustanovic beim Qualifikationssieg gegen den Südkoreaner Lee zwei Mal.

Einmal der, einmal der

Schafft es der Untere, sich wie ein Aal zu winden und nicht binnen 30 Sekunden aufgerissen zu werden, kriegt er einen Punkt. Bestrafungspositionen werden abwechselnd ausgesprochen, also einmal der, einmal der. So kann sich niemand aufpudeln, dass er zu kurz kommt.

Für das fachkundige Publikum ist die Bestrafungsposition was Alltägliches. Normal, wie im Foyer rätseln, warum Amer seinen "speziellen Trick", den er vor den Spielen erfunden und geheim geübt hatte, nicht anwenden konnte. 40 mitgereiste Amer-Fans aus Wals waren enttäuscht über den 10. Platz unter 20 Teilnehmern.


Wann wird Amer der griechisch-römischen Ringer-Welt, in der seit 1896 um olympische Medaillen gekämpft wird, seinen speziellen Trick endlich vorführen?

Wir müssen uns auf Rio de Janeiro 2016 vertrösten. Und auf "Amergeddon" hoffen.