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Rekord-Sprung ins Ungewisse

Jetzt heißt es starke Nerven bewahren. Aufgrund einer Schlechtwetterfront wurde der Rekordsprung von Felix Baumgartner auf Dienstag verschoben. Am Wochenende sind Nieselregen und tiefe Wolken angesagt. Auch am Montag ist der Wind noch zu stark. Hält die Wetterprognose, wird der 43-jährige Salzburger am Dienstag zu seinem größten Abenteuer aufzubrechen: Er will vier Weltrekorde aufstellen – Baumgartner soll als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen; weiters will er die höchste bemannte Ballonfahrt (36.576 Meter), den höchsten Fallschirmsprung und den längsten freien Fall absolvieren. Das sind die wichtigsten Details und Fragen zum Rekordsprung.

Was genau passiert am Dienstag? Zwei Stunden vor dem geplanten Aufstieg wird Baumgartner seinen Druckanzug anziehen und atmet reinen Sauerstoff. Dann steigt er in die Kapsel ein. Der 850.000 Kubikmeter große Heliumballon wird die Kapsel in drei Stunden bis in die geplante Höhe von 36,5 Kilometer bringen. Dort öffnet Baumgartner die Türe, steigt auf die davor liegende Plattform und springt ab.

Wie lange wird der freie Fall dauern? Nach ca. 30 Sekunden soll der Salzburger Schallgeschwindigkeit, also mehr als 1100 km/h, erreichen. 5,30 Minuten wird er im freien Fall sein, ehe er in einer Höhe von 4000 Meter den Fallschirm öffnen soll.

Springt Baumgartner jetzt sicher am Dienstag? Nein. Erst 24 Stunden vor einem Start kann "Red Bull Stratos"-Meteorologe Don Day eine 90-prozentige Prognose geben. Acht Stunden davor muss feststehen, ob der große Tag gekommen ist – so lange braucht es, bis zehn in Schutzanzüge gekleidete Team-Mitglieder mit Baumwollhandschuhen den 55 Stockwerke hohen Heißluftballon in Position bringen.

Wovon hängt ein Start ab? Entscheidend ist das Wetter. Es gibt drei Bedingungen: kein Wind, kaum Wolken und gute Sicht. Auf dem Boden darf der Wind nicht stärker als drei km/h sein, damit der äußerst dünne Heißluftballon nicht beschädigt wird. Mit einer Stärke von 0,002 cm ist das Material zehn Mal dünner als ein Plastiksackerl. Bei hoher Luftfeuchtigkeit würden Wassertropfen auf dem Riesenballon zu einer Last von Hunderten Kilo werden.

Wie steuert Baumgartner den Ballon? Gar nicht. "Einen Ballon kann man nicht lenken, nur die Höhe kann der Pilot steuern", sagt Andreas Simoner von Mostviertel Ballooning. Die Flugbahn wird also durch den Wind bestimmt.

Welche Gefahren birgt die Ballonfahrt in die Stratosphäre? Explosionsgefahr droht keine, weil Helium nicht brennbar ist. Tritt aber nach dem Start unterhalb von 300 Metern ein Problem auf, könnte Baumgartner keinen Notausstieg machen, weil sich der Fallschirm noch nicht öffnen würde. Die größte Gefahr sieht Ballon-Experte Simoner beim Aufstieg durch die Troposphäre in 10.000 Meter Höhe, wo im Jetstream starke Winde üblich sind. "In dieser Phase ist der Ballon noch unstabil und unförmig, wie eine Qualle." Turbulenzen könnten den Ballon zerreißen.

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Wie weicht der Ballon Luftfahrzeugen aus? In der Luftfahrt haben Ballonfahrer Vorfahrt, weil sie nicht ausweichen können. Ein Transponder schickt ständig Signale an die Flugüberwachung, zudem sind überall reflektierende Streifen in die Nähte eingearbeitet, damit der Ballon vom Radar leichter erfasst werden kann.

Warum trägt Baumgartner beim Sprung einen Raumanzug? Um zu überleben, muss Baumgartner einen speziellen Raumanzug tragen, der ihn vor Kälte (minus 68 Grad) und der geringen Luftdichte in über 19 Kilometern Höhe schützt – ansonsten würde das Wasser in seinem Körper verdampfen. "Ohne Druckanzug wäre das Projekt nicht möglich", sagt Fliegerarzt Joachim Huber. Der Anzug besteht an der Außenseite aus feuerfestem Material und verfügt über Sauerstoffvorräte für den Notfall und einen GPS-Sender zur Ortung auf der Erde.

Welche Rolle spielt die Ernährung? Blähendes Essen, etwa Rohkost oder Körner, kann beim Sprung tödlich sein. "In der Stratosphäre herrschen völlig andere Druckverhältnisse. Es würde ihn definitiv zerreißen", sagt der Salzburger Sportwissenschaftler Michael Mayrhofer. Zwei bis drei Tage vor dem Sprung wird die Ernährung umgestellt – wenig Gemüse, dafür mehr gedünstetes Fleisch und Kartoffeln. In der Früh bekommt Baumgartner Grießkoch serviert.

Warum findet das Projekt ausgerechnet in Roswell, USA, statt? Baumgartner und sein Team haben die ehemalige Air Force Base in Roswell zum Stützpunkt ihres Stratos-Projektes gemacht, weil sie dort die nötige Infrastruktur haben und das Wetter in New Mexico als windsicher und trocken gilt.

"Wenn er in Turbulenzen kommt, kann es ihn zerfetzen"

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Der Wiener Internist und Fliegerarzt Joachim Huber war medizinischer Leiter der erfolgreichen Austromir-Mission, die Franz Viehböck 1991 ins All schickte. Am Dienstag ist Huber Co-Kommentator der ORF-Live-Übertragung.

KURIER: Überlebt Felix Baumgartner den Sprung?

Joachim Huber: Das kann man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit "Ja" beantworten. Weil die technische Ausrüstung, die physische Fitness und die psychische Vorbereitung ganz ausgezeichnet sind.

Wo sehen Sie als Arzt die größte Gefahr?

Das Hauptproblem ist die plötzliche Beschleunigung. Wir wissen alle nicht, wie sich die Überschallgeschwindigkeit von mehr als 1100 km/h auf den Körper auswirkt. Wenn er in Turbulenzen kommt, kann es ihn zerfetzen.

Welche Teile des Körpers sind bei so einem Flug besonders betroffen?

Das gesamte Herz-Kreislauf-System, die Gesamtheit der Druckausgleichmechanismen des Körpers und die Gesamtheit der neurologischen Eindrücke, die es zu verarbeiten gibt. Die körperliche Belastung für Baumgartner ist die gleiche, wie wenn sich ein Kampfpilot aus seinem Düsenflugzeug katapultieren muss. Aber zur Belastung kommt noch die Rotation – und hoffentlich keine Turbulenz.

Welche Phase ist Ihrer Meinung nach besonders kritisch?

Sicherlich die ersten Sekunden der Beschleunigung im freien Fall. Aber: Weder fängt das Blut zu kochen an noch bekommt er Muskeldefizite oder Immundefekte wie Langzeit-Raumfahrer. Das ist ein junger, trainierter Mensch mit einem bombastischen Team aus Psychologen, Medizinern und Technikern. Baumgartner zeigt uns sehr schön, dass man sich an so ein Projekt langsam heranarbeiten muss.

Live: TV überträgt Sprung aus New Mexico - Livestream auf kurier.at

Roswell Filmschauspielerin Demi Moore wurde hier geboren, auch Country-Sänger John Denver kam in dem Ort zur Welt; doch berühmt wurde Roswell wegen eines angeblichen UFO-Absturzes im Jahr 1947. 65 Jahre nach der Aufregung ist die Stadt wieder in den Schlagzeilen. Diesmal will sich ein Außerirdischer aus Austria aus 36.576 Meter Höhe in die Tiefe stürzen – und am Leben bleiben. Das 2000 Hektar große Gelände – eine ehemalige Air Force Base, wo während des Zweiten Weltkrieges US-Piloten ausgebildet wurden – ist heute ein Flugzeug-Schrottplatz.

TV-Übertragung Internationale Fernsehstationen, ORF und Servus TV senden am Dienstag 9.10. live. Servus TV startet um 9.30 Uhr mit Dokus und Liveein­stiegen, ORF beginnt um 13.00 die Übertragung. Ballonstart ist je nach Wetter um 14 Uhr geplant.

Livestream Auch kurier.at berichtet in Echtzeit - per Livestream und Live-Ticker.

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