Rafael Nadal & Lewis Hamilton: Rekordjäger in anderen Sphären
Es gibt Rekorde, die scheinen für die Ewigkeit zu bestehen. Die 23 olympischen Goldmedaillen von Schwimmer Michael Phelps etwa, die 86 Weltcup-Siege von Skifahrer Ingemar Stenmark oder die 13 Tore bei einer Fußball-WM von Just Fontaine (1958). Und natürlich sind da die 20 Titel bei Grand-Slam-Turnieren des unvergleichlichen Tennisspielers Roger Federer und die 91 Grand-Prix-Siege von Formel-1-Legende Michael Schumacher.
Doch die beiden letztgenannten Bestmarken könnten beide am heutigen Sonntag eingestellt werden. Rafael Nadal will im Finale von Paris sein 20. Grand-Slam-Turnier gewinnen, und Lewis Hamilton hat auf dem Nürburgring die Chance, seinen 91. Rennsieg zu holen.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden Ausnahmekönner völlig unterschiedlich zu sein. Während Nadal in den vergangenen Jahren vor allem mit Novak Djokovic und Roger Federer um die Siege kämpfen musste, holte sich Hamilton in den letzten sechs Jahren fünf Mal fast im Alleingang die Weltmeister-Krone.
Doch beide Sportler vereinen der unbedingte Siegeswille, die unbedingte Konzentration auf ihre Aufgabe und der ungestillte Hunger danach, tatsächlich Rekorde für die Ewigkeit aufzustellen.
Rafael Nadal: Auf der Jagd nach den 20 Siegen von Federer
Es klingt wie ein Märchen. Wie ein Traum, auf Sand gebaut. Ausgerechnet bei seinem Lieblingsturnier, das scheint, als hätte man es für ihn erfunden, kann Rafael Nadal einen ohnehin unfassbaren Rekord einstellen.
Wenn der King of Clay im heutigen Endspiel Novak Djokovic (15 Uhr/live Eurosport, ORF Sport+) schlägt, schließt er mit unglaublichen 20 Grand-Slam-Triumphen zum Schweizer Roger Federer auf. Der Serbe Djokovic hält bei 17.
Wie sehr die drei Herren die Tennisgeschichte dominieren, zeigt sich allein an der Grand-Slam-Bilanz. Als Pete Sampras 2002 am Ende der Karriere überraschend noch einmal die US Open gewann und damit seinen 14. Major-Titel, war sich jeder sicher: Diesen Allzeit-Rekord kann keiner brechen. 18 Jahre später sorgen Federer, Nadal und Djokovic für Gewissheit, dass sie für sehr lange Zeit unerreicht bleiben.
Nadal begann von ihnen am frühesten, er war 2005 gerade 19 Jahre alt geworden, als er sich seinen ersten von zwölf Siegerschecks bei den French Open auf das Konto überweisen konnte. Djokovic war bei den Australian Open 2008 20, Federer in Wimbledon 2003 21. Kein Wunder, dass alle vier den Karriere-Slam (Siege bei allen vier Majors) geholt haben. Obwohl jeder sein Lieblingsturnier hat: Nadal ist Rekordchamp bei den French Open (12), Federer in Wimbledon (8) und Djokovic bei den Australian Open (8). Nur bei den US Open stehen seit der Profi-Ära (1968) Sampras und Jim Connors auf einer Stufe mit Federer (5).
Nadal gegen Djokovic ist heute eben auch ein Kampf Nadal gegen Federer. Noch kein Paris-Finale hat der mittlerweile 34-Jährige verloren, es spricht also viel dafür, dass er heute den bereits 39-jährigen Schweizer einholt. „Ich werde alles dafür geben, dass dies passiert“, sagt der Spanier.
Der ewige Rivale Federer wird es, wie man es von ihm gewohnt ist, wie ein Gentleman hinnehmen. Schon vor Kurzem sagte er über Nadal: „Er tut dem Sport gut, er wird vielleicht als größter Spieler aller Zeiten in die Geschichte eingehen.“ Auch, weil Rafa noch mehr Zeit hat als Roger.
Lewis Hamilton: Auf der Jagd nach den 91 Siegen von Schumacher
Vor zwei Wochen stoppte sich Lewis Hamilton durch einen Regelverstoß noch selbst. Weil er vor dem Rennen an den falschen Stellen Startversuche gemacht hatte, bekam er 10 Strafsekunden aufgebrummt, kam in Sotschi nur auf Rang drei und verpasste die erste Chance, Michael Schumachers Rekord von 91 Rennsiegen einzustellen.
Ausgerechnet auf Schumachers Heimstrecke hat der Engländer heute (14.10 Uhr/ live ORF1, RTL, Sky) die zweite Möglichkeit, seinen 91. Sieg zu holen. Lewis Hamilton nimmt die Rekordjagd aus der ersten Startreihe in Angriff, allerdings musste der Serienweltmeister im Qualifying überraschend deutlich seinem Teamkollegen den Vortritt lassen. Der Finne Valtteri Bottas war am Nürburgring gleich um 25 Hundertstelsekunden flotter als Hamilton. Auf Rang drei landete Max Verstappen.
„Es ist unabwendbar, dass er Michael Schumacher überholen wird. Er soll deshalb gerne bei uns, wo die Verbindung mit dessen Rekorden auch am engsten ist, mit ihm gleichziehen“, sagte Nürburgring-Geschäftsführer Mirco Markfort. 20.000 Zuschauer sind wegen eines speziellen Gesundheitskonzepts zugelassen, verkauft wurden nur 13.500 Karten, zu hoch dürften die Preise angesetzt worden sein (ab 199 Euro, exkl. Parkticket).
Dennoch wird sich Hamilton im Falle eines Sieges wie immer artig beim Publikum bedanken. Dass ihm Rekorde etwas bedeuten, gibt er offiziell nicht zu. Doch aus seinem Umfeld ist zu hören, dass die 91 Siege Schumachers – und noch mehr dessen sieben WM-Titel – ihn angespornt haben, seine Karriere fortzusetzen.
„Ich kann gar nicht sagen, wie ich mich fühlen werde, was es mir bedeuten wird, oder ob es mir überhaupt etwas bedeuten wird“, sagte Hamilton noch in Sotschi unter dem Eindruck sozialer Missstände. Es gebe schließlich brennendere Themen auf der Welt. Hamilton lebt vegan, setzt sich für Umweltschutz ein und für Black Lives Matter. Dennoch räumt der nachdenkliche Engländer ein: Das Erreichen und Übertreffen von Schumachers Siegmarke wäre „eine Ehre“.