Pepo Puch: "Irgendwann werd’ ich mich nicht mehr bewegen können"
Von Stefan Sigwarth
Angenehm, wenn man Freude, Sport und Gesundheitsförderung verbinden kann und am Ende auch noch Medaillen dabei herausschauen. Im Falle des Steirers Pepo Puch freilich ist das Reiten mehr als nur Mittel zum Zweck: „Ich danke den Pferden, dass ich durch sie die Möglichkeit habe, mich so zu bewegen, wie ich es kann.“
2008 ist der frühere Vielseitigkeitsreiter, der zwölf Jahre lang für das kroatische Team startete, bei einem Bewerb im deutschen Schenefeld schwer gestürzt und brach sich dabei dritten und vierten Halswirbel, seither ist er gelähmt. „Darunter spüre ich meinen Körper nicht“, sagt der 53-Jährige, „aber mit der erweiterten Hippotherapie bekomme ich den Gehreflex hin, die Beine folgen meinem Oberkörper. Das läuft über die Emotionen und nicht über die normalen Nervenbahnen.“
Jedoch erlebt er auch immer wieder Spastiken, vom Hals abwärts, „das ist wie ein Wadenkrampf“, und das muss das Pferd dann erst einmal verstehen, was das zu bedeuten hat. „Und die Spastiken werden immer schlimmer“, weiß Puch. „Irgendwann werd’ ich mich nicht mehr bewegen können.“
Die liebe Familie
Umso bemerkenswerter, wie der zweifache Paralympicssieger in der Para-Dressur mit seinem Leben umgeht. Mit seiner Schweizer Frau und der gemeinsamen Tochter, die ebenfalls reiten, lebt er in der Nähe von Zürich.
„Die Schwarzenbachs sind eine starke, nette Reiterfamilie“, sagt der Rauchfangkehrermeister, der noch immer seinen Betrieb in seiner Heimat leitet. Jedoch: Seine Arbeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger kann er seit seinem Unfall nicht mehr machen. „Ich bin nur noch der Bürohengst, aber diese Arbeit kann ich eigentlich von überall aus erledigen.“
Bei der letzten EM in Göteborg holte er Gold auf Fontainenoir, den Puch liebevoll den „Neymar des Pferdesports“ nennt, „er ist ein wahnsinniges Sensiberl, er legt sich immer wieder hin und sagt aua, aua“.
Seit vergangenem Jahr macht Puch nun mit Sailor’s Blue gemeinsame Sache, und dieser Elfjährige – wie Fontainenoir ein Hannoveraner Rappwallach – ist das genaue Gegenteil. „Er beißt, er schlägt, er hat alle Unmöglichkeiten, die man sich vorstellen kann. Und auch für die Zucht war er nicht wirklich zu gebrauchen. Aber zusammen sind wir ein gutes Team.“ Und das auch auf Reisen: „Er ist gern unterwegs, das sehe ich auch dank der Kamera, die wir im Lastwagen montiert haben.“
In Rotterdam geht es für das Duo nicht nur um Medaillen, sondern auch um die Qualifikation für die Paralympics im kommenden Sommer. Und natürlich geht es Teamplayer Puch darum, im kommenden Jahr in Tokio auch ein österreichisches Team am Start zu haben.
Dieses umfasst neben dem sechsfachen Europameister Julia Sciancalepore, Bernd Brugger und Michaela Kuntner, derzeit liegen sie in der Qualifikation an vierter Stelle. „Es ist kaum möglich, dass uns noch so viele Teams überholen, dass wir es nicht schaffen.“
Als Michaela Kuntner am Mittwochvormittag ihren Ritt auf dem Haflinger (!) Stockholm absolviert hatte (Puch: "Er hat ein wahnsinniges Taktgefühl"), da erwartete der Grandseigneur der Para-Dressur die Siebentplatzierte schon in der Kiss-and-Cry-Zone. Pepo Puch hatte Tränen der Freude in den Augen. Und das mit bestem Grund. Später wurde Julia Sciancalepore (Grade 1) übrigens noch Achte.
Musik fürs Pferd
Denn Pepo Puch und Sailor’s Blue holten gleich beim ersten Auftritt in den Niederlanden Gold, zu George Gershwins „Rhapsody in Blue“. Irgendwie logisch, denn „er ist schon ein bissl musikalisch“, sagt der Mensch über das Tier. Klar war jedenfalls: „Wir müssen alles riskieren. Mit dem Niveau von London 2012 wäre ich 2016 in Rio nicht in die Top fünf gekommen, und heuer ist es noch höher.“ Und so riskierten sie alles, erhielten 75,235 Punkte und die Goldmedaille im Grade 2. Fast zwei Punkte betrug der Vorsprung auf die Britin Georgia Wilson auf Platz zwei, eine kleine Welt.
„Das ist komplett verrückt, unvorstellbar. Ich habe die Britin nach mir gesehen, sie war sehr, sehr gut. Es war heuer nur ein kleines Feld, aber die absolut Besten waren am Start, so dass mit dem Erfolg nicht zu rechnen war“, jubelte Puch über seinen insgesamt siebenten EM-Titel.
Und der Medaillensammler hat noch nicht genug: Am Freitag folgt der Teambewerb, am Sonntag die Kür.