In Rio ist Doping in aller Munde
Von Florian Plavec
Noch hat es keinen prominenten Sportler erwischt, noch sind der kirgisische Gewichtheber Isat Artykow und der moldawische Kanute Serghei Tarnovschi die einzigen Medaillengewinner, die in Rio überführt wurden.
Und trotzdem wurde noch nie so viel über Doping diskutiert, wie bei diesen Spielen. Zum einen ist da der Ausschluss der russischen Leichtathleten und der Nicht-Ausschluss des restlichen Teams nach dem Bekanntwerden des staatlich gedeckten Doping-Systems.
Zum anderen sind da aber auch Leistungsexplosionen, die bei Experten Zweifel aufkommen lassen. Auch Fans tun sich mit der Unschuldsvermutung immer schwerer.
Die britischen Radfahrer: Großbritannien sorgte im Radstadion für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft und gewann fast alles, was es zu gewinnen gab. Bekannt ist, dass es in Manchester ein Bahnrad-Kompetenzzentrum auf höchstem Niveau gibt. Hier wird an jedem Detail gefeilt. Die Fahrräder erhielten eine schnellere Lackierung, an den Sattelpositionen wurde gefeilt, den Damen wurde empfohlen, sich im Intimbereich nicht mehr zu rasieren, um Sitzprobleme zu lösen. Dennoch überrascht die Leistungsexplosion. "Die waren teilweise Kanonenfutter. Irgendwas müssen die richtiger machen", wundert sich die deutsche Radsprinterin Kristina Vogel.
Die weiße Sprinterin: Aus lauter Wut schleuderte Dafne Schippers das Handtuch zu Boden. Die Niederländerin hatte Silber im Sprint über 200 Meter gewonnen. Doch gezählt hatte nur Gold. Schippers war als Favoritin nach London gereist, ihr Europarekord liegt bei 21,63 Sekunden. Nur zwei Frauen waren je schneller: Florence Griffith (über die es zu Lebzeiten Dopinggerüchte gab) und Marion Jones (eine geständige Doperin). Nachgewiesen wurde Schippers nie etwas, doch der Verdacht schwingt mit. 2013 beendete sie verletzungsbedingt ihre Karriere als Siebenkämpferin. Seitdem baute sie viele Muskeln auf, die Haut wurde unreiner. Doping? "Man kann doch einfach nur Talent haben."
Die stärksten Männer der Welt: Im Superschwergewicht der Gewichtheber gingen Gold und Silber an zwei überführte Dopingtäter. Der Georgier Lascha Talachadse, der mit 473 Kilogramm gar einen Weltrekord aufstellte, und der Armenier Gor Minasjan hatten ihre Dopingsperren aber schon abgesessen. Der Deutsche Almir Velagic resignierte: "Wenn ich mir die Wettkämpfe hier ansehe, dann ist das einfach nur peinlich." Lächerlich war auch der Olympiasieg mit Weltrekord durch den Kasachen Nijat Rachimow (Klasse bis 77 Kilo). Seine Sperre endete heuer.
Russlands Schwimmer: Julija Jefimowa steht stellvertretend für die des Dopings verdächtigten Sportler Russland. 2013 war sie positiv auf das Steroid DHEA getestet worden, wurde aber nur für 16 Monate gesperrt. Im März wurde ihr das seit Jahresbeginn verbotene Herzmittel Meldonium nachgewiesen – Freispruch. Publikum und Konkurrenz zeigten ihren Unmut. Jefimowa wurde im Schwimmstadion ausgebuht, Kollegen ignorierten sie nach dem Gewinn ihrer Silbermedaillen über 100 und 200 Meter Brust. Gewinnerin Lilly King aus den USA sprach von einem "Sieg des sauberen Sports".
Der Anti-Bolt: Wie aus dem Nichts fiel der 17 Jahre alte Rekord von Michael Johnson über 400 Meter. Wayde van Niekerk ist kein großer Showman wie Usain Bolt – aber ähnlich schnell. Der 24-jährige Südafrikaner kam aus dem Nichts und verbesserte die alte Marke um 16 Hundertstelsekunden auf 43,03. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte Johnson. "Nicht auf den 200 Metern, nicht auf den 400 Metern."
Die Wunderläuferin: Soll man begeistert oder entsetzt sein über die unfassbare Leistung von Almaz Ayana? Die 24-jährige Äthiopierin zertrümmerte den 23 Jahre alten Rekord von Junxia Wang über 10.000 Meter um 14 Sekunden. (Wangs Trainer gab im vergangenen Februar übrigens zu, dass sie Teil eines systematischen Dopingprogramms war.) Bei Almaz Ayana soll alles legal ablaufen: "Mein Doping ist Training. Mein Doping ist Gott, sonst nichts. Ich bin kristallklar."