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Österreich erstmals Radball-Weltmeister

Auf einmal war sie wieder da. Die Angst. Diese lähmende Angst vor der eigenen Courage. Eben waren Dietmar Schneider und Patrick Schnetzer noch die Souveränität in Person. Die österreichischen Radballer hatten im WM-Finale in Kagoshima ihre Schweizer Gegner und die Nerven fest im Griff. Perfekte Spielzüge, gelungene Angriffe, makellose Verteidigungsmanöver - für eine Performance wie diese fällt einem nur ein Attribut ein: weltmeisterlich.

Und nun das: Ausgleich, 3:3 nach 3:0-Vorsprung, hektische Schlussminuten. Sollten Dietmar Schneider und Patrick Schnetzer den sicher geglaubten WM-Titel tatsächlich noch verspielen?

Sollten die beiden Vorarlberger Radballer ein typisch österreichisches Schicksal - erst die große Show, dann der noch größere Katzenjammer - erleiden? Sollte sich also wieder einmal jenes Sprichwort bewahrheiten, das seit Jahrzehnten innerhalb der Radball-Familie die Runde macht? Die Österreicher gewinnen alles, nur Weltmeister werden sie nie.

Premiere

Nun, die Radballer werden sich in Zukunft wohl neue Sprüche einfallen lassen müssen. Denn das ungeschriebene Gesetz hat seine Gültigkeit verloren. Das Duo Schneider/Schnetzer behielt im hektischen Finish gegen die Schweizer doch noch knapp mit 4:3 die Oberhand und bescherte Österreich den ersten WM-Titel im Radball.

Dietmar Schneider war es vorbehalten, den Treffer zur rot-weiß-roten Glückseligkeit zu erzielen. Wem sonst? Der Oldie radelte bereits knapp zwei Jahrzehnte der WM-Trophäe hinterher, alles hat der 36-Jährige in seiner erfolgreichen Karriere schon gewonnen: Europacup, Weltcup, ein Dutzend WM-Medaillen, nur Gold fehlte noch in seiner Sammlung.

"Aber so gut drauf wie jetzt war ich nie", hatte der Routinier bereits bei der Abreise nach Japan gemeint.

Seit er fünf ist, sitzt der leidenschaftliche Haflinger-Züchter bereits im Sattel. Der neue Weltmeister ist mit dem Radball aufgewachsen, die Schneiders sind so etwas wie eine Radball-Dynastie und daheim in Höchst weltberühmt. Der Papa, der Bruder, die Cousins, der Opa - praktisch alle männlichen Schneiders hockten sich in der Freizeit am liebsten auf die eigenwilligen Spezialräder ohne Bremsen, mit 1:1-Übersetzung, 2000 Euro das Stück, und jagten dem Ball hinterher. "Ich bin mit Radball aufgewachsen", erzählt Dietmar Schneider.

Erst seit zwei Jahren bildet der Routinier mit dem talentierten Patrick Schnetzer ein kongeniales Tandem, der neue Juniorpartner wusste bei der WM als fangsicherer Goalie zu überzeugen. Nicht einmal ein gebrochener Mittelfinger konnte Schnetzer im WM-Endspiel gegen die Schweiz außer Gefecht setzen.

Der 20-Jährige hielt durch und nahm damit Revanche für die einzige Niederlage des Turniers. Nach der Vorrunde hatten sich die Österreicher den Schweizern noch mit 1:4 geschlagen geben müssen, ehe sie im Finale den Spieß umdrehten und österreichische Radball-Geschichte schrieben.

Der Lohn für den Triumph? Ein Händedruck, Goldmedaillen und die obligaten Regenbogentrikots. "Wegen dem Geld", sinniert Dietmar Schneider, "wegen dem Geld ist noch niemand Radballer geworden."

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