Vettel macht die Formel 1 fad
Es ist noch lange nicht vorbei!“ Das sagt zumindest Sebastian Vettel, angesprochen auf den Kampf um die Weltmeisterschaft. Doch es ist anzunehmen, dass nicht einmal der Deutsche selbst seine Worte glaubt.
Fünf Rennen sind noch zu fahren – und bereits am Sonntag in Japan hat Vettel Matchball. 77 Punkte führt er bereits vor Fernando Alonso (in Korea nur 6.), 105 vor Kimi Räikkönen (2.) und 111 vor Lewis Hamilton (5.). Sollte der 26-jährige Vettel in Suzuka gewinnen und Alonso nur Neunter werden, wäre Vettel der jüngste Vierfach-Weltmeister der Formel-1-Geschichte.
Das Rennen in Korea verlief turbulent: Felipe Massa drehte sich, am McLaren von Sergio Perez explodierte das Vorderrad, beim Mercedes von Nico Rosberg brach ohne Feindberührung die Nase ab, der Red Bull von Pechvogel Mark Webber ging in Flammen auf, zwei Mal musste das Safety-Car ausfahren.
Souverän
In diesem Chaos blieb ein Mann cool: Sebastian Vettel feierte den 34. Sieg seiner Karriere, vor den Lotus-Piloten Räikkönen und Grosjean sowie Überraschungsmann Nico Hülkenberg im Sauber.
„Es ist schon wieder fantastisch gelaufen. Ich liebe meine Arbeit, ich genieße den Moment“, sagte Vettel. Doch ganz so rosarot wie es im ersten Moment aussieht, ist die Welt um ihn nicht.
Als Vettel im Jahr 2010 in einem dramatischen Saisonfinale seinen ersten Titel holte, vergönnte ihm noch (fast) jeder den Erfolg. Vettel war freundlich, erfrischend, Everybody’s Darling.
Doch Vettels Wirkung in der Öffentlichkeit hat sich gewandelt. Als er am 8. September bei seinem Sieg in Imola ausgepfiffen wurde, wurde dies noch ausschließlich den fanatischen Ferrari-Tifosi zugeschrieben. Doch auch zwei Wochen später gab es Pfiffe von den äußerst disziplinierten und zurückhaltenden Singapurern.
Auch wenn Vettel selbst am wenigsten dafür kann: mit seiner Überlegenheit macht er die Weltmeisterschaft fad. „Ich kann ja verstehen, dass es den einen oder anderen am Fernseher langweilt“, hatte er nach seinem Singapur-Sieg gesagt. „Aber das interessiert mich nicht.“
Neider
Dazu kommen Aussagen unterhalb der Gürtellinie, in denen Vettel der Konkurrenz vorwirft, zu wenig zu arbeiten. All dies trägt zum Stimmungsumschwung gegen Vettel bei. Dazu kommt die unglaubliche Präzision und der große Arbeitsehrgeiz des Deutschen, sowie die scheinbar unbegrenzten finanziellen Mittel von Red Bull.
„Erfolgreich, aber unbeliebt“, schrieb die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Online-Ausgabe. „Sebastian Vettel pfeift drauf“, schrieb Süddeutsche.de. „Die Fans langweilen sich wegen seiner Dominanz, die Fahrer murren – und wie reagiert Vettel? Er gewinnt überlegen.“
Doch die Sympathien der Zuschauer fliegen dieser Tage Vettels Gegnern zu, dem emotionalen Spanier Fernando Alonso, dem schweigsamen Finnen Kimi Räikkönen, dem freundlichen Deutschen Nico Rosberg oder Lewis Hamilton, der vom Glamour-Boy zum demütigen Teamplayer wurde.
An Vettel perlen Pfiffe und Kritik scheinbar ab. Doch sein Teamchef Christian Horner appelliert: „Sebastian hat zwar breite Schultern, aber er ist auch nur ein Mensch mit Gefühlen.“
Dominatoren