Offiziell: Vettel verlässt Red Bull zum Saisonende
Sebastian Vettel macht Schluss mit Red Bull. "Es ist ein großer Schritt und natürlich fällt es einem nicht leicht eine solche Entscheidung zu treffen", teilte der Vierfach-Weltmeister am Samstag in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Die Formel 1 steht damit vor dem spektakulärsten Fahrerwechsel seit knapp 20 Jahren, denn der Deutsche soll ab nächstem Jahr für Ferrari auf Titeljagd gehen.
Offizielle Bestätigung gab es dafür vorerst zwar noch keine, doch Red-Bull-Teamchef Christian Horner erklärte vor dem Qualifying zum Japan-Grand-Prix: "Sie (die Ferrari-Verantwortlichen, Anm.) haben ihm wohl ein sehr lukratives Angebot gemacht." Vettel selbst kündigte an, sich "in Kürze" zu seinen Zukunftsplänen zu äußern.
Der Wechsel zu Ferrari scheint aber nur logisch: Vettels langjähriger Rivale Fernando Alonso macht den Platz frei bei den "Roten" - ein Bekenntnis zur Scuderia trotz Vertrags bis 2016 gab es vom Spanier in Suzuka jedenfalls nicht, im Gegenteil. Alonso dürfte von Ferrari zu McLaren wechseln. Und Vettel will bei Ferrari, dem Mythos im Motorsport, versuchen, eine neue Ära einzuleiten. Ganz nach dem Vorbild seines einstigen Kindheitsidols Michael Schumacher, der vor der Saison 1996 als zweimaliger Champion von Benetton zur weltbekannten Marke nach Maranello gewechselt war.
"Amikale Trennung"
Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko bestätigte in einem ORF-Interview, dass Vettel eine "neue Herausforderung" gesucht habe und man sich deshalb auf eine "amikale Trennung" geeinigt habe. Auch laut dem Steirer wird der Serien-Weltmeister kommendes Jahr für Ferrari fahren, weil er in die Fußstapfen von Schumacher treten und "ein darniederliegendes Team" zu neuen Höhenflügen führen wolle. "Das wollen wir natürlich mit allen Mitteln verhindern", betonte Marko mit einem Schmunzeln.
"Ich laufe auch nicht vor irgendetwas davon. Aber manchmal braucht man im Leben eben etwas Neues. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, muss man zugreifen", sagte Vettel auto-motor-und-sport.de. Red Bull habe nichts falsch gemacht. "Wir gehen in Freundschaft auseinander. Es hat auch nichts mit den Ergebnissen zu tun, auch wenn sie nicht dem entsprachen, was ich mir erwartet habe."
Nach vier Weltmeister-Jahren und insgesamt 38 Siegen konnte Vettel in diesem Jahr noch kein Rennen gewinnen. Mehr als einmal äußerte sich der Hesse kritisch zu seinem aktuellen Dienstwagen. Ein klares Bekenntnis zu einer weiteren Zukunft bei Red Bull hatte Vettel in den vergangenen Wochen zudem immer vermieden.
Ausstiegsklausel
Die Spekulationen um ein Ende der Erfolgsgemeinschaft rissen nicht ab. Eine Ausstiegsklausel soll dem erfolgsbesessenen Deutschen den Weggang möglich gemacht haben, trotz Kontrakts bis Ende 2015. Demnach konnte er kündigen, wenn er Ende September schlechter als Platz drei im Klassement geführt würde - Vettel ist aktuell Fünfter. Marko wollte dies weder bestätigen noch dementieren.
Die endgültige Entscheidung über Vettels Weggang von den "Bullen" fiel erst am Freitagabend. "Wir möchten uns bei Sebastian für seine unglaubliche Rolle, die er bei Infiniti Red Bull Racing in den vergangenen sechs Jahren gespielt hat, bedanken", schrieb Red Bull in seiner Pressemitteilung. Auch Marko erinnerte an die "tollen Erfolge" von Vettel, der 2008 in Monza im Toro Rosso seinen ersten Grand-Prix-Triumph gefeiert hatte.
Ein Russe ersetzt Vettel
Seinen freien Platz bei Red Bull wird im kommenden Jahr der Russe Daniil Kwjat von B-Team Toro Rosso einnehmen. Der Russe wird dann neben dem Australier Daniel Ricciardo für den Rennstall von Österreichs Milliardär Dietrich Mateschitz an den Start gehen. Auf das freie Toro-Rosso-Cockpit gibt es laut Marko "vier heiße Kandidaten".
Vettel war vor der Saison 2009 vom Toro Rosso zu Red Bull gekommen. "Uns verbinden all die wunderbaren Erinnerungen an unsere gemeinsamen Zeiten, die uns keiner nehmen kann", betonte Vettel. Teambesitzer Mateschitz hat seit jeher klargemacht, dem Deutschen keine Steine in den Weg zu legen, sollte Red Bull ihm einmal kein siegfähiges Auto zur Verfügung stellen. Und Vettel hat nie einen Hehl aus der Strahlkraft von Ferrari gemacht.
Die Meldung vom Vettel-Ende bei Red Bull zu nächtlicher mitteleuropäischer Zeit ließ sämtliches Geschehen auf der Strecke erst einmal in den Hintergrund rücken. Auch im Fahrerlager gab es nur noch ein Thema: Vettel, Vettel, Vettel.
Klar ist, dass die Ferrari dringend wieder Erfolge braucht und der 27-Jährige dem Team noch einmal neuen Schwung geben könnte. Der letzte Titel der Scuderia liegt nun sieben Jahre zurück. 2007 gewann ihn Kimi Räikkönen. Mit dem Finnen, seit diesem Jahr wieder bei Ferrari, versteht sich Vettel bestens. Umgekehrt gilt das genauso.
Allerdings würde Vettel bei Ferrari auch ein Team mitten im Umbruch vorfinden, das in diesem Jahr einen neuen Teamchef (Marco Mattiaci) bekam und dessen Präsident Luca di Montezemolo Mitte Oktober von seinem Ferrari-Amt zurücktreten wird. Der hochdekorierte Vettel würde also auch Aufbauarbeit leisten müssen. So wie einst Schumacher bei seinem spektakulären Wechsel zur Scuderia, dessen fünf Titel in Serie mit Ferrari für Vettel im Red Bull unerreicht blieben.
Fragen an den vierfachen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel aus der Medienrunde am Samstag in Suzuka nach der Bekanntgabe seines Weggangs von Red Bull zum Saisonende.
Frage: Können Sie uns einen Einblick in die vergangenen Stunden geben und wie die Entscheidung zustande gekommen ist?
Vettel: "So eine Entscheidung trifft man ja nicht über Nacht. Wie Sie sich vorstellen können, ist es immer ein großer Schritt, wenn so eine Beziehung zu einem Ende kommt. Aber es bleibt nichts Negatives. Ich gehe hier nicht weg, weil ich es nicht mehr mag oder weil ich die Leute nicht mehr leiden kann. Das ist es ganz und gar nicht, und das hat die Entscheidung nach so einer langen und erfolgreichen Zeit auch so schwer für mich gemacht. Es ist eine Entscheidung, die mit der Zeit gewachsen ist. Es ist nicht das erste Mal in den vergangenen Jahren, dass ich die Möglichkeit habe, etwas anders zu machen. Es fühlt sich aber jetzt so an, als sei es der richtige Zeitpunkt."
Frage: Mit wem haben Sie in den vergangenen Stunden gesprochen und wie liefen diese Gespräche ab?
Vettel: "Ich habe natürlich mit den Teamverantwortlichen gesprochen. Auch mit Dietrich (Mateschitz/Red-Bull-Teambesitzer, Anm.). Es war nicht einfach. Es ist keine einfache Entscheidung gewesen, und es ist auch nicht einfach, mit den Konsequenzen klarzukommen. Daher wäre es um einiges einfacher gewesen, zu bleiben und nichts zu machen."
Frage: Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
Vettel: "Da kommen einige Dinge zusammen. Man könnte es natürlich so sehen: Ach, er ist nicht erfolgreich. Das ist aber nicht der Fall. Deswegen macht es das ja so schwer für mich. Nach 15 Jahren hier, zusammen mit Red Bull. Es fühlt sich an, als ziehe man zu Hause aus. Es gibt aber den Wunsch und den Hunger, etwas Neues zu machen."
Frage: Red-Bull-Teamchef Christian Horner hat gesagt, Sie würden zu Ferrari gehen. Das Team habe Ihnen ein sehr gutes Angebot gemacht.
Vettel: "Wie ich schon gesagt habe, ist es nicht das erste Mal, dass ich Angebote von anderen bekomme. Leider muss ich Ihnen aber dieselbe Antwort wieder und wieder geben: Ich kann nichts offiziell bekanntgeben. In Kürze werde ich das aber können."
Frage: Sie haben keinen Manager. Wer hat Ihnen geholfen?
Vettel: "Ich bin ja nicht komplett allein. Ich habe einen Freund, der mich praktisch auch ein bisschen berät. Ich habe einen Anwalt. Ich denke aber auch, dass ich alt genug bin. Ich habe einen Mund und einen Kopf."
Frage: Wäre Ihre Entscheidung auch so ausgefallen, würden Sie noch mit Mercedes um die WM kämpfen?
Vettel: "Schwer zu sagen, was wäre wenn. Es war eine innere Stimme, die lauter geworden ist. Es ist ein Schritt, auf den ich mich sehr freue."
Frage: Hat Teamchef Horner versucht, Sie umzustimmen?
Vettel: "Nach so einer langen Zeit kennt man sich. Nicht nur Christian, wir haben alle großen Respekt voreinander. Von Gesicht zu Gesicht war es nicht einfach. Es brauchte aber nicht viele Worte."
Der viermalige Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel wird Red Bull in wenigen Wochen verlassen. Die dpa dokumentiert das Statement des 27 Jahre alten Heppenheimers zu seinem Weggang nach der laufenden Saison.
"Nach 15 erfolgreichen und schönen Jahren mit Red Bull habe ich mich dazu entschlossen Ende des Jahres das Team zu verlassen.
Es ist ein großer Schritt und natürlich fällt es einem nicht leicht eine solche Entscheidung zu treffen. Die Chance Formel 1 zu fahren, der erste Sieg mit Toro Rosso, die 4 WM Titel mit Red Bull Racing und vieles mehr haben Red Bull und mich zu einer Art Familie zusammen geschweißt. Uns verbinden all die wunderbaren Erinnerungen an unsere gemeinsamen Zeiten, die uns keiner nehmen kann.
Ich möchte nochmals großen Dank an Dietrich Mateschitz, Dr. Helmut Marko, Christian Horner, die gesamte Red Bull-Familie Red Bull Racing, Red Bull und Toro Rosso aussprechen. Ich bedanke mich bei allen für das Vertrauen, das sie in mich gesetzt haben und für ihre tolle Unterstützung über die letzten Jahre.
Über meine Zukunftspläne werde ich in Kürze etwas bekannt geben."
In der erfolgreichen Vergangenheit waren Vertragsverlängerungen bei Red Bull für Sebastian Vettel fast nur eine Formsache. Auch wenn der Deutsche nie das Image des wilden Draufgängers, des Abenteurers auf der Suche nach dem ultimativen Kick verkörperte. Jenes Bild, das in der Öffentlichkeit mit dem österreichischen Getränkehersteller sonst gern verbunden wird.
Vettel aber ist ein zurückgezogen lebender Mensch, auf einem ehemaligen Bauernhof in der Schweiz. Einer, der wie sein Kindheitsidol Michael Schumacher sein Privatleben schützt. Einer, den mit Red Bull jedoch der ungestillte Durst nach sportlichem Erfolg jahrelang einte.
Jüngster Weltmeister in der Formel 1. Vierfacher Titelträger, und das in Serie. 39-maliger Grand-Prix-Gewinner. 45-facher Polesetter. Die Liste der Vettel-Bestmarken ist bereits lang. Und das mit gerade einmal 27 Jahren.
Vettel kam, sah und war erfolgreich. Nachdem er für BMW-Sauber 2007 in Indianapolis in seinem ersten Formel-1-Rennen gleich in die Punkteränge gefahren war (8. Platz), holte Red Bulls B-Team Toro Rosso den Hessen.
Schon vorher hatte Vettel zum Motorsport-Juniorprogramm des Unternehmens von Milliardär Dietrich Mateschitz gehört. 2008 gewann Vettel im Regen von Monza zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen. 38 weitere Siege folgten ab 2009 nach seiner Beförderung zu Red Bull.
Vettel wurde sportlich zum Superstar. Zum Kultobjekt der Formel-1-Fanszene taugt der manchmal immer noch wie ein Schulbub wirkende Deutsche weniger. Vettel ist wohl zu normal, zu bodenständig. "Er glaubt, nicht wichtiger zu sein als andere Leute, weil er Formel-1-Weltmeister ist", sagte Vater Norbert, selbst Zimmerer von Beruf, einmal über den erfolgreichen Sohn.
Vettel zieht aber sein Ding durch. In diesem Jahr musste er dabei allerdings mehr als je zuvor lernen, mit Niederlagen umzugehen. Das fiel ihm nicht immer leicht. In Kanada bezeichnete er den Red Bull RB10 sogar als "Gurke". Dass ausgerechnet der australische Aufsteiger Daniel Ricciardo in seinem ersten Jahr an seiner Seite bisher drei Siege schaffte und deutlich besser mit dem Boliden zurechtkommt, behagte Vettel überhaupt nicht.
Gleichwohl versuchte er, sein Team wie auch in den guten Jahren immer weiter anzutreiben. Und er wird es sicher auch noch in den vier Rennen nach dem jetzt bereits denkwürdigen Japan-Wochenende mit der Abschiedsankündigung versuchen. Das dürfte für Vettel weniger Formsache, sondern tiefstes Bedürfnis sein.
Teams:
Red Bull (von 2009 bis Ende 2014)
Toro Rosso (2007 bis Ende 2008)
BMW Sauber (2007)
geboren am: 3. Juli 1987 in Heppenheim (Hessen/Deutschland)
Erster Grand Prix: 17. Juni 2007 GP USA (BMW-Sauber)
Erster GP-Sieg: 14. September 2008 GP Italien (Toro Rosso)
Siege: 39
GP-Teilnahmen: 134
Erster WM-Titel: 2010
WM-Titel: 2010, 2011, 2012, 2013