Sport/Motorsport

Pole für Hamilton in Melbourne

Nicht einmal der Regen vermochte sie zu stoppen. Lewis Hamilton hat sich am Samstag in einem packenden Qualifying in Melbourne die erste Pole Position der neuen Formel-1-Saison geholt. Sein Mercedes war das überlegene Auto. Die Bestzeit holte sich der Ex-Weltmeister allerdings erst im letzten Abdruck. Sebastian Vettel kam in einem "unfahrbaren" Red Bull nicht über Rang 13 hinaus.

Mercedes geht am Sonntag (7.00 Uhr/live ORF eins) als klarer Favorit in das erste Rennen der neuen Turboära. Hamiltons Teamkollege Nico Rosberg war lange Zeit der Schnellste gewesen, musste sich am Ende aber mit Startplatz drei zufriedengeben. Dazwischen schob sich in seinem Heimrennen sensationell der australische Red-Bull-Neuzugang Daniel Ricciardo.

"Wir müssen die Favoritenrolle langsam annehmen. Wenn man sich die Rennpace ansieht, kann uns wahrscheinlich nur ein Defekt schlagen", meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Das Thema ist aber die Standfestigkeit. Es hilft dir nichts, wenn du vorne wegfährst und dann ausfällst." Das komplexe neue Reglement bietet zu viele Fehlerquellen - mit einer davon hatte Vettel in der Quali zu kämpfen.

"Unfahrbar" - Sebastian Vettel


Beim Weltmeister funktionierte eine neue Motorsoftware nicht so wie bei seinem Teamkollegen. "Das Auto liegt optimal, aber der Motor setzt unkontrolliert ein. Dadurch wird das Auto unfahrbar", erklärte Red Bulls Motorsportdirektor Helmut Marko. Vettel beschwerte sich über Funk über ein "schreckliches" Fahrverhalten. "Wir waren heute nicht gut genug", gestand der Deutsche.

Hamilton holte die 32. Pole seiner Karriere. "Die Bedingungen haben es sehr viel schwieriger gemacht", erinnerte der Engländer. Im Nassen sind die neuen Autos praktisch noch nie getestet worden. Pünktlich in der ersten Quali-Phase setzte der Regen ein. Erinnerungen an das Vorjahr wurden wach, als das Zeittraining im Albert Park abgebrochen und am Sonntag fortgesetzt werden musste.

Ricciardo überrascht

Die wahre Sensation war Ricciardo, der sich im ersten Rennen für Red Bull in die erste Startreihe stellte. "Das gibt viel Selbstvertrauen für den Rest der Saison", versicherte der 24-Jährige. McLaren-Rookie Kevin Magnussen überzeugte als Vierter noch vor Ferrari-Star Fernando Alonso. Dessen neuer Teamkollege Kimi Räikkönen flog von der Strecke ab und startet neben Vettel von Platz elf. Beide profitierten von einer Rückversetzung des Finnen Valtteri Bottas wegen eines Getriebewechsels an seinem Williams.

Im Finish überschlugen sich bei auftrocknender Piste die Ereignisse. Erst überraschte Ricciardo, dann entriss ihm Hamilton doch noch die Bestzeit. "Das hat uns ein paar graue Haare gekostet", sagte Wolff. Rosberg konnte nicht mehr nachlegen, weil er wegen eines Ausrutschers zu spät über die Start-Ziel-Linie gekommen war. "Wir wissen aber, dass beide Autos schnell sind", betonte Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda.

"Mercedes ist im Trockenen 1,5 Sekunden pro Runde schneller als wir", musste Marko anerkennen. "Die sind uns motormäßig immer noch zwei Schritte voraus." Dafür gab Red Bulls Zweitteam Toro Rosso ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Der Franzose Jean-Eric Vergne startet von Platz sechs, der russische Formel-1-Debütant Daniil Kwjat von Position acht. Auch am Sonntag ist Regen möglich.

Ergebnis
1. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 1:44,231 Min. (183,159 km/h)
2. Daniel Ricciardo (AUS) Red Bull-Renault 1:44,548
3. Nico Rosberg (GER) Mercedes 1:44,595
4. Kevin Magnussen (DEN) McLaren 1:45,745
5. Fernando Alonso (ESP) Ferrari 1:45,819
6. Jean-Eric Vergne (FRA) Toro Rosso-Renault 1:45,864
7. Nico Hülkenberg (GER) Force India-Mercedes 1:46,030
8. Danill Kwjat (RUS) Toro Rosso-Renault 1:47,368
9. Felipe Massa (BRA) Williams-Mercedes 1:48,079
10. Waltteri Bottas (FIN) Williams-Mercedes 1:48,147 *
11. Jenson Button (GBR) McLaren 1:44,437
12. Kimi Räikkönen (FIN) Ferrari 1:44,494
13. Sebastian Vettel (GER) Red Bull-Renault 1:44,668
14. Adrian Sutil (GER) Sauber-Ferrari 1:45,655
15. Kamui Kobayashi (JPN) Caterham-Renault 1:45,867
16. Sergio Perez (MEX) Force India-Mercedes 1:47,293
17. Max Chilton (GBR) Marussia-Ferrari 1:34,293
18. Jules Bianchi (FRA) Marussia-Ferrari 1:34,794
19. Esteban Gutierrez (MEX) Sauber-Ferrari 1:35,117 *
20. Marcus Ericsson (SWE) Caterham-Renault 1:35,157
21. Romain Grosjean (FRA) Lotus-Renault 1:36;993
Pastor Maldonado (Ven) Lotus-Renault ohne Zeit

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Red Bull und Mercedes sind einander nahegekommen, näher als ihnen lieb ist. Die beiden Rennställe pflegten in den vergangenen Jahren eine offen zur Schau gestellte Rivalität – Sticheleien, Anschuldigungen und Proteste inklusive. Nun, im Rennjahr 2014, residieren der Weltmeister (Red Bull) und sein Vize (Mercedes) Tür an Tür im Fahrerlager. Das Reglement der Formel 1 sieht es so vor. Sportlich allerdings trennen die beiden großen Rivalen vor der am Sonntag in Australien beginnenden Saison Welten (7 Uhr MEZ/live ORFeins, RTL und Sky Sport).

Das deutsche Werksteam ist als Topfavorit nach Melbourne gereist, der österreichische Rennstall hat die Überholspur mit dem Pannenstreifen getauscht. Bei den Testfahrten zur revolutionären Saison kam der Renault-Turbomotor samt aufwendigem Hybridsystem nur schleppend auf Touren. "Bis Mai sollten wir alle Probleme im Griff haben", sagt Daniel Ricciardo, der neue Teamkollege von Vierfach-Weltmeister Vettel.

Im Mai ist fast ein Viertel der Saison vorüber, gewonnen ist da die WM bestimmt noch nicht, verloren könnte sie schon sein.

Große Hoffnungen

Im Lager von Mercedes ist die Erwartungshaltung enorm. Im fünften Jahr nach der Rückkehr als Werksteam, nach Enttäuschungen, Blamagen und Rückschlägen, soll nun der große Wurf gelingen. "2014 könnte unser Jahr werden", sagt Pilot Nico Rosberg. Die Rolle des Realisten nimmt sein Teamchef ein, der Wiener Toto Wolff: "Wir werden die neue Saison mit Demut und nicht mit Hochmut angehen." An der Zielvorgabe lässt der Daimler-Motorsportchef und Miteigentümer des Formel-1-Teams dennoch keinen Zweifel: "Titel sind der Anspruch von Mercedes, deshalb sind wir in der Formel 1 dabei."

Während Wolff Finanzen und Personal im Team verantwortet, zeichnet ein weiterer Österreicher für den Aufschwung der Silberpfeile verantwortlich: Der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda fungiert als Schnittstelle zwischen dem hoch technologisierten Formel-1-Team in England und der pragmatisch-kühlen Vorstandsetage in Stuttgart. Das Wort des dreifachen Weltmeisters hat Gewicht. Auch dank Laudas Argumenten kann es Mercedes nun in Sachen Budget mit Red Bull und Ferrari aufnehmen. Rund 300 Millionen Euro stehen den Top-Teams pro Saison zur Verfügung.

"Die Formel 1 ist nicht nur ein Wettbewerb der besten Fahrer, sondern auch einer der besten Ingenieure", sagt Wolff. Auch abseits der Rennstrecke trat Mercedes unter der Führung des 42-Jährigen aggressiv auf: Von Red Bull wechselten die Chefingenieure für Fahrzeugdynamik (Mark Ellis) und Simulation (Giles Wood) zu Mercedes. Welch gute Argumente die Deutschen gehabt haben müssen, beweist die Tatsache, dass Wood ein Angebot von Google mit dem Prestigeprojekt des fahrerlosen Autos ausschlug.

"Beat the Bulls" – die Bullen schlagen – hat Starpilot Lewis Hamilton als Motto ausgegeben. Der 29-Jährige gilt bei den Buchmachern als WM-Favorit. Wolff, der von Hamilton schlicht "Boss" genannt wird, versucht zu relativieren: "Wer glaubt, Red Bull kommt nicht zurück, ist naiv. Die Frage ist nur, wann?"

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