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Wolff: "Sich selbst nicht zu wichtig nehmen"

Er ist einer der mächtigsten Männer im Motorsport. Nach seinem Engagement bei Williams steht Toto Wolff seit Jänner als Motorsportchef von Mercedes in der ersten Reihe. Dort waren auch seine Silberpfeile zuletzt regelmäßig zu finden. Wolffs Team gilt daher beim Formel-1-Klassiker am Wochenende in Monaco als Mitfavorit. Mit der APA sprach der 41-jährige Wiener über den Tanz auf der Rasierklinge, seine Position im Reifenstreit und darüber, warum man sich selbst nicht zu wichtig nehmen darf.

Für Sie als jemand, der selbst Rennen gefahren ist: Was macht den Mythos Monaco aus?
Wolff: Es ist ein historisches Highlight. Es ist einer der ganz wenigen reinen Straßenkurse - auf öffentlichen Straßen, da kommen der Grip und bei Regen auch Aquaplaning dazu. Der Kurs bietet überhaupt keinen Raum für Fehler, es ist ein permanenter Tanz auf der Rasierklinge. Das ist echtes Rennfahren.

Wegen fehlender Überholmöglichkeiten hält Fernando Alonso Mercedes im Fürstentum sogar für den Topfavoriten. Zu viel der Ehre oder eine realistische Einschätzung?
Unsere Stärke im Qualifying ist im Vergleich zu unserer Schwäche im Rennen nicht erstrebenswert. Wir versuchen, das für die kommenden Rennen auszubalancieren. In Monaco bringt dir die Pole Position vielleicht ein bisschen mehr. Wenn die Schwäche am Sonntag so eklatant ist, hilft sie dir aber auch nicht wirklich. Unser Auto ist pfeilschnell, wir gehen mit der Reifentemperatur aber zu hoch. Wir wollen dieses Samstag vs. Sonntag Problem lösen.

Ist das Problem bereits isoliert?
Es ist komplex. Es gibt so etwas wie eine DNA in jedem Auto. Ferrari und Lotus haben den Reifen nie so schnell auf Temperatur gebracht, bei Red Bull und uns war das immer der Fall. Es gilt herauszufinden, wo der Hebel anzusetzen ist. Am Ende zählt nur die Stoppuhr, in Monaco genauso wie in Montreal.

Eine Anpassung der Reifen könnte Bewegung in die Situation bringen. Derzeit wird viel über das Ausmaß der Änderungen diskutiert. Wie groß werden sie sein?
Die Aufgabenstellung war Show mit vielen Boxenstopps, das hat Pirelli geliefert. Mit der ausgeklügelten Aerodynamik der Autos sind wir jetzt vielleicht in einer Situation, in der es zu viel der Show ist. Tatsache ist, dass während der Saison Änderungen nur wegen Sicherheitsbedenken möglich sind. Das Delaminieren (Ablösen der Lauffläche/Anm.) des Reifens ist gefährlich, das ist auch eine Sicherheitsthematik. Es ist aber an Pirelli, das zu entscheiden.

Können Sie die Kritik einiger Teams, die durch die Änderungen um ihren aktuellen Vorteil fürchten, nachvollziehen?
Das ist die Formel 1. Jeder schaut nur auf seinen eigenen Vorteil, das ist normal. Ich glaube aber, es ist ein Strohfeuer. Pirelli wird nicht während der Saison so viel ändern, dass ein Team einen großen Vor- oder Nachteil hat. Dazu sind sie zu professionell. Wir müssen einfach mit der aktuellen Situation und den Reifen umgehen lernen.

Sie haben das "echte Rennfahren" angesprochen. Schadet die Reifensituation, durch die niemand mehr bedingungslos Vollgas geben kann, dem Image und damit auch dem Marktwert der Formel 1?
Niki Lauda hat gesagt, dass Rennfahren so sein soll, dass der Schnellste gewinnt. Das ist jetzt nicht der Fall. Wir betreiben den Sport nicht für uns, sondern für den Fan. Aus persönlicher Sicht wäre es mir auch lieber, wir könnten voll fahren. Das Regelwerk erlaubt aber keine großen Änderungen während der Saison. Weiter medialen Druck auf Pirelli aufzubauen und Lobbying zu betreiben, hat keinen Sinn.

2014 kommen revolutionäre Regeländerungen auf die Formel 1 zu. Eine besonders große Chance für ein Team wie Mercedes, mit eigener Motorenschmiede?
Es sind alle sehr professionelle Teams, auch Ferrari und Renault bauen sehr gute Motoren. Von einem großen Wurf zu sprechen, wäre zu früh. 2014 ist ein wichtiges Jahr. Man verlegt vielleicht schon ein bisschen früher die Ressourcen darauf, weil die Änderungen so groß sind. Wir dürfen aber auch die Weiterentwicklung des aktuellen Autos nicht vernachlässigen.

Angesichts dieser Ressourcenaufteilung: Wie wichtig war die Verpflichtung von Technikdirektor Paddy Lowe als zusätzliche Kraft?
Paddy ist wahnsinnig wichtig, auch für die Zukunft dieses Teams. Wir fahren derzeit zwei Parallelprogramme. 2013 gilt es unser immanentes Problem mit den Reifen zu lösen, 2014 kommen ein neuer Motor, ein neues Chassis und viele neue Komponenten. Auch 2015 und 2016 ist die Weiterentwicklung essenziell. Es ist der Anfang einer neuen Ära, da ist die Entwicklungsgeschwindigkeit noch sehr hoch. Da ist es wichtig, dabei zu sein.

Sie halten selbst einen signifikanten Anteil am Team (30 Prozent). Wie glücklich sind Sie darüber, am Erfolg des eigenen Investments so aktiv mitwirken zu können?
Man darf sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Man muss sich eingestehen, dass man eine Unterstützungsrolle hat. Es ist ein technischer Sport, in dem es um die Entwicklungsgeschwindigkeit geht. Meine Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen für die Leute zu schaffen, die ein gutes Auto bauen - nicht mehr und nicht weniger. In dem Sport neigt man schnell dazu, sich zu wichtig zu nehmen. Wir sind ein Mikrokosmus, der unter dem Vergrößerungsglas steht, das Bernie Ecclestone geschaffen hat. Die Formel 1 ist nicht das Wichtigste der Welt.

Ganz Deutschland befindet sich vor dem Champions-League-Finale im Fußball-Fieber. Warum emotionalisiert dieser Sport viele Menschen mehr als die Formel 1, und wem drücken Sie am Samstag die Daumen?
Dafür verstehe ich zu wenig von Fußball, von dem ganzen Geschäft. Aber ich finde Jürgen Klopp und das, was er mit Dortmund dahingestellt hat, eine coole Geschichte. Ich tendiere also zum Underdog. Außerdem haben die Bayern ja eine Partnerschaft mit Audi. (lacht)