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McLaren ist am absoluten Tiefpunkt angelangt

Fernando Alonso hat eine bemerkenswerte Zeit in Frankreich hinter sich. Das vergangene Wochenende bezeichnete er euphorisch als den größten Erfolg seiner Karriere - kein Wunder, hatte er doch gerade die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, nicht zuletzt dank seiner eigenen starken Leistung vor allem während der Nachtstunden. Nur eine Woche später gurkte er knapp 700 Kilometer weiter südlich in Le Castellet dem Formel-1-Feld hinterher und schied kurz vor Schluss aus.

Dass es nicht am Fahrer liegt, steht wohl außer Frage. Mit Fernando Alonso hat McLaren einen der besten Rennfahrer der Gegenwart im Cockpit, und auch sein oft gescholtener Teamkollege Stoffel Vandoorne ist alles andere als ein Anfänger am Volant. Und dennoch steht der englische Traditionsrennstall vor einer weiteren, absolut verkorksten Saison. Langsam muss sich Teamchef Eric Boullier ernsthaft Sorgen um seinen Job machen.

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Beim Auftakt in Melbourne war man nach den Plätzen fünf (Alonso) und neun (Vandoorne) noch voller Überzeugung, von nun an würde es nur noch bergauf gehen. Podestplätze, gar Siege waren das Ziel. Fakt ist: Melbourne war das erfolgreichste Wochenende der Saison für die Truppe aus Woking, seinen fünften Platz übertraf Alonso seither nicht mehr. Seit Spanien ist das Papaya-orange Team sogar punktelos.

Der absolute Tiefpunkt

Das Schlimmste daran? Die Ausrede fehlt. Seit dem Umstieg auf Honda-Motoren zur Saison 2015 konnte man sich wunderbar hinter der - zugegeben enttäuschenden - Performance der japanischen Triebwerke verstecken. 2017 erfolgte die Scheidung der aufgewärmten Erfolgsehe der 1980er- und 1990er-Jahre. Vom Wechsel zu Renault - jenes Triebwerk, mit dem Red Bull in den vergangenen Jahren stets zumindest zu Podestplätzen, wenn nicht gar zu Siegen taugte - und dem selbsterklärten "besten Chassis im Feld" (Zitat Boullier) versprach man sich in dieser Saison also Großes.

Ein halbes Jahr später befindet sich McLaren am absoluten Tiefpunkt. Superstar Alonso hat in den vergangenen drei Rennen kein einziges Mal die Zielflagge gesehen - unverschuldet, aufgrund technischer Gebrechen. In Le Mans befand sich der Spanier auf einem Höhepunkt, dominierte mit Toyota das 24-Stunden-Rennen - sein Jubel, als er aufs Siegerpodest klettern durfte, umso ausgelassener. In der Formel 1 siegte Alonso zuletzt 2013, damals noch für Ferrari.

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In Woking gehen die Wogen verständlicherweise hoch. Zumal sich die Berichte über den geradezu skandalösen Umgang mit Mitarbeitern häufen. Die jüngste Anekdote, dass zum Saisonstart als Belohnung für geleistete Überstunden nur Schokoriegel verteilt wurden, passt in das Bild, das Boullier vermittelt: Auf der höchsten Ebene hängt man an den Erfolgen der Vergangenheit und übersieht ob dieser die Erfolglosigkeit der Gegenwart.

Keine rosige Zukunft

Bei Alonso stehen die Zeichen unterdessen auf Abschied. Der Spanier ist nach dem Le-Mans-Triumph näher als je zuvor an seinem großen Karriereziel, der Triple Crown. In der Formel 1, das weiß er wohl auch selbst, wird er mit seinen mittlerweile 36 Jahren keine Rekorde mehr brechen, schon gar nicht gegen die Dominanz von Lewis Hamilton und Mercedes. Auf der Langstrecke hat er gute Chancen, nach Le Mans auch den WEC-Weltmeistertitel zu gewinnen. Und 2019 werden wir den Spanier wohl in der IndyCar-Serie sehen, wo er den letzten Stein in seiner Dreifachkrone jagt - den Sieg beim Indy 500.

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Und McLaren? Hat mit dem aktuellen Formel-2-Gesamtführenden Lando Norris den neuen Lewis Hamilton unter Vertrag, da sind sich die britischen Medien einig. Aber ob man das Ausnahmetalent halten wird können, wenn die Erfolge ausbleiben? Norris wird auch mit seinen erst 18 Jahren schon abschätzen können, dass er auf McLaren so bald nicht Weltmeister wird, und den Absprung suchen. Für 2019 ist er neben Vandoorne als Alonso-Ersatz eingeplant. Wenn McLaren aber nicht bald die Wende schafft, die seit 2014 jedes Jahr versprochen wird, hilft aber auch der beste Fahrer im Feld nichts.