Sport/Motorsport

Spielberg: Fans in der Poleposition

Eine Scheibe Schwarzbrot, ein Gurkerl aus dem Glas, eine Flasche Bier. Ein Frühstück für Helden, ein Frühstück für Andreas aus dem bayrischen Traunstein.

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Nur in den Luxushotels von Dietrich Mateschitz kann man ähnlich nahe an der Rennstrecke übernachten wie auf dem Campingplatz. Fünf Gehminuten sind es von den besten Stellplätzen bis zur Tribüne, in Hörweite sind die Formel-1-Autos. Das erste Training läuft auf dem Red-Bull-Ring. Für Andreas und seine zwei Freunde keine Option. Sie strecken die Füße unter den Campingtisch, nehmen einen Schluck aus der Flasche, genießen. "Das macht richtig Spaß", sagt der Deutsche. "So viele freundliche Leute habe ich noch nie gesehen. Alle sind gut drauf. Die Fans, die Polizei, die Securitys. Wir kommen das nächste Mal wieder. Fix." Dass ihr Landsmann Nico Rosberg die Weltmeisterschaft anführt, ist zweitrangig. Es sei das Flair an der Strecke, vor allem aber auf dem Campinggelände, das sie schwärmen lässt.

Freundschaftlich

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Kilometerweit erstreckt sich das Areal. Umgebaute Autobusse, große Camper, Wohnwagen, Zelte, Zelte, Zelte. Die meisten aus Österreich, viele aus den Nachbarländern, einige aus Polen, Skandinavien, Großbritannien und den Niederlanden. Campen verbindet, ganz besonders bei einem Formel-1-Rennen. Bei der Anreise drei Stunden lang gemeinsam und ohne Klimaanlage im Stau, dann Schulter an Schulter mit dem Zeltnachbarn beim Kaffeetrinken, vereint beim Grillen, gemeinsam unter der Dusche. Und in der Nacht ist das Schnarchen aus dem Nebenzelt zu hören. Ein Flair wie bei einem Rockfestival, nur zumeist gesitteter. Gras statt Gatsch, STS statt Slayer, beschwipst statt besoffen.

Trinkfreudig

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Gerry und seine Kollegen aus Baden und Umgebung sind anders. 250 Liter Bier und 25 Flaschen Bacardi waren für 18 Personen eingeplant. Eine Fehleinschätzung, wie sich nach der ersten Nacht herausstellt. "18 Flaschen Bacardi sind schon weg", sagt Gerry, der mit der Österreich-Trainingsjacke. "Weil wir sind nicht nur Formel-1- Fans, wir sind nebenbei der Bacardi-Club. Willst ein Bier?"

Für die Niederösterreicher ist Spielberg nicht Motorsport, sondern Männerwochenende. Ein Wochenende, das man schon auf dem alten A1-Ring zelebrierte, danach fast ein Jahrzehnt lang auf dem Hungaroring. Jetzt, endlich, kann wieder in der Heimat gefeiert werden. "Das Rennen ist uns nicht so wichtig wie das Rundherum, das Theater, das wir gemeinsam haben. Willst wirklich kein Bier?"

Aus dem großen, grauen Zelt, zur Verfügung gestellt von der Freiwilligen Feuerwehr Baden-Weikersdorf, kriecht einer der 18 Bacardi-Brüder. So schwer gezeichnet, dass er sich nicht auf einem Foto in der Zeitung sehen will. Für ihn heizt Gerry den Griller an. "Normalerweise grillen wir ein Mal am Tag. Heute zwei Mal. Der da hat Hunger. Der braucht das jetzt." Und er versucht es ein letztes Mal: "Ein kleines Bier wirst ja trinken?"

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Nicht ganz so eindrucksvoll wie die Motorhomes im Fahrerlager, aber immer noch beachtlich, sind die Aufbauten auf dem Campingplatz. Podeste wurden aus Paletten zusammengezimmert, Zäune, Sofas, Betten und Eiskästen aufgestellt, mobile Küchen in Betrieb genommen, zuletzt die Fahne gehisst. Rot-weiß-rot. Eine Familie hat ihr Wohnzimmer aufgebaut: Holztisch, Sessel, 55-Zoll-Flachbildschirm samt Surround-Anlage. Christian Klien spricht im ORF über das erste Training. "Wir wollen richtig gut informiert sein, bevor wir zur Strecke gehen", sagt die Frau. "Im Fernsehen bekommt man halt viel mehr mit."

Reiselustig

Eine lange Anreise haben Michael Schink und seine Freundin Renate hinter sich: Am Montag sind sie in Meppel im Norden der Niederlande gestartet, am Mittwoch mit dem ausgeborgten Campingbus angekommen. Das Rennen in Spielberg sei der Beginn einer mehrwöchigen Urlaubsreise durch Österreich, sagt er und bietet ein "Kopje Koffie", ein Tässchen Kaffee, an. "Mit dem Comeback des Grand Prix von Österreich war klar, wohin die nächste Reise gehen wird."

Michael Schink posiert vor der Holland-Fahne, die er an das Heck seines Campers gehängt hat. Natürlich sei es bedauerlich, dass Giedo van der Garde derzeit kein Cockpit hat. Dafür lassen ihn die Erfolge der Oranjes bei der Fußball-WM schwärmen. Fußballschauen im Public-Viewing-Bereich ist sein allabendlicher Fixtermin.

Fast entschuldigend gibt er zu: "Eigentlich bin ich ja Fußballfan. Eigentlich wäre ich gerne bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Aber leider habe ich schreckliche Flugangst."

Ohne ihn geht an diesem Wochenende in Spielberg nichts. Die Rede ist nicht vom WM-Führenden Nico Rosberg oder von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, gemeint ist Christoph Ammann.

Der Steirer ist mit seiner Firma CAM für die Sicherheit auf und neben der Rennstrecke verantwortlich. Nicht nur hier in Spielberg, sondern an jedem Grand-Prix-Wochenende im Jahr. Seine Leute kontrollieren Zutrittspässe, weisen Autos und Lastwagen auf die richtigen Wege und Parkplätze, bewachen die Garagen der Rennställe (auch in der Nacht). 500 Mitarbeiter sind es beim Österreich-Rennen, so viele wie an keiner anderen Strecke. „In der Heimat wollen wir uns erst recht keine Blöße geben“, sagt Ammann.

Er ist ein Kind der Region, die Zentrale seiner Firma befindet sich knapp 500 Meter vom Red-Bull-Ring entfernt. Bereits beim ersten Grand Prix auf dem Österreich-Ring im Jahr 1970 war Ammann dabei, sein Vater verwaltete das Bierlager. „Ich war sofort fasziniert von diesem Sport.“
Er blieb ihm treu. 1987 hatte seine Firma erstmals das Sicherheitskonzept zu verantworten, nachdem Ammann Vermarkter Ecclestone Verbesserungsvorschläge gemacht hatte.

Das Arbeitsverhältnis zum allmächtigen Engländer blieb eng, bald kam ein zweites Geschäftsfeld dazu: der Verkauf der Tickets. Mittlerweile ist Ammann mit Grand Prix Tickets der weltweit führende Anbieter für Eintrittskarten zur Formel 1. Das Geschäft läuft wie ein gut geölter Motor. „Die Kombination aus beiden Bereichen ist ein gewaltiger Vorteil“, sagt Ammann. Er kontrolliert jene Eintrittskarten, die er zuvor verkauft hat.
Sicherheit geht vor, sie ist das aufwendigere Geschäft. Nicht immer werden alle Sicherheitskräfte aus Österreich mitgenommen. So sieht sich Ammann mitunter auch mit kulturellen Problemen konfrontiert: „In Abu Dhabi sind einmal alle Sicherheitskräfte gleichzeitig zum Gebet gegangen. Daran denkt man nicht bei der Planung.“