Sport/Motorsport

Der Schöne und sein Biest

Die Geschichte von Lewis Carl Davidson Hamilton beginnt in einer Einzimmerwohnung in der Arbeiterstadt Stevenage und endet vorläufig in einem 23 Millionen Euro teuren Privatjet. Der 28-jährige Engländer reist mittlerweile standesgemäß zur Arbeit. „Ich bin so dankbar für mein Leben. Es hätte in die komplett andere Richtung gehen können“, sagt der Enkel von Einwanderern aus Grenada, einer Karibikinsel.

Die Formel 1 ist reich an schillernden Figuren, doch Lewis Hamilton ist dabei, in eine völlig neue Dimension vorzudringen. „Ich denke, dass Lewis zu einer eigenen Marke wird“, sagt Martin Whitmarsh. Der Teamchef von McLaren hat den Kampf um diese Marke verloren. Nach 14 Jahren beim englischen Traditionsrennstall tauschte der Weltmeister von 2008 das Silber und schloss sich Mercedes an.

Harte Prüfung

Die erste Prüfung steht am Sonntag mit dem Grand Prix von Australien bevor (7 Uhr MEZ/live ORFeins, RTL, Sky Sport). Das Qualifying musste wegen zu starker Regenfälle verschoben werden und findet wenige Stunden vor dem Rennen statt.

Nach Mythos und Macht von Michael Schumacher setzt der deutsche Autobauer mit Hamilton auf Glanz und Gloria. „Wir von Mercedes wollen gar nicht konservativ sein“, sagt der Wiener Toto Wolff, seit heuer Motorsportchef des Daimler-Konzerns. Die Strahlkraft des Briten soll das Image der angekratzten Silberpfeile aufpolieren. Vergolden ließ sich Hamilton den Wechsel mit einem Fixum von 75 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren. Prämien und Werbegagen nicht inkludiert. Für Hamiltons Auftritt außerhalb des Fahrerlagers ist Simon Fuller zuständig. Der Engländer erfand die Spice Girls und entwickelte das Castingshow-Format im Musikgeschäft („American Idol“, „Deutschland sucht den Superstar“).

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Neben Hamilton vermarktet Fuller die Ikone David Beckham samt Gattin Victoria sowie Tennisprofi Andy Murray. „Eine Ikone muss aus der Umkleidekabine kommen, glänzen, perfekt angezogen sein, eine Aura verbreiten und die Frauenwelt elektrisieren“, erklärt Fuller. Es ist ein Satz, wie für Hamilton geschrieben. Umringt von Fans federt er durch das Fahrerlager, seine Haut ist makellos, die Ohren zieren Brillanten. In seinem Windschatten stolziert Nicole Scherzinger.

Die US-Sängerin, bekannt geworden als Frontfrau der Pussycat Dolls, ist seit fünf Jahren an der Seite Hamiltons. Durch die 34-Jährige potenziert sich sein Glamour-Faktor. „Nicole wohnt in Hollywood, sie ist dort ein Star, durch sie bin ich mit dieser Welt verbunden.“

Hamilton selbst residiert im mediterranen Steuerparadies Monaco. Er übersiedelte im Vorjahr aus der Schweiz, weil es ihm in der älpischen Abgeschiedenheit zu beschaulich zu ging.

Harte Bandagen

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Beschaulichkeit hat wenig Platz im Leben des Rennfahrers. Hamilton ist auch auf der Piste eine Attraktion und sein Eintrittsgeld wert. Keiner dreht kompromissloser am Lenkrad, keiner fährt ungeduldiger. Nicht jedem gefällt das. So bezeichnete ihn die schottische Rennsport-Legende Jackie Stewart als „einen, dem zu leicht der mentale Gang rausspringt“.

Kritik ist Hamilton gewöhnt: „Es geht nur um eines: Du musst dieses Biest kontrollieren. Es gibt kaum Worte für das, was du im Cockpit erlebst.“ Sein Talent steht außer Frage. „Als Sportler sollte man zuerst einmal einer der Besten sein. Das ist meine Geschäftsgrundlage, aber es macht aus einem noch lange keine Ikone“, sagt Fuller.

Er ist es, der die Geschichte von Lewis Carl Davidson Hamilton weiterschreibt.