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Formel-1-Teamchef Tost: „Die Leute wollen Unfälle sehen“

Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo, Max Verstappen. Kein Teamchef der Formel 1 hat in der jüngeren Vergangenheit mehr Talente betreut als Franz Tost. Aus hochveranlagten Hoffnungsträgern macht der 62 Jahre alte Tiroler Grand-Prix-Sieger. Er muss das tun. So sieht seine Job-Beschreibung aus bei Toro Rosso, dem Zweitteam von Red Bull und Dietrich Mateschitz.

Tost ist seit der Gründung des Teams im Jahr 2006 Teamchef des im italienischen Faenza beheimateten Rennstalls, nur der Brite Christian Horner ist bei Red Bull Racing noch länger im Amt. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen ist Tost außerhalb des Fahrerlagers eine der leisesten Führungsfiguren der schrillen Formel-1-Welt. Dennoch gilt er als einer der genauesten Beobachter der Branche – wie er beim Interview vor dem ersten Saisonrennen in Australien bewies.

KURIER: Herr Tost, welche For mel 1 hat Ihnen denn besser gefallen – jene aus dem Jahr 2006 oder die aktuelle?

Franz Tost: Die Formel 1 ist immer etwas Besonderes. Es gibt nichts Höheres was Technik, Fahrer oder Marketing betrifft im Motorsport.

Macht es Sie stolz, zwölf Jahre lang in der Formel 1 als Teamchef zu arbeiten?

Mit Stolz hat das nichts zu tun. Das ist ein Wort, das mir gar nicht gefällt. Es geht darum, die Herausforderung richtig anzunehmen und sein Team immer weiter zu entwickeln. Viel schöner ist, zu sehen, wie an unserem Standort in Faenza alles entstanden ist. Wir mussten viele Bereiche, von der Produktion über den Einkauf bis zum Design, neu aufbauen. Wir sind in den letzten Jahren recht wettbewerbsfähig geworden, aber in der Formel 1 hat man immer mehr Defizite als einem lieb ist.

Sie haben viele Talente betreut und aus ihnen Sieger und Weltmeister gemacht. Wie lange brauchen Sie, um zu erkennen, ob jemand Potenzial hat?

Um eine fundierte Aussage treffen zu können, muss man mit einem Piloten schon ein ganzes Jahr zusammenarbeiten.

Was verbindet Vettel, Verstappen und Ricciardo? Worin unterscheiden Sie sich?

Alle erfolgreichen Piloten weisen Parallelen auf. Ohne Talent geht einmal nichts. Der zweite Punkt ist die Leidenschaft, und der dritte Punkt ist eiserne Disziplin, die alle Spitzenfahrer auszeichnet. Und alle diese Fahrer sind kreativ und innovativ, wenn es darum geht, Gegner zu schlagen.

Würde Sie es reizen mit einem fertigen Fahrer zusammenzuarbeiten, mit einem Vettel aus dem Jahr 2018 oder mit Lewis Hamilton in der aktuellen Form?

Ich würde beide sofort nehmen, das ist klar (lacht) . Aber die Frage stellt sich nicht. Toro Rosso hat die Aufgabe, junge Fahrer für Red Bull auszubilden, und manchmal lei der auch auszusortieren.

Was macht Verstappen so außergewöhnlich?

Sein Grundspeed und seine Fahrzeugbeherrschung. Er ist bei der ersten Ausfahrt mit uns sofort in den Grenzbereich gekommen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Er wird vom Fahren nicht so gefordert wie andere und hat daher freie Kapazitäten, um sich mit dem anderen Geschehen auf der Rennstrecke zu beschäftigen. Das ist ein entscheidender Faktor.

Der Sieg von Sebastian Vettel im unterlegenen Toro Rosso ist bald zehn Jahre her. Wie realistisch ist ein ähnlicher Coup für Außenseiter heutzutage?

Wenn nichts passiert, sind die Topteams vorne. Das war damals so und das ist auch heute noch so. Vielleicht spielt aber der Regengott wieder einmal mit. Ohne Regen hätten wir damals nicht gewonnen. Allerdings haben wir uns schon auch gut auf die Gegebenheiten vorbereitet.

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Sie haben einmal in einem Interview gemeint, die Formel 1 bräuchte mehr Unfälle. Können Sie das nähern erläutern?

Das ist nicht ganz korrekt. Ich habe gesagt: Der Unterhaltungsfaktor in der Formel 1 steht momentan nicht im Vordergrund. Manche Rennen sind langweilig. Ich kenne Leute, die sagen: ‚Früher hat’s wenigstens am Start gekracht.‘ Das heißt, die Leute wollen Unfälle sehen, aber keine Verletzten.

Wie erreicht man das?

Indem es ein ausgeglicheneres Feld gibt. Momentan gibt es maximal sechs Autos, die um den Sieg fahren. Wenn aber acht bis zehn Fahrzeuge annähernd auf einem Niveau sind und um Positionen vorne kämpfen, wird es automatisch interessanter. Durch Überholvorgänge und durch das Ausbremsen ist die Chance einfach höher, dass man sich berührt.