"Reifen schwerer zu verstehen als eine Frau"
Da können sich die Designer von Red Bull, Ferrari oder McLaren noch so ins Zeug legen und ihre Boliden in das funkelndste Blau, giftigste Rot oder glänzendste Silber tauchen, doch die Farbe der Formel 1 ist und bleibt Schwarz.
Gemeint sind die dicken Walzen, die den 750 PS starken Autos erst Halt auf dem Asphalt geben und die mittlerweile auch abseits der Strecke den Ton angeben. „Wir wissen, dass unser Auto schnell ist“, sagte Sebastian Vettel gestern in Malaysia, „aber leider sind die Reifen nicht so schnell wie unser Auto.“ Der Red-Bull-Star startet auch in das zweite Rennen aus der Poleposition (9 Uhr MEZ/ live ORFeins, RTL, Sky).
In der Kritik
Eine Top-Platzierung garantiert der Startplatz an der Sonne längst nicht mehr. „Die Startposition hat keine so große Wichtigkeit mehr“, ist sich Ferrari-Chefpilot Fernando Alonso sicher. Zu groß sei der Einfluss der Gummis auf den Rennausgang, zu gering die Haltbarkeit im Vollgasmodus. „Die Trockenreifen halten am besten im Regen“, sagt Red-Bull-Pilot Mark Webber nicht ohne Ironie und fügt an: „Die Reifen sind schwerer zu verstehen als eine Frau.“ Die Kritik ist an einen Mann gerichtet: Paul Hembery, den Sportchef des Reifenlieferanten Pirelli.
Es ist Donnerstag in Malaysia und der Engländer hat zur üblichen Medienrunde geladen. Journalisten meiden gerne solche Termine, doch diesmal sitzen Dutzende Hembery gegenüber. „Sollen wir es vielleicht langweiliger machen?“, fragt er.
Seit dem Jahr 2011 stattet der italienische Hersteller die Formel 1 exklusiv mit Reifen aus. Einen zweistelligen Millionenbetrag kosten Entwicklung und Herstellung der Pneus, 50.000 Stück liefert Pirelli pro Jahr an die Teams, die dafür jeweils 500.000 Euro zahlen müssen. Einhundert Wissenschaftler beschäftigt der Konzern in seiner Formel-1-Abteilung.
„Grip bleibt Grip“
Das Ziel war es, Erkenntnisse für die Serienfertigung zu gewinnen und gleichzeitig die Marke zu stärken. Mit Erfolg, wie Maurizio Boiocchi, der Leiter der Forschungsabteilung, versichert: „Grip bleibt Grip. Physikalisch ist es das Gleiche – bei einem Red Bull wie bei einem VW Polo.“ Zwei Wochen dauert die Analyse jedes Grand Prix, ein Jahr später sollen die Erkenntnisse von der Rennstrecke auf der Straße sein.
Doch es gibt auch lobende Worte für den Reifenlieferanten – und zwar von höchster Stelle. „Die Leute sollen nicht wissen, was passiert. Pirelli hat einen tollen Job gemacht“, sagt Bernie Ecclestone. Dem Chefvermarkter gefällt, was er sieht. In der Vorsaison wurde 57 Mal pro Rennen überholt; 2010, im Jahr vor dem Einstieg von Pirelli, nur 29 Mal; 2004 waren es gar nur 15 Überholmanöver pro Grand Prix.
Es war die Hochblüte eines Reifenkriegs zwischen Bridgestone und Michelin, der Reifenwechsel überflüssig machte und Überholmanöver erschwerte. Damals benötigte Michael Schumacher für die 307,574 Kilometer in Melbourne 1:24 Stunden und war damit satte sechs Minuten schneller als Kimi Räikkönen in der Vorwoche.
Die Reifen der beiden Australien-Sieger hatten nur eines gemein: die Farbe.
Qualifying | ||||
Ränge 1-10 (Q3): | ||||
1. | Sebastian Vettel | GER | Red Bull | 01:49,7 |
2. | Felipe Massa | BRA | Ferrari | 01:50,6 |
3. | Fernando Alonso | ESP | Ferrari | 01:50,7 |
4. | Lewis Hamilton | GBR | Mercedes | 01:51,7 |
5. | Mark Webber | AUS | Red Bull | 01:52,2 |
6. | Nico Rosberg | GER | Mercedes | 01:52,5 |
7. | Kimi Räikkönen | FIN | Lotus | 01:53,0 |
8. | Jenson Button | GBR | McLaren | 01:53,2 |
9. | Adrian Sutil | GER | Force India | 01:53,4 |
10. | Sergio Perez | MEX | McLaren | 01:54,1 |
Ränge 11-16 (out in Q2): | ||||
11. | Romain Grosjean | FRA | Lotus | 01:37,6 |
12. | Nico Hülkenberg | GER | Sauber | 01:38,1 |
13. | Daniel Ricciardo | AUS | Toro Rosso | 01:38,8 |
14. | Esteban Gutierrez | MEX | Sauber | 01:39,2 |
15. | Paul di Resta | GBR | Force India | 01:44,5 |
16. | Pastor Maldonado | VEN | Williams | keine Zeit |
Ränge 17-22 (out in Q1): | ||||
17. | Jean-Eric Vergne | FRA | Toro Rosso | 01:38,2 |
18. | Valtteri Bottas | FIN | Williams | 01:38,2 |
19. | Jules Bianchi | FRA | Marussia | 01:38,4 |
20. | Charles Pic | FRA | Caterham | 01:39,3 |
21. | Max Chilton | GBR | Marussia | 01:39,7 |
22. | Giedo van der Garde | NED | Caterham | 01:39,9 |
Trotz seines taufrischen Ferrari-Negativrekords ist Felipe Massa wieder obenauf. Als Zweiter hinter Weltmeister Sebastian Vettel war der Brasilianer in Malaysia zum bereits vierten Mal in Folge im Qualifying schneller als Teamkollege Fernando Alonso. Am Sonntag hat der 31-Jährige in Sepang die Chance, seine unangenehme Durststrecke endgültig zu beenden.
Australien vor einer Woche war Massas 68. Ferrari-Rennen in Folge ohne Sieg gewesen. Damit hatte er den "Rekord" des Franzosen Jean Alesi von 67 sieglosen Ferrari-Rennen ohne Sieg (Beginn 1991 bis Montreal 1995) ausgelöscht.
Selbst der letzte Massa-Triumph davor war tragisch gewesen. Trotz seines Sieges in Brasilien 2008 hatte er damals unter dramatischen Umständen den Titel um einen Punkt an den Briten Lewis Hamilton verspielt. Damals war noch Kimi Räikkönen Massas Ferrari-Teamkollege gewesen. Aber dann kam Alonso und der Brasilianer verfiel neben dem selbstbewussten Spanier immer mehr.
Zudem verpasste Massa auch noch eine Großteil der Saison 2009, nachdem ihn im Juli in Budapest eine weggeflogene Schraubenmutter schwer am Kopf verletzt hatte. Nach der Rückkehr konnte der einstige Beinahe-Weltmeister nicht einmal mehr seine Wasserträgerrolle ausfüllen und Alonso im Titelkampf unterstützen.
Doch der 31-jährige hat sich wieder aus dem Sumpf gezogen. Auch mithilfe eines Psychologen. "Es war ja offensichtlich, dass ich mich in den vergangenen Jahren nicht wohlgefühlt habe. Aber ich habe in die richtige Richtung gearbeitet und hoffe, ich kann nun wieder zeigen, was ich kann. Ich bin sehr glücklich und glaube wieder an mich selbst", erklärte der Fahrer aus Sao Paulo in Malaysia. Auch der "200 Mal bessere" Ferrari (Alonso) trägt zu Massas "Wiederkehr" bei. "Wenn das Auto passt, bin ich schnell", sagte er nun selbstbewusst.
Alonso ist über seinen wiedererstarkten Teamkollegen natürlich doppelt erfreut. Der Doppelweltmeister von 2005 und 2006 nahm Massa auch hinsichtlich Vergangenheit in Schutz. "Er hatte viele Probleme. Die letzten drei Jahre waren trotzdem viel enger, als es ausgesehen hat", lobte Alonso seinen Adjudanten. "Das Felipe wieder so stark ist, sind die besten News für das Team."