Sport/Motorsport

Ein Traum mit 800 Pferdestärken

Im Süden das Mittelmeer, im Norden schneebedeckte Berge und mittendrin die traditionsreiche Rennstrecke von Le Castellet in Südfrankreich. Die Sonne strahlt und mit ihr Alexander Wurz. „Jedes Mal, wenn ich so ein Langstreckenauto zum ersten Mal sehe, ist es einfach nur geil“, sagt der 39-jährige Wahl-Monegasse bei der Präsentation des neuen Toyota TS 030.

Donnerstag und Freitag werden Wurz und seine zwei Teamkollegen den Ernstfall proben und 34 Stunden im Kreis fahren – für das große Ziel: die 24 Stunden von Le Mans.

KURIER: 2012 ist es für Toyota in Le Mans nicht ganz nach Plan gelaufen? Was macht Sie zuversichtlicher für dieses Jahr?
Alexander Wurz: Unser Ziel ist ganz klar: Le Mans zu gewinnen. Das steht über der Langstrecken-WM, vergleichbar mit der Tour de France, die über der Rad-WM steht. Das hört sich vielleicht frech an, aber wenn wir uns die Form anschauen, die wir in den letzten Rennen gehabt haben, wäre jedes andere Ziel ein Runterstapeln. Natürlich ist es 2012 mit dem Motorschaden nicht nach Wunsch gelaufen, aber man muss die Geschichte dahinter sehen.

Und die wäre?
Toyota war auf der Suche nach einer Bühne für seine Hybrid-Technik und die gibt es bei der Langstrecken-WM. Geplant war allerdings, 2012 nur ein paar Tests zu fahren. Dann ist aber Peugeot ausgestiegen und wir wurden gebeten, schon früher einzusteigen. Le Mans war unser erstes Rennen. Wir sind mit einem komplett neuen Produkt das härteste Rennen der Welt gefahren, das kann man unmöglich gewinnen. Heuer habe ich das Gefühl, dass es möglich ist. Aber wir sind immer noch so jung. Unsere Rundenzeiten sind gut, aber die Erfahrung fehlt. Deshalb bleibt Audi auch heuer der Favorit.

Sie haben die 24 Stunden von Le Mans bereits 1996 und 2009 gewonnen. Wie würden Sie einen dritten Sieg feiern?
Mit 24 Stunden Party.

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Wie sehr ähnelt die Hybrid-Technik im Rennwagen jener im Serien-Auto?
Zuerst waren wir im Rennsport Nachahmer. Die Entwicklung begann mit dem Prius-Projekt. Aber wenn eine Technik in den Sport kommt, dann geht es sehr schnell. Die Technik ist noch immer vergleichbar, aber im Sport ist alles kleiner, teurer und komplizierter. In einigen Jahren wird das, was wir im Rennauto haben auf der Straße sein.

Kann man sagen, wie viel weniger Sprit Ihr Rennauto durch die Hybridtechnik verbraucht?
Die Frage ist schwer zu beantworten, weil der Hybrid nicht zum Spritsparen eingesetzt wird, sondern rein zur Leistungssteigerung. Ich verwende meinen Verbrennungsmotor zu 100 Prozent genau so wie alle anderen Rennklassen. Mit der Hybridpower habe ich dann für ein paar Sekunden nicht nur 600 sondern 800 PS. Ich kann aber sagen, dass mich das pro Runde 1,5 Sekunden schneller macht. In der Formel 1 sind das fünf Startreihen, in Le Mans heißt das Erster oder Sechster werden.

Inwieweit ist das Energierückgewinnungssystem KERS in der Formel 1 damit vergleichbar?
KERS ist ein Micky-Maus-System. In der Formel 1 haben sie zehn Prozent der Leistungskapazität pro Runde, die wir pro Beschleunigungsmanöver haben. KERS ist ein reiner Show-Effekt.

Der allerdings funktioniert.
Ja, aber er funktioniert nicht in dem Sinne, alternativen Energien eine Plattform zu geben.

Warum haben Sie sich für die Langstrecke und nicht etwa für Rallye entschieden?
Mir liegt sehr viel an diesem Sport. Als ich ein kleiner Bub war, durfte ich mich bei einer Motorsport-Ausstellung in Wien in das Auto von Walter Lechner setzen, mit dem er gerade in Le Mans gefahren ist. Das war wie ein UFO. Ich bin drinnen gesessen, dann sind die Türen zugegangen und es war Totenstille. Und ich war sofort fasziniert. Auch als ich in der Formel 1 gefahren bin, wusste ich, dass ich irgendwann wieder nach Le Mans zurückkommen werde.

Seit 2008 kommentieren sie gemeinsam mit Ernst Hausleitner die Formel 1 für den ORF. Wie schwer war es, das Erbe von Heinz Prüller anzutreten?
Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, weil das nicht mein Hauptjob ist. Der Ernst allerdings hat natürlich schon Druck gehabt, Heinz Prüller war ja eine Ikone im Motorsport. Uns war klar: Dasselbe können wir nicht besser machen, wir können es nur anders machen. Wir verstehen uns auch privat richtig gut, das merkt man vielleicht. Mir macht das ganze richtig viel Spaß.

(aus Le Castellet)

Alexander Wurz (*15. Februar 1974 in Waidhofen a. d. Thaya) bestritt zwischen 1997 und 2007 für Benetton, McLaren Mercedes und Williams 69 Formel-1-Rennen. Von 2008 bis 2011 fuhr Wurz für Peugeot im Le Mans Cup, seit 2012 nimmt er für Toyota an der World Endurance Championship teil. Der BMX-Weltmeister von 1986 war 1996 der jüngste Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, das er auch 2009 gewann.

Seit 2008 ist der dreifache Familienvater als Kommentator für den ORF tätig, außerdem arbeitet er als Berater und Verkehrssicherheitsexperte.