Ein Tag mit Hamilton und Mateschitz
Unterschiedlicher hätten die beiden größten Attraktionen des Testtages der Formel 1 auf dem Circuit de Catalunya nahe Barcelona am Mittwoch nicht auftreten können: Vor dem einen teilte sich zwar nicht das Wasser, aber immerhin die Menschenmenge, als er auf einem Solowheel durch das Fahrerlager schwebte und dabei seine Bulldoggen Roscoe und Coco an der Leine ausführte.
Lewis Hamilton, Popstar der Sportwelt und dreifacher Weltmeister, liebt und genießt solche Auftritte.
Der andere blieb so lange in einem zweckmäßigen, silbernen Van sitzen, bis er in einem mobilen Büro seines Rennstalls verschwinden konnte.
Dietrich Mateschitz, Milliardär und zweifacher Teambesitzer, hasst und meidet solche Auftritte.
Es sind Tage wie dieser, da wird die Formel 1 ihrem Ruf als lautester, schrillster und teuerster Zirkus der Welt tatsächlich noch gerecht. Ein Zirkus, der nicht jedem der Hauptdarsteller gefällt.
Das alte Bild
Während Hamilton im Mercedes seine Runden auch am Mittwoch so problemlos wie kein Zweiter drehte, wird Mateschitz nur bedingt gefallen haben, was er bei seinem traditionellen Besuch in der Vorbereitungszeit erspähte: Die Red-Bull-Boliden fahren, wie fast alle Teams, den Silberpfeilen weiter hinterher. Während Hamiltons Boss, der Wiener Toto Wolff, vom "besten Start der vergangenen Jahre" sprach (welch Drohung!), wird Mateschitz beim mittäglichen Treffen dem Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda erneut die Dringlichkeit einer Formel-1-Reform schmackhaft gemacht haben.
Die Zeit läuft
Bereits in der Vorwoche hätte über die Zukunft der Rennserie entschieden werden sollen, doch die elf Teamchefs konnten sich nicht einigen und erbaten sich bis 30. April Bedenkzeit. Doch gerade Zeit hat Formel 1 nicht. Mit jedem Monat der Ungewissheit, mit jedem Rennwochenende der silbernen Dominanz schwindet das Interesse.
Damit lässt sich zwar immer noch ein gewisses, zahlungskräftiges Kernpublikum begeistern (wie der Medien- und Fanzuspruch bei den Tests belegen), doch von Wachstum ist bei der weltgrößten Motorsport-Serie keine Rede mehr.
Die Einnahmen aus Fernsehrechten, für Geschäftsführer Bernie Ecclestone die härteste Währung, stagnieren (auf hohem Niveau), gleichzeitig vermelden europäische Fußball-Ligen oder die amerikanische National Football League in regelmäßigen Abständen Rekordzahlen bei ihren TV-Deals.
Das Problem sei die Technik, argumentieren viele. Die Boliden sind Wunderwerke der Ingenieurskunst, aber eben auch hochkomplex und undurchschaubar. Aus einem Motor, der gemessen am Volumen (1,6 Liter) auch in Familienkutschen zu finden ist, werden mehr als 700 PS gequetscht. Bald sollen es an die 1000 PS sein. So wird das größte Problem der Formel 1 deutlich: Die Rennserie muss aus (Fan)-Tradition die Gegenwart bewahren und gleichzeitig eine Zukunft vorbereiten, in der die Rolle des Automobils in der Gesellschaft völlig unklar ist.
Einzig im Hier und Jetzt lebt Lewis Hamilton. Schwindendes Interesse kennt er nicht. Sogar seine Bulldoggen sind bei dem Fotodienst Instagram im Internet aktiv. 83.000 Fans haben die Viecherln – und damit um 16.000 mehr als etwa Marko Arnautovic.