Mateschitz: Der Milliardär und sein Spielzeug
Von Florian Plavec
Barack Obama hat keine Ahnung, ob es 2014 einen Grand Prix vor den Toren von New York geben wird. Es ist unklar, ob die Saison in Melbourne oder Bahrain eröffnet wird. Fraglich ist auch, ob in Indien und Südkorea gefahren wird und wann die Klassiker von Silverstone oder auf dem Hockenheimring stattfinden werden.
Fix ist nur eines: Der 6. Juli 2014 ist im Rennkalender bereits vergeben – für den Großen Preis von Österreich.
Der 69-jährige Dietrich Mateschitz hat sich mit dem Comeback des Grand Prix in seiner steirischen Heimat ein Denkmal gesetzt. Just auf dem Österreich-Ring, wo er in den 1980er-Jahren mit Gerhard Berger den ersten Red-Bull-Sportler unter Vertrag genommen hatte.
Gute Chemie
Klar ist, dass es ohne Red Bull nie zu dem Überraschungscoup gekommen wäre. Das Verhältnis zwischen den Milliardären Bernie Ecclestone (2,9 Mrd. Euro laut Forbes-Liste) und Dietrich Mateschitz (5,3 Mrd.) war immer blendend. Mateschitz hat sich stets loyal zum eigensinnigen, 82-jährigen Formel-1-Zampano verhalten. Dieser wiederum weiß genau, welch gewichtige Rolle mittlerweile Red Bull in der Formel 1 spielt. „Red Bull ist sehr gut für den Sport, sehr gut für die Formel 1“, sagte Ecclestone der Kleinen Zeitung. „Bei Red Bull ist alles so professionell, qualitativ derartig hochwertig – ich denke, Red Bull wird einen sehr guten Grand Prix organisieren.“
Auch der Brite bestätigt, dass es ohne Mateschitz nie ein Rennen in Österreich geben könnte und freut sich, „dass das Rennen ganz ohne Geld der Regierung zustande gekommen ist.“ Zahlen verrät Red Bull wie gewohnt keine, allein das Antrittsgeld soll Mateschitz rund 20 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Rasanter Aufstieg
Von der Konkurrenz liebevoll-spöttisch als „Brausehersteller“ verhöhnt, entwickelte sich Red Bull in den vergangenen Jahrzehnten zum größten Player im Motorsport. Von 1995 bis 2000 prangte das Logo auf den Formel-1-Boliden des Schweizer Sauber-Teams. 2004 kaufte Red Bull den maroden Jaguar-Renstall; der Österreicher Christian Klien und der Schotte David Coulthard saßen 2005 im Cockpit des RB1, des ersten echten Red-Bull-Rennwagens.
Mit Teamchef Christian Horner, Stardesigner Adrian Newey und Jungstar Sebastian Vettel stieg Red Bull zur Nummer eins auf.
Doch damit nicht genug. Mateschitz besitzt ein zweites Formel-1-Team: Mit Toro Rosso holte Vettel 2008 den ersten Formel-1-Sieg für das Red-Bull-Imperium. Das italienische Team hat ganz klar ein Ziel: Siegfahrer für Red Bull Racing aufzubauen. Gut möglich, dass Toro-Rosso-Mann Daniel Ricciardo (Aus) 2014 in das Einser-Team aufrückt und der finnische Starpilot Kimi Räikkönen durch die Finger schaut. Es wäre abermals ein Zeichen dafür, dass Red Bull keine Stars kauft, sondern Stars macht.
„Die Formel 1 ist aber nur ein Teil unseres Engagements im Motorsport“, sagt Motorsportchef Helmut Marko (siehe Interview unten). In der Motorrad-WM fährt Marc Márquez (20) in seiner ersten MotoGP-Saison der Konkurrenz um die Ohren. Vergangene Woche gewann er den Grand Prix in Laguna Seca . Als Titelsponsor des US-Rennens tritt – wie auch in Indianapolis – Red Bull auf. Der „Red Bull Rookies Cup“ ist längst zur wichtigsten Ausbildungsplattform für junge Motorradfahrer geworden.
Gigantisches Potenzial
Wo Red Bull draufsteht, ist Erfolg drinnen. Das erkannte auch der Welt-Automobilverband, als er im Vorjahr die Vermarktungsrechte seiner schwächelnden Rallye-WM dem österreichischen Konzern überließ.
Bei der Rallye Dakar fährt Red Bull im Team mit Motorradbauer KTM seit Jahren auf der Überholspur, ebenso in Australien in der V8-Supercar-Serie, in der DTM und natürlich bei Extremsport-Events wie dem Erzberg-Rodeo oder den fliegenden Motocrossern der X-Fighter. „Das ist längst kein Nischenprogramm mehr“, sagt Marko. „Die X-Fighter treten weltweit auf und haben bis zu 50.000 Zuschauer.“ In Spielberg im kommenden Jahr soll’s dann 100.000 sein.
Die Euphorie vor dem Grand Prix von Österreich im nächsten Jahr ist gewaltig. Einer kann die Vorfreude nicht teilen: Willy Matzke, ehemaliger Aufsichtsrat in der Asfinag Gesellschaft Süd. „Eine weltweite Riesenveranstaltung und dazu eine Infrastruktur, die vielfach noch aus den 50er-Jahren stammt. Jahrelang wurde falsch geplant und nun wird es deshalb einen Haufen riesige Baustellen geben, die teilweise erst fertig werden, wenn der Vertrag mit der Formel 1 im Jahr 2020 wieder ausläuft“, sagt er.
Derzeit seien manche der Zufahrtsstraßen nicht fertig und es gebe bei der Anfahrt zur Rennstrecke einspurige Nadelöhre. „Dazu kommt, der Gleinalmtunnel, eine der gefährlichsten Röhren Mitteleuropas“, warnt Matzke. Der Tunnel wird erst 2019 vollständig eröffnet.
Knackpunkt Zuschauer
Die große Frage für die Zukunft der Formel 1 in Österreich bleibt auch, wieviele Zuschauer Red Bull gerne nach Spielberg lotsen möchte. Konkrete Zahlen liegen den Behörden noch nicht vor. Die Zuschauer sind aber der große Knackpunkt, der entscheidend dafür ist, ob die Rennserie nach Spielberg zurückkehrt. Bis zu 40.000 Besucher pro Renntag sind laut derzeitigem UVP-Bescheid zugelassen. Ob der auch eine Erhöhung des Kontingents decken würde, muss die BH Murtal überprüfen. „Noch liegt uns aber kein Betriebskonzept vor. Am Montag soll ich erste Informationen bekommen“, sagt Referatsleiter Harald Schnedl. Mehr Zuschauer bedeuten mehr Lärm und mehr Emissionen durch an- und abfahrende Autos.
Streitpunkt Lärm
Und dann ist da natürlich auch noch die Geräuschkulisse. Darüber, wieviel Dezibel-Spielraum der derzeitige Bescheid lässt, wollte Schnedl keine Aussage treffen. Wird der Rahmen der aktuellen Umweltauflagen gesprengt, ist ein Änderungsverfahren notwendig. „Ich bin überzeugt, dass das rechtzeitig fertig werden kann“, sagt Udo Stocker von der Umweltabteilung des Landes Steiermark . Die Beamten vertrauen darüber hinaus auf die Professionalität des Konzerns. „Ich glaube, dass Red Bull Anträge stellen wird, die von den Behörden bewältigt werden können“, sagt Schnedl.
Als Motorsportdirektor von Red Bull ist Helmut Marko, 70, nicht nur verantwortlich für den Auftritt in der Formel 1 und das konzerneigene Nachwuchsteam. Der Grazer trug auch seinen Teil bei zum Aufstieg von Red Bull zur Motorsport-Großmacht. 1971 fuhr er auf dem Österreich-Ring sein erstes von neun Rennen in der Formel 1.
KURIER: Erinnern Sie sich an Ihr Debüt auf dem Österreich-Ring?
Helmut Marko: Das war gar nicht so schlecht. Dann habe ich aber ein Problem am Auto gehabt und bin zurückgefallen (auf Rang elf, Anmerkung).
Inwiefern waren Sie in die Verhandlungen um das Formel-1-Comeback involviert?
Überhaupt nicht. Ecclestone und Mateschitz haben sich das ausgemacht.
Ist Mateschitz da so firm, dass er Sie gar nicht braucht?
Ja.
Ist dieses Heimrennen 2014 der Höhepunkt in der Motorsport-Geschichte von Red Bull?
Das muss man anders sehen. Wenn Red Bull in Monte Carlo gewinnt, hat das marketingmäßig einen höheren Wert. Aber das Rennen ist der Höhepunkt für Mateschitz, der ja über dem Berg drüben in Sankt Marein aufgewachsen ist. Das ist reines Mäzenatentum. Er gibt seiner Heimat etwas vom Erfolg zurück.
Mateschitz wird den Grand Prix nicht selbstlos finanzieren. Das wird doch ein Geschäft sein?
Nein. Das ist Idealismus. Diese Hotels in dieser Qualität, die er dort errichtet hat – die sind über das Jahr gesehen nicht gewinnbringend zu führen.
Das gesamte Antrittsgeld zahlt Red Bull?
Es ist ein Vertrag zwischen Ecclestone und Red Bull. Da ist keinerlei Steuergeld dabei. Im Gegenteil: Es gibt Zahlen, wie viele Millionen an Steuern dieses Event einspielen wird. Das sind zwischen 30 und 50 Millionen.
Warum passt der Motorsport so gut zum Image von Red Bull?
Es geht nicht nur um Motorsport. Wir engagieren uns ja hauptsächlich im Extremsport. Beim Motorsport ist halt eine Affinität da. Und wenn Erfolg da ist, ist es vermutlich die perfekte Bühne.
Was sind die nächsten Ziele von Red Bull im Motorsport? Man hat ein Weltmeister-Team, ein zweites Team, ab 2014 einen Heim-Grand-Prix ...
Wir wollen so viele Rennen wie möglich gewinnen. Wie sich das Marketing entwickeln wird, weiß ich nicht. Da muss man schauen, was attraktiv ist.
Welche Bedeutung hat das Rennen für Österreich?
Es wird das größte Sportereignis in Österreich sein. Und es gibt den jungen Leuten in der Region wieder Perspektiven. Dort, wo seinerzeit die verstaatlichte Industrie dominiert hat, die dann zusammengebrochen ist.
Was muss noch geschehen?
Die Strecke ist rennfertig. Es sind nur Adaptionen notwendig. Das Pressezentrum ist noch zu klein. Wie man das löst, entscheiden die Verantwortlichen vom Red-Bull-Ring. Natürlich brauchen wir noch eine Tribüne, die ja schon bewilligt war. Der Hügel kommt weg – da kommt eine attraktive überdachte Haupttribüne hin.
Den All-Time-Hit „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an ...“ könnte Udo Jürgens für Dietrich Mateschitz komponiert haben. Nicht, dass das Leben den Red-Bull-Boss bis jetzt nicht genügend verwöhnt hätte. Doch in den letzten drei Jahren hat der 69-jährige Selfmade-Milliardärs alle seine Träume realisiert. 2010 krönte er Sebastian Vettel zum jüngsten Formel-1-Weltmeister, im Vorjahr sprang Felix Baumgartner als lebende Red-Bull-Dose aus der Stratosphäre und nun setzt sich Mateschitz im Murtal schon zu Lebzeiten ein Denkmal.
Am 6. Juli 2014 – wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag – kehrt der Formel-1-Zirkus nach 11 Jahren Pause zurück nach Spielberg. Bei sämtlichen Traumprojekten verfolgt Mateschitz ein Credo: Nichts wird auf Kredit finanziert, alles wird aus dem Cashflow von Red Bull gezahlt.
Finanzierung aus Cashflow
Kredite hat Mateschitz auch nicht nötig. Der Wirtschaftssender Bloomberg schätzt das Vermögen des gebürtigen Steirers (St. Marein bei Kapfenberg) auf stolze 7,7 Milliarden Dollar. Damit rangiert Mateschitz auf Platz 152 im aktuellen Milliardärs-Ranking. Der Aufstieg in die Welt der Milliardäre begann bei Mateschitz erst spät. Der Red Bull-Boss war ursprünglich bestverdienender Marketing-Manager bei der Zahnpasta Blendax, als er bei einer Fernostreise die thailändische Familie Yoovidhya kennenlernte, die den den Aufputschdrink „Krating Deang“ (auf Englisch: Red Bull) produzierte.
Mateschitz hatte einen goldenen Riecher. Er kündigte seinen Job bei Blendax und startete 1987 (damals war er 43) von einem kleinen Büro in Fuschl aus mit der Vermarktung des Drinks in Österreich. 49 Prozent besitzt Mateschitz an Red Bull. Die restlichen 51 Prozent gehören der thailändischen Familie. 1994 führt er Red Bull in Deutschland ein und ab 1999 darf der Energy-Drink weltweit auf keiner Party fehlen. 2012 verkaufte das Salzburger Unternehmen weltweit 5,226 Milliarden Dosen, um 12,8 Prozent mehr als 2011. Der Umsatz stieg auf 4,93 Milliarden Euro. Allein eine Milliarde gibt Red Bull pro Jahr für globales Marketing aus.
Geheimnisvolles Privatleben
Mateschitz gilt als Marketing-Genie, doch die private Welt des Ober-Bullen ist mehr als geheimnisvoll. Er gibt kaum Interviews. Private Fragen beantwortet er nicht. Sein Lebensstil ist voller Widersprüche: Im Auftreten (er trägt stets Drei-Tage-Bart, Jeans und aufgeknöpftes Hemd) wirkt Mateschitz bescheiden.
Aber seine Hobby sind mehr als exklusiv. So besitzt er die traumhafte Südseeinsel Laucala. Hier kann man für stolze 15.000 Euro pro Tag eine Villa vom Feinsten mieten. Er selbst wohnt in einer 900-Quadratmeter-Villa auf teurem Pflaster im Nonntal und besitzt ein Landgut in Maria Alm. Seine große Leidenschaft sind Flugzeuge, die er teilweise im Hangar-7 in Salzburg ausstellt.
Am Red Carpet sieht man Mateschitz nie. „Wenn ich mal ausgehe, ist es nur, um mich zu überzeugen, dass ich tatsächlich nichts verpasse“, sagte Mateschitz gegenüber der Bloomberg Businessweek. Stets an seiner Seite ist bei den seltenen Auftritten in der Öffentlichkeit seine attraktive Langzeitfreundin Marion Feichtner.
Erben hingegen soll das Imperium des Ober-Bullen sein einziger Sohn Mark Gerhardter (20). Der Mister Energy junior entstammt aus der zweijährigen Beziehung zwischen Mateschitz und der Ex-Skilehrerin Anita. Sie ist nun Leiterin der Mateschitz-Stiftung „Wings for Life“ zur Heilung von Querschnittslähmung. Geheiratet haben die beiden nie. „Ich war zu unreif, um zu heiraten“, so Mateschitz.
Der neue Mr. Red Bull
In eine Eliteschule schickte Mateschitz seinen Thronfolger nicht. Die Matura absolvierte Sohn Mark im Werkschulheim Felbertal, wo er als Gesellenstück eine Motorradhebebühne herstellte. Mitschüler beschreiben ihn als aufgeweckt, interessiert und sportlich. Seit er 2011 die Matura absolvierte, bereitet der Vater seinen Sprössling auf die Leitung des Milliardenimperiums vor. Neben dem Betriebswirtschaftsstudium, tourt der Kronprinz rund um den Globus, um alle Dependancen der Red-Bull-Welt kennenzulernen.
Der nächste Schritt auf dem Weg zum Nachfolger: Vier Monate nach Marks 18. Geburtstag übertrug Mateschitz seinem Sohn die Hälfte der Salzburger Dietrich Mateschitz Verwaltungs OG. Die Gesellschaft hält mit vier weiteren Firmen das private Vermögen des Milliardärs. Gemeinsam verwalten Vater und Sohn die Auhof Residenz am Wolfgangsee. Das zwei Hektar große Anwesen mit Seezugang soll 12 Millionen Euro wert sein.