Eine junge Sportart sucht nach Fans
Von Stefan Sigwarth
Manche fragen sich noch immer, was da drei Mal pro Woche an der Alten Donau in Wien-Kagran passiert: Menschen tragen Kajaks zum Wasser, setzen sich hinein und paddeln drauflos, fünf gegen fünf geht es dann auf einem Spielfeld zwischen zwei Toren um einen Ball – und teilweise geht es auch ziemlich drunter und drüber. Bootsrümpfe schlagen gegeneinander, fahren zuweilen übereinander, und immer wieder hilft nur eine Eskimorolle zurück an die Wasseroberfläche.
Kanupolo nennt sich der Sport, der irgendwo zwischen Handball und Rugby angesiedelt ist. Er kommt, wie vieles, das dem gemeinen Kontinentaleuropäer fremd erscheint, von den Britischen Inseln und ist bei genauerer Betrachtung nicht nur kraftraubend, sondern obendrein sehr interessant zum Zuschauen. Das merken auch die Mitglieder des Wiener Kanupolo-Teams: Stets trainieren sie vor Publikum, das sich am Ufer an der Kagraner Brücke niederlässt.
Zwei Mal zehn Minuten wird fünf gegen fünf gespielt (begonnen hat alles mit elf gegen elf); das Spielfeld ist 23 mal 35 Meter groß (früher war es ein Großfeld); es gewinnt, wer mehr Tore erzielt hat. Und es ist vieles erlaubt, das das Publikum erfreut: Gegner umwerfen etwa, und weil das meist mit dem Kopf unter Wasser endet, ist das Eskimotieren unabdingbar. Oder mit dem eigenen Boot den direkten Kontakt zum Gegner herstellen. Bei allen Aktionen aber ist eines zu beachten: Hand geht vor Paddel, ansonsten wird vom – an Land stehenden – Schiedsrichter auf Foul entschieden.
Nicht ganz dicht
Wichtig sind auch Schwamm und Tuch, denn ganz dicht sind die Boote nicht, was nicht zuletzt eine Folge der Zusammenstöße ist – nach einer Partie wird erst einmal das Wasser aus dem Kajak geschafft. Und kein Fehler ist es, wenn (Wildwasser-)Erfahrung mit im Spiel ist. Felix Kutscha-Lissberg, 22, hat mit 15 Jahren spaßeshalber mit dem Slalom begonnen, schaffte es gar bis ins Junioren-Nationalteam, "aber international eben nur ins Mittelfeld, und deswegen habe ich nach der Bundesheerzeit mit diesem Sport aufgehört. Ich hab’ halt zu spät angefangen, man sollte schon im Kindesalter beginnen."
Im Training aber sticht die Geschwindigkeit des Studenten an der Wiener Universität für Bodenkultur hervor, der Richtung Ball übers und durchs Wasser pflügt – und der auch als Gastspieler anderer Teams aktiv ist.
Das Vienna Kanupolo Team ist eines von vieren in Österreich, weitere Standorte sind Innsbruck, Ybbs und Salzburg. In Wien trainieren Frauen und Männer gemeinsam, es gibt auch Turniere für Mixed-Teams, wie Jens Eipper erklärt. Auch der Deutsche ist Student, im Moment aber mehr als Schiedsrichter im Einsatz, das rechte Knie ist lädiert.
"Eigentlich ist unser Sport Handball auf Wasser", sagt Eipper, "es wird gemeinsam attackiert und gemeinsam verteidigt. Und jeder darf ins Tor gehen." Auf dem Wasser wird derweil gefoult, Eipper pfeift, Freiwurf wegen Verstoßes gegen die Regel Hand vor Paddel. "Es gibt auch Ecken und Grüne, Gelbe und Rote Karten", inzwischen wird weitergespielt – denn das große Ziel ist das Heimturnier der Wiener: Am 15. und 16. August auf dem Gelände an der Kagraner Brücke. Dann werden manche Passanten wieder rätseln. Doch es werden weniger sein.