Sport

Johannes Dürr war im Fokus der Dopingjäger

Am Sonntag vor einer Woche schockte eine Meldung Sport-Österreich. Johannes Dürr, Österreichs hoffnungsvollster Langläufer, wurde bei den Olympischen Spielen in Sotschi des Dopings mit EPO überführt. Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Tränen. Wie konnte das passieren? Was war passiert? Was wird noch folgen? Der KURIER sprach mit David Müller, dem Leiter von Information und Prävention von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und beantwortet die wichtigsten Fragen zum Dopingfall Dürr.

Wie oft wurde Johannes Dürr im vergangenen Jahr getestet?

Der Sportler selbst spricht von 14 Mal. Diese Zahl ist realistisch.

Wer hat ihn während seines Aufenthalts in Österreich getestet?

Das IOC hat Experten geschickt, doch auch die NADA war in den Fall involviert.

War Dürr verdächtig?

Ja. Die "nicht nachvollziehbare" Leistungssteigerung ist auch der NADA aufgefallen. Deshalb gab es eine erhöhte Kontrollfrequenz. Möglicherweise hat auch Dürrs Blutpass auffällige Werte aufgewiesen.

Welche Athleten haben einen Blutpass?

In Österreich haben ungefähr hundert Athleten (vor allem Ausdauersportler) einen Blutpass. Um die Blutwerte beurteilen zu können, müssen mindestens sechs bis acht Kontrollen pro Jahr vorgenommen werden.

Was bringt der Blutpass?

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Falls im Laufe von Monaten oder Jahren außergewöhnliche Werte auffallen, kann zielgerichteter kontrolliert werden. Oder es kann bereits ein Wert aus dem Blutpass zu einer Verurteilung führen. Dies ist international bereits etwa 30 Mal geschehen.

Johannes Dürr hat gemeint, er hätte weiter dopen müssen, damit die Werte in seinem Blutpass stimmen. Was bedeutet das?

Um gleichmäßige Werte im Blutpass zu haben, dürfte sich Dürr weiterhin EPO gespritzt haben. So gesehen hat den Langläufer möglicherweise die Angst vor auffälligen Werten im Blutpass in einen Fehler getrieben.

Kann EPO in Mikrodosen überhaupt nachgewiesen werden?

Ja. Wie schnell das Dopingmittel abgebaut wird, hängt vom Menschen, von der Substanz und von der Dosierung ab. Teilweise sind Mikrodosen nach wenigen Minuten nicht mehr nachweisbar, teilweise werden Spuren davon noch nach einem Tag gefunden.

Ist Blutdoping nachweisbar?

Fremdblutdoping kann leicht nachgewiesen werden, Eigenblutdoping allerdings sehr schwer. Im Blut aufscheinende Spuren des oft als Stabilisator verwendeten Ethylenglycol können Hinweise auf Eigenblutdoping liefern, ebenso der Blutpass. Bei Eigenblutdoping steht aber meistens (wie im Humanplasma-Skandal) ein Unternehmen dahinter, zumindest aber ein fachkundiger Arzt.

Welche Strafe droht Dürr?

Die Standard-Sperre beträgt zwei Jahre. Ab 2015 tritt der neue Anti-Doping-Code in Kraft, dann beträgt die Standard-Sperre vier Jahre. Wenn Dürr kooperiert, kann seine Sperre auf bis zu sechs Monate reduziert werden. Auf der anderen Seite gab es auch schon lebenslange Sperren für Erstvergehen – siehe Lance Armstrong.

Sportler müssen der NADA ihren Aufenthaltsort angeben und eine Stunde pro Tag, an der sie angetroffen werden können. Darf nur in dieser einen Stunde kontrolliert werden?

Nein. Ein Sportler kann Dopingmittel so dosieren, dass er in genau dieser Stunde nicht positiv getestet wird. Deshalb sind Dopingtests jederzeit möglich. Je unangekündigter eine Kontrolle ist, desto sinnvoller. Auch Johannes Dürr hat angegeben, von den Kontrolloren überrascht worden zu sein.

Wer bestimmt, wer wann getestet wird?

Im Regelfall die NADA, teilweise in Zusammenarbeit mit den internationalen Verbänden. Die 180 Athleten aus High-Risk-Sportarten werden dabei deutlich häufiger getestet, als Sportler aus dem "Allgemeinen Testpool".

In welchen Sportarten wird am meisten kontrolliert?

Vor allem in Kraft- und Ausdauersportarten und zwar in dieser Reihenfolge: Radsport, Ski nordisch, Ski alpin, Leichtathletik, Triathlon. In den Top-Ten ist auch Fußball – allerdings nicht wegen des Dopingrisikos sondern wegen der "nationalen Bedeutung" der Sportart.

Wie viele Tests führt die NADA im Jahr durch?

Zirka 2300 (davon etwa 85 Prozent Urin- und 15 Prozent Blutkontrollen). Im Jahr 2012 waren nur 12 Proben positiv, einige davon mit "medizinischer Ausnahmegenehmigung". Das heißt: Ein Arzt hatte dem Sportler legal ein Medikament verschrieben, das auf der Dopingliste steht, der Sportler hatte dafür eine Ausnahmegenehmigung. Was blieb, waren vier Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen.

In Sotschi wurden 2667 Dopingproben genommen. "Nur" sechs davon waren positiv. Was bedeutet das?

Nichts. Wenn ein Doper bei einem Wettkampf positiv getestet wird, hat er einen Fehler gemacht. Deshalb sind "Out-of-competition"-Kontrollen deutlich effizienter.

Russische Athleten haben Xenon-Gas inhaliert, um mehr rote Blutkörperchen zu bilden. Ist das Doping?

Auf der Verbotsliste steht Xenon-Gas nicht. Allerdings sind Mittel verboten, die ähnliche Wirkungen auslösen, wie Dopingmittel. Ob dies zutrifft, werden Experten der WADA erst entscheiden.

Prominente heimische Dopingsünder

Sportrechtlich wird Johannes Dürr mit Sicherheit gesperrt. Doch welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen ihm? Zu bestrafen (bis zu sechs Monaten) ist Dürr nur dann, wenn er ein bestimmte Menge besessen hat, die über den Grenzwert hinausgehen beziehungsweise weitergegeben hat. "Viel härtere Strafen drohen, wenn mit Dopingmitteln gewerbsmäßig gehandelt wird", sagt der renommierte Anwalt Peter Vogl.

Wer kann Dürr klagen? "Die strafrechtliche Relevanz betrifft vorrangig den Betrug an Sponsoren", sagt Vogl. "Wenn der Sponsor beweisen kann, dass der Sportler eine Erklärung abgegeben hat, dopingfrei zu bleiben", erklärt der Anwalt. "Wenn es sich um Beträge ab 50.000 Euro handelt, liegt schwerer Betrug vor, der mit bis zu zehn Jahren geahndet werden kann."

In Österreich gab es einen derartigen Fall noch nicht, in Deutschland schon. Dort wurde Radprofi Schumacher vom Sponsor geklagt und dann freigesprochen. Das Team Gerolsteiner konnte nicht beweisen vom Doping nichts gewusst zu haben.

Und wenn Konkurrenten klagen? "Das hätte kaum Erfolgsaussichten", sagt Vogl. "Man kann schwer nachweisen, dass Dürr ohne Doping langsamer gewesen wäre."

Ja, ich spiele Minigolf, was offiziell in Österreich Bahnengolf heißt. Und, ja, es gibt ein Ligensystem sowie Großbewerbe (EM, WM, Europacup). Doch darum geht es jetzt nicht. Es geht um Doping beziehungsweise um den Kampf dagegen. Ein Kampf um sauberen, ehrlichen Sport; ein Kampf, der unverzichtbar ist; ein Kampf, der nicht zu gewinnen scheint und daher mitunter seltsame Formen annimmt.

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Für die besten Bahnengolfer der Welt gelten im Großen und Ganzen die gleichen Anti-Doping-Bestimmungen wie etwa für Marcel Hirscher oder Usain Bolt. Darunter fallen pro Quartal die Angabe des Übernachtungsorts, der Wettkämpfe, Trainings sowie anderer regelmäßiger Tätigkeiten (Arbeit, Uni). Ende März sollte ich wissen, was ich am 12. Juni gedenke zu tun. Während sich bei Usain Bolt vermutlich ein Stab an Mitarbeitern darum kümmert, stellt die Meldepflicht viele Amateure, die arbeiten (im ungünstigsten Fall im Außendienst) oder studieren, vor gröbere Probleme.

Für viele kleine Sportverbände stellen die Mittel der Bundes-Sportorganisation die einzig ernst zu nehmende Einnahmequelle dar. Eine Gegenleistung ist das Zustimmen zum Anti-Doping-Code.

PS: Ich bin ab Montag auf Urlaub. Dem KURIER-Leser ist das egal, der Anti-Doping-Agentur nicht. Sie weiß es längst.