Sport

Hoffen auf spätberufene Hochspringerinnen

Trendsportarten à la Beachvolleyball stehlen dem Elementarsport immer öfters die Show. Jedoch: Die konservative Leichtathletik hat entgegen aller Vorurteile einiges zu bieten. Auch auf nationaler Ebene. Die führenden Damen der aktuellen österreichischen Hoch-Sprungliste sind ein optischer Beweis dafür.

Sowohl Ekaterina Kunzewitsch als auch Monika Gollner machten auch als Models gute Figur. Beide werden von Altmeister Roland Gusenbauer, 69, trainiert. Beide übersprangen schon 1,90 Meter. Bei beiden besteht in Anbetracht ihres heurigen gemeinsamen Platz 1 mit 1,86 noch "Luft nach oben", obwohl das im Falle von Gollner seltsam klingt, zumal die Kärntnerin im Herbst 40 wird. Zu einem Platz um die Top 40 der Weltrangliste reicht es für sie und die zehn Jahre jüngere Kunzewitsch immer noch. Ungewöhnliches lässt sich über beide erzählen.

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Monika Gollner war im letzten Jahrtausend als Junioren-Vizeweltmeisterin gefeiert worden. Danach folgten schlimme Jahre: Sie litt an Bulimie. Der Leichtathletik blieb sie vorübergehend nur als Sekretärin des Verbandes erhalten. Via Hochsprung fand sie dann auch aus dem körperlichen Tief. Und so lässt Gollner auf dem Sportplatz wieder junge Konkurrentinnen alt aussehen. Kunzewitsch ausgenommen.

Gollner verfüge nach wie vor über den schnellsten Absprung, behauptet Roland Gusenbauer. "Und die Kati ist die weltweit Beste über der Latte." Dank ihrer Vergangenheit als Rhythmische Gymnastin könne sich Kunzewitsch dermaßen artistisch über die Latte biegen, "dass sie mit den Haaren die Fersen streift".

Bis zu zehn Stunden hatte die mittlerweile in Laxenburg lebende Kunzewitsch, die lieber Kati als Ekaterina genannt werden will, in Jekaterinburg trainiert müssen.

Ausgemustert

Die Quälerei blieb unbelohnt. Kunzewitsch wurde ausgemustert, als sie zu schnell wuchs und man sie mit 1,76 Metern als zu groß für die Rhythmische Gymnastik befand.

In ihrem polnisch-ukrainisch-russischen Stammbaum scheint mit Erzbischof Josaphat Kunzewitsch auch ein heilig gesprochener Märtyrer auf. Kati war nach ihrem unfreiwilligen Abschied von der Gymnastik keine Heilige: Sie handelte sich den Ruf eines Partygirls ein, bevor ihr als Quereinsteigerin ein sprunghafter Aufstieg in der Leichtathletik gelang. Die Spätberufene schraubte sich nach einem Trainingsjahr bereits in 1,94 Metern Höhe über die Latte, ohne dass die herunterfiel. Danach soll sie vom Nationaltrainer zu Doping gezwungen worden sein. Als sie sich weigerte, habe man über sie eine Auslandssperre verhängt. Die wurde aufgehoben, als die Machenschaften des Doping-Trainers aufflogen. Der Mann erhielt lebenslängliches Sportverbot. Mittlerweile darf Kati für den Klub Volksbank und damit bei den Staatsmeisterschaften starten. Und mittlerweile befindet sie sich "im Bereich der Einbürgerung", weiß Roland Gusenbauer, überzeugt, "dass Kati in Rio bei Olympia 2016 ins Finale kommen kann".

Wenn es wirklich stimmt, dass Stabhochspringerinnen mit 27 erst in ihr bestes Athletenalter kommen, dann ist Kira Grünberg zu Höherem berufen. Die junge Tirolerin ist nämlich ihrer Zeit ordentlich voraus: Mit ihren 20 Jahren schaffte Grünberg nicht nur den Sprung ins EM-Starterfeld von Zürich (12. – 17.8.), die aufstrebende HSZ-Athletin ist seit dem Wochenende auch Inhaberin des österreichischen Rekordes. Mit 4,41 Metern verbesserte Grünberg die 14 Jahre alte Freiluftbestmarke von Doris Auer um einen Zentimeter. Diese Höhe hätte zuletzt beim Diamond-League-Meeting in Monte Carlo sogar für den siebenten Platz gereicht. "Rekord und EM-Teilnahme: Damit habe ich schon zwei Saisonziele erreicht", sagt die Senkrechtstarterin, die mit einer persönlichen Bestleistung von 4,22 Meter in die Saison gestartet war.

Für Kira Grünberg kommt die aktuelle Leistungsexplosion freilich nicht unerwartet. Das private Technik-Training mit dem Schweizer Chefcoach Herbert Czingon macht sich bezahlt. Die Vierte der U-20-WM setzt sich jedenfalls keine Grenzen. Es ist noch viel Luft nach oben. Zumindest aber bis 4,70 Meter – die Marke, die einst ihr Vater mit dem Stabhochsprung gemeistert hatte. "Den werd’ ich mir noch schnappen", versichert Grünberg.

Bei der bis zum kommenden Sonntag stattfindenden U-20-Weltmeisterschaft in Eugene (USA) ist der ÖLV mit zehn Teilnehmern vertreten. Als chancenreichster Junior gilt der Linzer 800-Meter-Läufer Nikolaus Franzmair. Die österreichischen Staatsmeisterschaften in der allgemeinen Klasse werden vom 2. bis 4. August in Amstetten ausgetragen.

Die Europameisterschaften finden vom 12. bis 17. August im Zürcher Letzigrund-Stadion statt.