Heinz Fischer: "Der Weg ist beeindruckend"
Bundespräsident Heinz Fischer machte es sich im Trinity House, einen Steinwurf vom London Tower, in einem Union-Jack-Sessel gemütlich. Nach der Eröffnung des Österreich-Haus nahm er sich für den KURIER Zeit, um über Österreichs Sportsystem und die Paralympics zu plaudern.
KURIER: Die paralympische Bewegung wird zwar mehr denn je unterstützt, dennoch ist der Nachholbedarf groß. Wie sehen Sie das?
Heinz Fischer: Die Paralympics hat es in meiner Jugendzeit noch nicht gegeben, das ist eine Entwicklung der letzten 40, 50 Jahre. Der Weg von null bis heute ist für mich daher schon beeindruckend.
Nach der olympischen Nullnummer von London vor drei Wochen ist eine Diskussion über das Sportsystem entstanden. Ist es nicht bezeichnend, dass es diesen Anlass bedurfte? Denn in den vergangenen Jahren war die Lage nicht anders.
Dass rascher etwas passiert, wenn etwas geschehen ist, das ist eine Binsenweisheit. Ich wehre mich gegen den Begriff Nullnummer. Wir haben zwar keine Medaille gewonnen, dennoch haben die Sportler das Beste gegeben. Freilich sind wir hinter unseren Erwartungen geblieben. Aber wir sind doch ein Land, das die Erwartungen schnell sehr hoch anlegt und dann umso schneller in die Enttäuschung verfällt.
Ist das Ausmaß der Diskussion gerechtfertigt, oder halten Sie es für übertrieben?
Es schadet jedenfalls nicht. Die Fragen des Sports intensiv zu diskutieren, ist ja gut. Wem schadet das?
Es wurde viel diskutiert in den letzten Wochen. Wie kann man etwas zum Positiven ändern?
Ich werde mich nicht als Obersport-Experte betätigen, obwohl ich in meinen Leben viel Sport betrieben habe. Das müssen die zuständigen Verbände und der Sportminister, die Finanzministerin und die Unterrichtsministerin besprechen; und ein Resümee ziehen, von dem man erwarten darf, dass es die Situation sowohl des Breitensports als auch des Spitzensports nach vorne bringt.
Zum Thema Schulsport und tägliche Turnstunde in Österreich: Der Schulsport gilt ja als Basis für den Spitzensport. Wie kann man die unbefriedigende Situation verbessern?
Für mich war die Turnstunde der liebste Gegenstand im Gymnasium. Es hat einen einzigen Gegenstand in all den Jahren gegeben, in dem ich ausschließlich ein Sehr gut bekam, das war Turnen. Für mich wäre eine zweite, dritte, vierte Sportstunde pro Woche etwas Positives. Ich wäre auch bereit, das öffentlich zu unterstützen. Es wird eine Diskussion über diese Frage geben müssen. Wenn dies dazu führt, dass eine Ausweitung des Schulsports möglich ist, ohne anderswo ein Loch zu reißen, dann wäre das für die Volksgesundheit förderlich.
Sie meinten, die Qualität einer Gesellschaft hängt nicht von den sportlichen Erfolgen ab. Aber vielleicht, wie sie mit sich selbst umgeht?
Genau. Ich bin schon stolz auf Österreich. Das ist ein Land, das man gern haben kann, weil wir einen Weg gefunden haben aus einer Ausweglosigkeit in der Vergangenheit. Wir haben Frieden mit unserer Geschichte gemacht, wir haben ein kulturelles Niveau, wir müssen uns nicht verstecken.
Zu den Paralympics: Großbritannien hat Österreich im Umgang mit behinderten Menschen einiges voraus. Werden diese Spiele auch bei uns diese Lücke schließen?
Ganz sicher. Ich glaube, mit dem Phänomen der Behinderung gehen wir schon viel besser um als eine Generation zuvor. Ereignisse wie die Paralympics tragen dazu weiter bei.
Haben paralympische Sportler anderen Sportlern irgendetwas voraus?
Wenn man zu vergleichen anfängt, dann kommt man auf eine schiefe Ebene. Ich suche, was ihnen gemeinsam ist. Zum Beispiel eine Selbstüberwindung, Disziplin, Trainingsleistungen, zu denen die Mehrheit der Bevölkerung nicht bereit wäre. Ja, eine Behinderung ist eine Beeinträchtigung, mindert aber nicht die Qualität der Leistung.
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