Wembley: Die Marseillaise aus 90.000 Kehlen
Von Andreas Brandt
England gegen Frankreich ist selbst unter normalen Umständen ein besonderes Fußballspiel. Ein Duell der Erzrivalen, stets geprägt von großer Rivalität.
Wenn sich die beiden stolzen Fußball-Nationen aber am Dienstag im Wembley-Stadion gegenüberstehen, wird die Rivalität diesmal draußen bleiben. In London wird kein "Testspiel" über die Bühne gehen. Vielmehr wird ab 21 Uhr ein "Freundschaftsspiel" stattfinden, das diesen Namen auch tatsächlich verdient.
Schon jetzt leuchtet das englische Nationalstadion in den französischen Farben. Über dem Eingang prangen die Worte "Liberté, Égalité, Fraternité" (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit).
Es ist Spiel eins nach dem Match gegen Deutschland im Stade France, Spiel eins nach den furchtbaren Attentaten in Paris.
"Wembley öffnet seine Arme für ein Land in Trauer", titelte die Times am Montag. Dass das Gastspiel der "Equipe tricolore" nach dem Schock von Paris am Dienstag überhaupt stattfindet, bezeichnet Innenministerin Theresa May als Zeichen, dass "die Terroristen nicht gewinnen werden".
"Das Spiel wird eine ernsthafte Angelegenheit, aber eine, die zeigt, dass die Fußball-Welt vereint ist gegen solche Grausamkeiten", so Englands Coach Roy Hodgson.
Mehr als 70.000 Tickets wurden bereits abgesetzt, bis zu 90.000 Fans finden Platz. Medienberichten zufolge planen die englischen Spieler eine besondere Aktion, mit der sie den Franzosen nach den schrecklichen Taten vom Freitag ihren Respekt erweisen wollen. Zudem starteten bereits viele Prominente in den sozialen Medien Aufrufe an die englischen Fans, ein Zeichen zu setzen und bei der Marseillaise (Anm.: französische Nationalhymne) lautstark mitzusingen.
"Wenn Sie ein Ticket für Wembley haben, ist es höchste Zeit, die Marseillaise zu lernen. Es ist Zeit zu zeigen, was Brüderlichkeit bedeutet", twitterte der englische Journalist Mark Pougatch.
Auch Englands früherer Teamkapitän Rio Ferdinand forderte zur Solidaritätsbekundung auf: "Dienstagabend sind wir alle eins. Lasst uns unsere französischen Brüder und Schwestern unterstützen und die Marseillaise mit ihnen singen."
Der englische Verband gab bereits bekannt, dass der Text auf den Anzeigetafeln im Stadion zu sehen sein wird. Auch die englischen Spieler wollen mitsingen. "Das wird ein historischer Moment voller Emotionen", schrieb die französische Sportzeitung L'Equipe am Montag.
Trainer Didier Deschamps wird den Kader im Vergleich zum Deutschland-Spiel unverändert lassen. Auch Lassana Diarra wird dabei sein, obwohl bei den Anschlägen seine Cousine getötet worden war.
Der 30-Jährige hatte trotz seines schweren Verlustes zuletzt große Worte gefunden: "In diesem Klima des Terrors ist es für uns alle wichtig, die wir dieses Land mit seiner Vielfältigkeit repräsentieren, das Wort zu ergreifen und vereint zu bleiben gegen einen Horror, der weder Farbe noch Religion hat", schrieb Diarra. "Lasst uns alle zusammen die Liebe verteidigen, den Respekt und den Frieden."