Von Ogris bis Köglberger: Geständnisse der anderen Art
Von Wolfgang Winheim
Black Lives Matter. Schwarze Leben zählen. Quer durch Sportarten und Nationen wird mit begrüßenswerter Ausdauer gegen Rassismus protestiert. Ein längst fälliger Anlass, um jüngeren Lesern zu gestehen ...
dass wir, die in der Döblinger US-Besatzungszone zwischen Ruinen kickenden Nachkriegskinder, die Nähe schwarzer Soldaten suchten, weil die uns stets lächelnd die ersten Kaugummis schenkten;
dass ich Viennas Paulinho und den Austrianer Jacaré bewunderte, ja, dass wir genauso werden wollten wie die ersten 1962 nach Wien gekommenen brasilianischen Fußballer. So schnell, so beweglich. Oder zumindest so schön braun wie ein Wiener Staatsligakicker, den sie „G’selchter“ riefen;
dass ich’s – wie einige Jahre danach Andreas Ogris – als normal bis motivierend empfand, bei Jugendligaspielen je nach Sonnenstand Roter oder Weißer g’schimpft zu werden;
dass ich nur einmal schockiert war, als in der Wiener 38er-Tramway eine schwangere rothaarige Frau, die ihren Sitzplatz nicht räumte, verflucht wurde mit den Worten: „Im Mittelalter, Rostige, hätten’s dich als Hex verbrannt“;
dass ich später als Reporterlehrbub Ausdrücke meiner Chefs kopierend von „Murli“ Jacaré berichtete, zumal der Spitzname zu dieser Zeit einer Sympathiebezeugung glich und Jacaré Autogramme mit „Murli“ unterschrieb;
dass wir uns amüsierten, als Jacaré nach einer Niederlagenserie auf entgangene Prämien anspielend vor der Kamera seine Hosensäcke umdrehte und grinsend meinte: „Jetzt bin i Doppel-Neger“ (n-sein galt als Begriff für pleite);
und dass noch Mitte der 70er sich niemand aufpudelte, als die Krone einen Boxabend in der Wiener Stadthalle, wo der (alsbald trotz Netzhautablösung in den Ringe gehetzte) Nigerianer Nojim Maiyegun beliebter Stammgast war, ankündigte mit dem Titel: „Heute kämpft unser Hausneger.“
Kurzum: Zu dieser Zeit dachten viele von uns Blauäugigen, Rassismus sei nur noch in Südafrika und US-Südstaaten verbreitet, während hierzulande keine Vorurteile gegenüber Andersfarbigen bestünden. Dass dem nicht so war, erzählte erst später Helmut Köglberger.
Als Besatzungskind hatte er in Steyr viele Demütigungen zu ertragen, ehe er mit dem LASK 1965 den für diesen bis heute einzigen Meistertitel gewann, 1969 Schützenkönig bei der Austria und der erste Nationalspieler mit etwas dunklerer Haut wurde.
Im Slum von Nairobi
Vor zwei Jahren ist Köglberger gestorben. Aber seine Initiative lebt weiter, Kindern in einem der finstersten Slums Nairobis zu helfen. Dort wurde unter Regie von Helis Sohn im Acakoro-Camp den Ärmsten der Armen bis Februar Spaß an Fußball und Schule vermittelt. Dann schlug das Virus zu. Bis Jahresende gilt in Kenia: kein Unterricht, kein Training. Auf Befehl der Regierung ist jeglicher Sport eingestellt worden, berichtet Stefan Köglberger.
2021, wenn sich Corona hoffentlich verzogen hat, wird der Nachholbedarf groß, wird viel Spendengeld erforderlich sein. Mit dem Sammeln via Charity-Events hat Köglberger längst begonnen. Und soeben eine Zusage von der UNESCO (die das Sozialprojekt wiederholt würdigte) auf finanzielle Unterstützung für Lernprogramme und Sport erhalten.
Im Oktober will Stefan Köglberger zurückkehren nach Nairobi in den Korogocho-Slum. Schwarze Kinderleben zählen.