Sport/Fußball

Der Fußball wird revolutioniert

FIFA, UEFA, WM, EM. Was sich hinter diesen Buchstaben verbirgt, das ist wohl jedem Fußballfan bekannt. Bei IFAB spießt es sich dann aber bei vielen – dabei handelt es sich da um das wichtigste Gremium in der Geschichte und Entwicklung des Fußballs.

1886 fand das erste IFAB-Treffen statt. Seither spielt das "International Football Association Board" IFAB eine zentrale Rolle im internationalen Fußball. Es wacht streng über die Spielregeln und ist verantwortlich für jede kleinste Änderung am umfassenden Regelwerk.

Frischer Wind

Das IFAB, dem der englische, schottische, walisische und nordirische Fußballverband sowie die FIFA angehören, gilt als konservativ, die Zahl der Regeländerungen war über Jahrzehnte überschaubar. Die Attraktivität des Fußballs liege in seiner Einfachheit – so lautet eine Erklärung. Und als Hüter der Regeln versucht das IFAB so gut wie möglich die Wurzeln zu bewahren, aus denen der Sport aufgeblüht ist. Aber der Sport wurde auch zu einer globalen Geldmaschine. Neue technische Hilfsmittel gibt es en masse. Und nun scheinen die Regelhüter zu Revolutionären zu werden.

Jeder der vier britischen Verbände hat eine Stimme, die FIFA als Vertreterin der übrigen Mitgliedsverbände vier. Für eine Änderung der Fußballregeln ist eine Mehrheit von sechs Stimmen notwendig. Einige Reformen wurden bei der 130. IFAB-Jahresversammlung im März in Cardiff bereits abgesegnet. Zuvor hatte der ehemalige englische Schiedsrichter David Elleray 18 Monate lang die Spielregeln überarbeitet.

Schon bei der EM gab es die ersten Änderungen zu sehen. Die als "Dreifachbestrafung" bezeichnete Kombination aus Elfmeter, Platzverweis und Sperre bei einer Notbremse im Strafraum wurde abgeschwächt und Auslegungssache des Schiedsrichters. Bei einem Anstoß muss der Ball nun nicht mehr nach vorne gespielt werden. Beim Elfmeter darf der Spieler den Anlauf nicht abstoppen, sondern nur noch verzögern.

Auch auf größte Unmöglichkeiten soll das Regelbuch Antworten bereit halten. Schießt ein Spieler etwa einen Eckball über das gesamte Spielfeld in das eigene Tor, gibt es Eckball auf der anderen Seite. Schön ist die Formulierung zum "Gesetz Nummer zwei", das den Ball betrifft: "Keine Änderungen." Das Wesentlichste am Spiel bleibt also, wie es ist.

Augen auf

Aber es ging bei der Versammlung auch um den Videobeweis. Derzeit wird gerade bei der Klub-WM in Japan getestet, erstmals bei einem offiziellen FIFA-Turnier. "Wir warten auf die Ergebnisse und lassen sie von Experten der Universität Leuven in Belgien analysieren", erklärt Elleray. 2018, spätestens aber 2019, soll eine Entscheidung fallen. Elleray: "Unsere Hoffnung ist, dass der Videoschiedsrichter minimale Unterbrechungen bei maximalem Nutzen bringt."

Ebenfalls angedacht: Ein vierter Wechsel in der Verlängerung: Bei der U-19-EM in Deutschland und bei den Olympischen Spielen in Rio war dies bereits erlaubt. Ab nächster Saison darf im deutschen Cup nach 90 Minuten ein viertes Mal gewechselt werden.

Auch Zeitstrafen werden diskutiert, es gibt aber keine Änderung dahingehend. Noch nicht. Das 131. IFAB-Treffen findet am 3. März in London statt.

Alle Inhalte anzeigen
Die Entwicklungen beim IFAB passen zum Reformeifer, der die Verantwortlichen im Weltfußball derzeit umtreibt. Neo-Präsident Gianni Infantino ist gerade damit beschäftigt, die WM neu zu erfinden. Inzwischen schwebt dem Schweizer gar schon ein Turnier mit 48 Teams vor. Auch über ein Turnier in drei Ländern und die Abschaffung der Unentschieden in der WM-Vorrundenphase hat Infantino bereits nachgedacht.

Kopfschütteln

Vielen gehen diese Ideen zu weit. "Wir müssen uns wieder auf den Sport konzentrieren. Politik und Kommerz sollten nicht die alleinige Priorität im Fußball haben", fordert Karl-Heinz Rummenigge in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung der europäischen Fußballvereine.

Gianni Infantino wird allerdings nicht locker lassen mit der Mammut-WM. Eben mit dieser Vision hatte er sich im Frühjahr zur WM gestellt – und auch deshalb so viele Stimmen bekommen. Um auch bei einer Wiederwahl erfolgreich zu sein, ist der Schweizer fast schon gezwungen, seine Ideen in die Tat umzusetzen.

Ähnliches hat seinerzeit auch schon Michel Platini als UEFA-Präsident mit der Aufstockung der EM von 16 auf 24 Teams gemacht. Dazu gilt der mittlerweile geächtete Franzose als Gründervater der UEFA Nations League für Nationalteams, die in der Saison 2018/’19 ihre Premiere feiert. Dieser Bewerb mit Dreier- und Vierergruppen in insgesamt vier Leistungsstufen soll die freundschaftlichen Länderspiele ersetzen. Außerdem werden auf diesem Wege auch vier Tickets für die EM 2020 ausgespielt.

Für die Fans wird’s unübersichtlicher. Und für die Fußballer bedeutet das noch mehr Stress. "Wir dürfen das Rad nicht überdrehen", mahnt Bundestrainer Joachim Löw. "Die Leute wollen nicht mehr Spiele sehen, sondern mehr Qualität."