Sport/Fußball

ÖFB-Teamchef Thalhammer: "Es ist Zeit, an Umbruch zu denken"

Der 48-jährige Dominik Thalhammer wurde 2004 mit 33 Jahren Trainer der Admira und ist damit noch immer der jüngste Coach der Bundesliga-Geschichte. Er lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Linz. Der Vater war Vorstandsdirektor der Österreichischen Volksbanken AG und taufte seinen Sohn eigentlich auf Dominikus. Seit 2011 ist Thalhammer Teamchef des österreichischen Frauen-Fußballteams. Durch den Erfolg bei der EM 2017 stand auch er plötzlich im Mittelpunkt.

KURIER: Bald ist es zwei Jahre her, dass Österreichs Frauen-Nationalteam bei der ersten EM-Teilnahme gleich ins Semifinale gekommen ist.

Dominik Thalhammer: Nach der EURO mussten wir uns der neuen Herausforderung stellen, denn so ein Erfolg ist nicht so einfach zu wiederholen. Die Erwartungshaltung aber war groß. Denn vor allem punkto öffentliche Wahrnehmung hat sich für uns viel verändert.

Was hat sich noch geändert nach diesem Erfolg?

Unsere Vision vor der EURO war: Wir werden nicht wirklich akzeptiert, man nimmt uns nicht ernst. Das war eine Motivation. Die ist dann weggefallen und wir brauchten eine neue Vision.

Und wie schaut die aus?

Wir mussten fußballerisch etwas ändern. In der Defensive und punkto Variabilität waren wir top. Wir haben danach die Spielweise in der Offensive verändert.

Das ging aber nicht hundertprozentig auf.

Durch viele Verletzungen hatten wir Fitnessprobleme. Lisa Mikas fiel nach dem Kreuzbandriss lange aus. Viktoria Schnaderbeck war nicht immer fit. Auch Nina Burger plagte sich lange mit Verletzungen herum. In Summe waren vier bis fünf Schlüsselspielerinnen betroffen. Es kam zu einer Diskrepanz der Spielidee und der Fitness.

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Bei der Qualifikation für die WM 2019 kam man nicht einmal ins Play-off der besten Gruppenzweiten.

So schlecht waren wir nicht. Bei der EM-Qualifikation für 2017 haben wir gegen Norwegen einen wichtigen Punkt geholt, diesmal haben wir wichtige Punkte knapp verpasst. Wir haben knapp gegen Spanien nur 0:1 verloren, gegen Serbien nur Remis gespielt. Mit den drei Punkten wären wir im Play-off gewesen. Dennoch geht es aufwärts. Für die Auslosung der EM-Qualifikation haben wir um nur einen Platz Topf 1 verpasst.

Sie haben das Jahr mit Leistungstests begonnen. Sind Sie unzufrieden mit der Fitness der Spielerinnen?

Ich glaube, dass wir punkto Fitness noch zusätzlich etwas machen müssen. Wir haben die Leistungstests gemacht und werden immer wieder überprüfen, ob alles passt. In Absprache mit den jeweiligen Vereinen geben wir den Spielerinnen ein Programm mit. Wir müssen mehr tun, um unseren eigenen Spielstil durchziehen zu können.

Vielleicht auch neue Spielerinnen einbauen?

Es wird auch Zeit, an einen Umbruch zu denken. Auf zwei, drei Positionen werden andere Spielerinnen als bisher Vertrauen und somit Spielzeit bekommen. Es ist mein persönliches Ziel, noch mehr Spielerinnen an das internationale Niveau heranzuführen. Dabei muss man auch riskieren, dass wegen mangelnder Routine Fehler gemacht werden.

Österreich hat bei der EM als Einheit begeistert. Kann das Kollektiv durch neue Spielerinnen in Gefahr kommen?

Die Arrivierten wissen, dass wir eine Kaderauffrischung brauchen. Es wird jede begrüßt, die das Potenzial hat, um am Projekt 2021 mitzuarbeiten.

Aber viele der Talente arbeiten bereits im Ausland, vor allem in Deutschland. Ein Problem?

Nein. Ich kenne die Spielerinnen in- und auswendig. Außerdem sind wir viel im Austausch mit den Spielerinnen und ihren Vereinen. Aber der Pool an Spielerinnen ist nicht gar so großartig, ich würde mir einen größeren wünschen.

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Um noch weiter an die internationale Spitze heranzukommen?

Dieser Pool an Spielerinnen, diese größeren Auswahlmöglichkeiten – das macht den großen Unterschied zu den Großen

aus. Daraus ergeben sich individuelle Vorteile, die wir als Kollektiv ausgleichen wollen und das auch bei der EURO geschafft haben. Da konnten wir viele überraschen, weil wir gezeigt haben, dass wir alle fordern können.

Jetzt aber haben die kleineren Nationen Respekt bekommen, spielen gegen Österreich extrem defensiv.

Die Gegner, die in der Weltrangliste hinter uns stehen, stellen sich anders auf uns ein. Und dennoch haben wir bis auf das Remis gegen Serbien in den letzten sieben Jahren alle Spiele gewonnen gegen Teams, die hinter uns rangiert haben.

Wie schaut es mit Talenten aus der Bundesliga aus?

Bei der Bundesliga müssen wir schauen, dass wir eine bessere Wettbewerbssituation schaffen, damit die Vereine dann auch international besser bestehen können. Wir müssen schauen, dass es in der Liga noch mehr Professionalisierung gibt, damit wir gute, junge Spielerinnen länger in Österreich halten können.

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Sind zehn Vereine in der höchsten Spielklasse dafür zu viel?

Ich sehe derzeit nicht, dass wir 120, 130 Spielerinnen auf so hohem Niveau haben. Acht Klubs in der höchsten Spielklasse wären da meiner Meinung nach ein guter Kompromiss.

Sie haben auch angeregt, dass man eine Auswahl aus der Nationalen Akademie in der Meisterschaft mitspielen lässt. Vor mehr als zehn Jahren nannte Frank Stronach diese Idee „Tigerteam“. Sie wurde nie umgesetzt. Wie schwierig ist so etwas im Frauenfußball?

Das ist nicht so heiß. Das beträfe keine U-21-Auswahl und keine zweithöchste Spielklasse. Die älteren Mädchen in der Nationalen Akademie spielen meist schon in den A- oder B-Mannschaften in der Bundesliga mit. Ich denke da an eine U-17-Auswahl, die man noch mehr fordern könnte, indem man sie in einem Burschen-Bewerb antreten lässt.

Mittlerweile gibt es einige wenige Zentren für Frauenfußball, aber nur eine zentrale Ausbildungsstätte des ÖFB.

Sicherlich ist es wichtig, was bei Sturm oder in Horn passiert. Wir wollen ja in fünf bis zehn Jahren den Anteil der Spielerinnen eklatant erhöhen. Dann kann man eventuell auch über einen zweiten Standort für ein Nationales Zentrum reden. Dann, wenn wir wirklich so viele gute Talente herangeführt haben.