Sport/Fußball

Neun Gründe, warum es unter Koller so gut läuft

Am Montag begann in Stegersbach der letzte Trainingslehrgang vor der heißen Phase der EM-Vorbereitung. Österreich testet in Wien am Samstag gegen Albanien (17.30 Uhr) und am darauffolgenden Dienstag gegen die Türkei (20.30). Teamchef Marcel Koller sieht seine Auswahl nach vier Monaten wieder, er schwört sie weiter auf seine Philosophie ein und will den Spielstil weiterentwickeln.

Im Sommer 2016 hätte der Vertrag des Schweizers geendet. 55 Jahre alt ist Koller, und er hätte sich wahrscheinlich einen sehr guten Klub seiner Wahl aussuchen können. Wer Österreich erstmals auf sportlichem Weg zur EM führt, der kann kein Schlechter sein. Nun hat Koller aber vorzeitig verlängert. Er sieht das Potenzial der Mannschaft und auch die Chance auf die erste österreichische WM-Qualifikation nach 20 Jahren.

Schon in der WM-Qualifikation für 2014, die nicht geschafft wurde, haben deutsche Klubs die Schweizer Präzisionsarbeit erkannt. Koller hatte sich geehrt gefühlt, zumal man sich beim ÖFB mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung geziert hatte. Schließlich hat Koller doch verlängert, der Rest ist Geschichte. Nun wartet der Höhepunkt in Frankreich. Marcel Koller hat frischen Wind in den österreichischen Fußball gebracht. Sein Perfektionismus grenzt manchmal an Pedanterie.

Wie tickt Koller? Warum läuft es unter ihm so gut?

Cleverness

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Am 15. November 2011 saß Koller erstmals auf der Trainerbank des Nationalteams. Janko glich in der Ukraine in der 71. Minute aus. Danach stürmte Österreich in Richtung Sieg, schluckte in der Nachspielzeit aber das 1:2. Fast ein Jahr später in Kasachstan: Je länger es 0:0 stand, desto hektischer wurde gespielt, der Torerfolg blieb aus. März 2013: Österreich beginnt in Irland großartig, geht durch Harnik in Führung, verliert aber den Faden, weil Junuzovic brutal gefoult wird. Vor zwei Jahren hatten die Österreicher in Schweden die wohl beste Halbzeit unter Koller hingelegt und trotzdem verloren.

Bei der EM-Qualifikation zeigte sich der Reifeprozess: In Moldawien und Montenegro wurde ruhig weitergespielt und gewonnen. In Montenegro lag man zwei Mal zurück, haderte mit Schiedsrichterentscheidungen, verlor aber nicht den Faden. Zwei Jahre nach dem unglücklichen Ende in Stockholm war man geduldiger – und zerlegte die Schweden.

Kontinuität

Am 15. November 2011 spielten Almer, Fuchs, Harnik, Baumgartlinger, Alaba, Arnautovic und Janko. Diese sieben zählen noch immer zum Stamm. Prödl hat seinen Platz in der Startelf an Dragovic (damals 20) und Hinteregger (damals 19) verloren, bleibt aber im engeren Kreis. Junuzovic kam im nächsten Spiel gegen Finnland dazu. Außenverteidiger Klein bekam mit Beginn der abgelaufenen Qualifikation seine Stammplatzgarantie und löste Garics ab.

Das Team ums Team

Der Tormanntrainer ist der einzige Durchgangsposten der Ära Koller. Konrad kündigte wegen politischer Ambitionen, Wohlfahrt ging als Sportchef zur Austria. So kam Lindenberger zum Zug. Nur zwei Verträge wurden in der Ära Koller nicht verlängert: der des Pressesprechers (Wechsel zu Rapid) und der des Assistenten. Während Koller vor zwei Jahren nach einigen Nebengeräuschen verlängerte, ging sein Landsmann Fritz Schmid. Nach außen hin aus eigenem Antrieb, nach innen gab es sehr wohl Verwerfungen zwischen den beiden Schweizern. Schmid arbeitet nun als technischer Direktor in Malaysia.

Geduld

Die Spieler wissen, dass sie sich Fehler erlauben können, so lange sie sich ans Konzept halten. So gehört Tormann Lindner weiter zum Kader, obwohl er in Irland vor dem 1:2 in der Hitze des Gefechts die beiden Stangen nicht mit Spielern besetzt hatte; Pogatetz und Ivanschitz durften ihre Teamkarrieren altersmäßig auslaufen lassen (sind aber noch immer auf der Abrufliste); Schiemer und Ortlechner haben den Profifußball verlassen; mit Almer, Özcan, Janko und bald Fuchs sind nur vier 30er im engeren Kreis. Nur Andreas Weimann hat es geschafft, sich aus Leistungsgründen aus dem Team zu verabschieden. Auch Paul Scharner musste erkennen, dass der Schweizer nicht von seinem Weg abzubringen ist. Der Verteidiger, mittlerweile in Fußball-Pension, sorgte im Sommer 2012 für den bisher größten Eklat der Ära Koller. Koller sagte: "Ich kann nicht akzeptieren, wenn einer einen Stammplatz fordert. So war die Situation. Unter mir wird er sicher nicht mehr spielen." Das Niederösterreicher antwortete: "Ich habe nie einen Stammplatz gefordert. Koller hat die Unwahrheit gesagt. Ich kann nur alles in die Waagschale werfen, wenn ich fix dabei bin, nicht, wenn ich als Kaderfüller herumrenne." Scharner reiste noch vor dem Länderspiel ab.

Disziplin

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Laissez-faire gibt es nicht mehr. Ob private Kontakte oder Interviews – beim Team ist alles geregelt. Und zwar in engen Grenzen. Aus dem inneren Kreis dringt so gut wie nichts nach außen. Sogar Sportdirektor Ruttensteiner muss sich den Trainingsanzug überwerfen, um bei Sitzungen offiziell dabei zu sein. Es wird auch keiner außen vor gelassen. Dass ein Teamchef nur mit einem Assistenten spricht (teils in einer Fremdsprache), gibt es nicht mehr.

Auswärtsstärke

Fast zwei Jahre dauerte es, bis Österreich unter Koller erstmals auswärts gewonnen hat. Es war der siebente Versuch – auf den Färöern. Koller: "Wir sind nun schon seit einiger Zeit zusammen. Da haben wir an Schrauben gedreht. Von den Medien und der Öffentlichkeit wurde ständig auf die Auswärtsschwäche hingewiesen. Wenn das Selbstvertrauen aber wächst, kommt die Aggressivität im Spiel dazu. Dann tritt man auch anders auf. So, als würde man ein Heimspiel bestreiten."

Konsequenz

Bei der Beurteilung der Entwicklung des österreichischen Teams unter Schweizer Führung werden von Außenstehenden deutsche Attribute bemüht. Montenegros Verbandsboss Dejan Savicevic sagte: "Österreich ist wie Deutschland, gibt immer Gas, will immer gewinnen." Und am Ende gewinnt Österreich: Das hat in dieser Qualifikation nur beim Heimspiel gegen Schweden nicht gestimmt. Das erste Zeichen des kollektiven Aufbäumens gab es in Irland im März 2013, als Alaba in der Nachspielzeit ausglich. Dass man das Glück erzwingen will, zeigte sich in Moldawien, als zwei Tore aus Standardsituationen erzielt wurden und der Vorsprung mit einem Mann weniger über die Zeit gebracht wurde.

Reife

Worauf Koller keinen Einfluss hat, ist die Entwicklung der Spieler – sowohl fußballerisch als auch menschlich. Er kann nur väterliche Tipps geben. In den vergangenen vier Jahren wurde Arnautovic zweifacher Vater und dadurch auch reifer. In Kollers Ära hatte Fuchs Scheidung und Hochzeit, wurde Vater und reifer. Almer wurde zwei Mal Vater, Janko und Junuzovic werden Väter. Garics, Baumgartlinger und Klein haben geheiratet. Dragovic hat hart an seiner persönlichen und fußballerischen Entwicklung gearbeitet. Junuzovic wurde zum tragenden Spieler bei Bremen, Baumgartlinger stieg in Mainz gar zum Kapitän auf. Baumgartlinger: "Viele spielen im Europacup. Irgendwann spielst du erstmals vor 80.000 Zuschauern. Und irgendwann verliert das seinen Schrecken, weil du die Situation kennst. Im Gegenteil, du freust dich darauf."

Eigeninitiative

Das eingespielte Team geht in manchen Situationen mitunter eigenwillige Wege. Koller wollte, dass man im Heimspiel gegen Moldawien die komplette Breite des Spielfeldes nutzt. Die Moldawier hatten zwei eng beieinander stehende Verteidigungsketten aufgebaut. Teamchef Koller tauchte immer wieder an der Seitenlinie auf und machte Armbewegungen wie ein Brustschwimmer. "Macht das Spiel breit", deutete er damit an. Aber die Moldawier besetzten die Seiten, weshalb sich in der Mitte immer wieder kurzfristig Räume auftaten, die die Spieler nutzen wollten. Koller und sein Trainerteam waren damit nicht unbedingt glücklich. Auch nicht mit der ersten Halbzeit in Montenegro. Dort entschied sich der Teamchef erst auf dem Weg in die Kabine, nicht laut zu werden.