Sport/Fußball

Nationalteam in seltener Favoritenrolle

Was hätte er noch erzählen oder erklären sollen?

Alle Inhalte anzeigen
Das tagelange Stellungbeziehen im Rahmen der verpflichtenden Pressetermine vor dem Heimspiel gegen die Färöer kreiste nur um die Favoritenrolle, die in dieser WM-Qualifikationnicht ausgeprägter sein könnte. Wohl wissend, seine vorerst letzten Worte zum Thema fallen gelassen zu haben, verließ ein sich unbeobachtet wähnender Teamchef das Happel-Stadion. Ein Österreich-Fähnchen schwenkte dabei der Schweizer Marcel Koller. So als wäre er erleichtert, endlich wieder seinem eigentlichen Job nachgehen zu dürfen.

Ein Job allerdings, in dem es aktuell nichts zu gewinnen gibt. Denn ein Heimsieg gegen die Färöer ist keine ausufernd lobende Erwähnung wert. Ein Punkteverlust würde hingegen genügen, um fortan den unangefochtenen Trottel-Status einer ganzen Nation auszufüllen.

1990

Alle Inhalte anzeigen
Landskrona. Das Trauma des österreichischen Fußballs. Für Marcel Koller ist es nicht einmal mehr ein Albtraum: "1990? Da war ich noch nicht so verbunden mit dem österreichischen Fußball. Aber so eine Situation brauch’ ich wirklich nicht."

Damals hat Koller noch selbst gespielt, war einen ganzen Lebensabschnitt entfernt von einem Teamchef, der gefragt wird: "Was machen Sie, wenn es am Freitag schief geht?" Und der antwortet: "Darüber müssen wir nicht sprechen. Ich beschäftige mich niemals schon vorher mit Niederlagen."

Färöer-Inseln. 1990. 0:1. Die alten Wunden reißen auf, wenn die Inselkicker gegen Österreich antreten. Dabei bereicherte ja erst im Herbst Düdelingen die rot-weiß-rote Fußball-Historie. Doch davon spricht kaum jemand mehr. Davon, dass die Fußball spielende Millionen-Investition aus Salzburg gegen Halbamateure aus Luxemburg leer ausgegangen ist.

Wie soll man sich also verhalten? Als erklärter Goliath gegen einen Gegner, der bei aller Vorsicht ein David bleibt?

Aston-Villa-Legionär Andreas Weimann zitiert aus dem Buch der Fußball-Plattitüden: "Kein Fußballspiel ist leicht. Man beginnt immer bei 0:0. Und man muss ein Tor schießen." Martin Harnik, ein kluger und eloquenter Bursch’ in Stuttgarter Diensten, meint gar: "Wir müssen schauen, dass uns ein schnelles Tor gelingt. Dann wird die Aufgabe wesentlich einfacher." Ja, eh.

Teamchef Koller präzisiert, man müsse mit präzisen, schnellen Kombinationen und wenigen Ballkontakten die Lücke im dichten Färöer Beingewirr finden. Im Grunde sei es aber egal, "unsere Spielweise ändert sich nicht." Ganz wichtig ist jedenfalls: Vorne muss volle Spannung und Konzentration zum positiven Abschluss führen.

Koller hat sich vier Spiele der Färöer-Inseln auf DVD angeschaut. "Gegen Deutschland haben sie kompakt am eigenen Strafraum verteidigt. Gegen Schweden daheim haben sie auch vorne attackiert." Gegen Österreich? "Sie werden gegen uns wohl kein hohes Pressing spielen. Aber wer weiß." Kompakt werden sie stehen, "und sie werden keine Probleme haben, 90 Minuten lang dagegenzuhalten."

Unerheblich

Auch bis zum Erbrechen laufende Insel-Spieler dürfen kein Problem bedeuten. Zu klar muss sich der fußballerische Qualitätsunterschied bemerkbar machen. Allen österreichischen Formkrisen zum Trotz. Egal muss übrigens auch sein, ob der Torhüter Heinz Lindner heißt.

Keinesfalls ausschlaggebend darf sein, ob Aleksandar Dragovic in der Innenverteidigung entweder neben Sebastian Prödl oder Emanuel Pogatetz steht. Ziemlich unerheblich auch, wer die Tore schießt. Ob Marc Janko oder eben doch dieser Philipp Hosiner ...

Alles egal.

Bis zum kommenden Dienstag jedenfalls. Wenn in Dublin die Iren warten.

Die aktuelle Nationalmannschaft Österreichs gilt als stärkste seit vielen Jahren, dabei haben einige Schlüsselspieler ihr bestes Fußballer-Alter noch gar nicht erreicht. David Alaba, Marko Arnautovic oder Aleksandar Dragovic sind erst Anfang 20, auch in der Generation der U20-WM-Vierten von 2007 um Sebastian Prödl, Zlatko Junuzovic und Martin Harnik schlummert weiteres Potenzial. Dazu kommen gestandene Kicker wie Andreas Ivanschitz, Marc Janko oder Emanuel Pogatetz, die noch einige Jahre für die ÖFB-Auswahl wertvoll sein können.

Der Posten des österreichischen Teamchefs scheint also ein Job mit rosigen Zukunftsaussichten zu sein. Dennoch will sich Marcel Koller derzeit nicht deklarieren, ob er nach dem Auslaufen seines Kontrakts eine zweite Amtszeit anstrebt. "Mein Vertrag läuft im November aus (Anm.: Im Falle einer WM-Teilnahme gilt er bis einschließlich der Endrunde 2014), und meine Aufgabe ist es, bis zu diesem Zeitpunkt 100 Prozent zu geben", sagte der Coach.

Monate und Jahre

Alle Inhalte anzeigen
Laut ÖFB-Präsident Leo Windtner ist eine Verlängerung des Schweizers zwar vor allem von Resultaten abhängig - allerdings sei man mit der Arbeit des 52-Jährigen sehr zufrieden. Auch Koller selbst hat Gefallen an seiner Funktion, mit einem möglichen neuen Vertrag möchte er sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht beschäftigen. "In der momentanen Phase ist das kein Thema, und ich bin auch nicht nervös, weil ich nicht weiß, was nach dem November sein wird."

Es stehe ihm ohnehin nicht zu, eine Vertragsverlängerung zu verlangen. "Ich bin Angestellter des ÖFB. Es ist nicht meine Aufgabe, einen neuen Vertrag zu fordern. Wenn der ÖFB das Gefühl hat, es passt, wird man wahrscheinlich auf mich zukommen", vermutete Koller.

Die Frage nach seiner Zukunft über den November hinaus würde sich nicht stellen, wäre Koller auf das ÖFB-Angebot bei den Verhandlungen im Oktober 2011 eingegangen. "Der ÖFB wollte damals einen Vertrag über vier Jahre bis einschließlich der Qualifikation für die EM 2016. Ich wollte es nicht, weil ich noch nie Nationaltrainer war. Deswegen habe ich gesagt, wir machen es einmal für zwei Jahre und schauen dann, was möglich ist."

Nach eineinhalb Jahren bei der österreichischen Auswahl weiß Koller, dass die Uhren bei Nationalmannschaften anders als bei Klub-Teams ticken. "Die Zeit ist einfach zu kurz, alles in zwei Jahren dorthin zu bringen, wo man hin möchte. Man braucht da viel mehr Zeit. Was im Vereinsfußball Monate sind, sind im Nationalteam Jahre."

Leidenschaft

Aus diesem Grund ist es für Koller denkbar, in Zukunft wieder bei einem Verein zu arbeiten. "Trainer eines Klubs zu sein, reizt mich nach wie vor, weil man da schneller etwas bewegen kann. Aber es gibt auch Vorteile als Teamchef, und in diesem Bereich habe ich jetzt auch Erfahrungen gesammelt."

Besonders positiv waren diese Erfahrungen in punkto Fan-Leidenschaft. "Man spürt, dass die Leute großes Interesse am Nationalteam haben. Sie unterstützen die Mannschaft, und das spüren die Spieler. Das gibt ein Gänsehaut-Gefühl", erklärte Koller.

Alaba, Dragovic & Co. waren zum Zeitpunkt der legendären Auswärtsniederlage auf den Färöer Inseln größtenteils noch nicht geboren, oder im Säuglingsalter. Dementsprechend selbstbewusst tritt man gegen den Fussballzwerk aus dem Nordatlantik an.

Vor dem ersten Pflichtspiel im neuen, 51.000 Besucher fassenden Stadion in Solna bei Stockholm stehen dessen Dach und Schwedens Superstar im Mittelpunkt. Irlands Teamchef Giovanni Trapattoni hatte zur Vermeidung übermäßiger Lautstärke gefordert, dass es geöffnet bleibt – obwohl es minus zehn Grad hat.

"Es ist zu laut, das kenne ich aus Deutschland", betonte Trapattoni. Derzeit deutet alles auf ein geschlossenes Dach hin – zum Wohle der Fans. Weniger Sorgen macht sich der irische Coach um den Star der Schweden, um Zlatan Ibrahimovic. "Zlatan ist Zlatan", sagte er. "Aber ich habe großes Vertrauen in unsere Spieler."

Ruhiger Zlatan

Alle Inhalte anzeigen
Die Schweden hatten im Herbst mit einer sensationellen Aufholjagd zum 4:4 in Deutschland sowie einem 4:2-Testspielsieg gegen England Selbstvertrauen getankt. Bei Letzterem erzielte Superstar Zlatan Ibrahimovic alle vier Tore. "Er ist ihr Talisman, ein Spieler, auf den wir aufpassen müssen", versicherte Irlands Kapitän Robbie Keane. "Aber wir dürfen uns nicht zu sehr auf einen Spieler konzentrieren."

Dennoch erkundigte sich Keane bei einem alten Freund und Mitspieler in Los Angeles, wie "Ibracadabra" zu stoppen sei – dessen jetzigem PSG-Kollegen David Beckham. "Er hat mir erzählt, wie gut er im Training ist. Er haut die Kugel von überall ins Tor – einfach zum Spaß."

Sogar eigene Teamkollegen fürchten sich mitunter vor den Wutausbrüchen Ibrahimovics. "Ich schreie sie kaum noch an", verriet er unlängst, "ich bin ruhiger geworden, und das ist tödlich, glauben Sie mir. Ich muss wütend sein, um gut zu spielen. Ich muss schreien und fluchen."

Kritik an Löw

Alle Inhalte anzeigen
Geflucht wird auch in Kasachstan. Nicht so sehr über die Beginnzeit der Partie in der Hauptstadt Astana um Mitternacht (damit das ZDF um 19 Uhr in Deutschland live übertragen kann).

Es ist Joachim Löw, der im Mittelpunkt der Kritik steht und so die Kasachen zusätzlich motiviert hat. Der deutsche Teamchef hat eine Vorqualifikation angeregt: "Der Terminkalender ist übervoll, da wäre Abhilfe nötig. Ob es aus sportlicher Sicht Sinn macht, zwei Mal gegen Länder wie Kasachstan, Andorra, San Marino oder die Färöer anzutreten, darüber kann man schon diskutieren."

Besonders dieser Vergleich brachte Spieler und Fans im flächenmäßig neuntgrößten Land der Welt gegen Löw auf.