Sport/Fußball

Mittelstürmer haben ausgedient

Spanien steht im Semi­finale, die Dominanz des Titelverteidigers hält an, Frankreich war beim 2:0 chancenlos. Und dennoch hat Vicente Del Bosque Erklärungsbedarf. Wie nach dem ersten Spiel gegen Italien (1:1) muss sich Spaniens Teamchef rechtfertigen, weil kein echter Stürmer aufgestellt wurde.

Fernando Torres landete erneut auf der Bank, obwohl er gegen Irland doppelt gezeigt hatte, dass er wieder trifft. Und anerkannte Könner vor dem Tor des Gegners wie Llorente oder Negredo sind ohnehin nur im Training auf Del Bosques Liste. Fàbregas gibt also den Mittelstürmer, bleibt dabei aber ein Mittelfeldspieler.

Ähnliches, wenn auch in abgeschwächter Form, zog Deutschlands Teamchef Joachim Löw mit dem Wechsel von Miroslav Klose für Mario Gomez gegen die Griechen (4:2) durch. Der statische Goalgetter der Gruppenphase wurde durch den wendigeren Kombinationsspieler Klose ersetzt.

Warum tun Weltklasse-Trainer wie Del Bosque und Löw das? Wie verändert sich dadurch der Fußball? Und sind die klassischen Mittelstürmer noch zu retten?

Existenzangst

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"Fernando, weißt du nicht, dass du um die Zukunft des Mittelstürmers spielst?", twitterte Englands legendärer Angreifer Gary Lineker, nachdem Torres als Joker gegen Italien zwei Sitzer vergeben hatte. Fàbregas hingegen traf.

Gegen die Franzosen war das gar nicht nötig. Der Barcelona-Star erfüllte die Idee von Del Bosque, gegen die starke Abwehr des Gegners eine weitere Anspielstation im tiki-taka zu schaffen. Indem sich der Mittelstürmer immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen lässt, zirkuliert der Ball noch besser und öfter in den eigenen Reihen. Bis sich eine Lücke auftut und wie gegen Frankreich zwei nominelle Defensivspieler wie Alba und Xabi Alonso für die Führung sorgen.

Der "Neuner", also der Mittelstürmer, übernimmt in diesem taktisch anspruchsvollen Konzept auch Aufgaben des "Zehners", also des Spielmachers, und wird zum "falschen Neuner". Oder zur 9 1/2.

Dieser Trend könnte sich – wie der klassische Striker Lineker befürchtet – nach der EURO verstärken. Vor allem, wenn Typen wie Torres und Gomez zu Bankdrückern werden, während eine 9 wie Fàbregas wochenlang jubelt.

Österreichisches Modell

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Fix ist, dass klassische Mittelstürmer, die ohne aktive Teilnahme am Spielaufbau im Strafraum des Gegners lauern, alt ausschauen. Auch in Österreich, wie die Fälle Salihi bei Rapid und Linz bei der Austria gezeigt haben. Da im modernen Fußball entscheidend ist, so oft wie möglich Überzahl-Situationen zu schaffen, werden flexible Spieler forciert. Rapid-Trainer Schöttel stellte letzte Saison in acht Spielen den gelernten Mittelfeldspieler Guido Burgstaller als Mittelstürmer auf. Kein einziges wurde verloren, es gab aber auch vier 0:0.

International verstärkt gesucht werden Stürmer, die torgefährlich sind und gleichzeitig für das eigene wie auch gegen das Team des Gegners effektiv arbeiten. Eine seltene Spezies, Wayne Rooney gehört dazu.

In Österreich war Nikica Jelavic der letzte, der diese Anforderungen erfüllen konnte. Er ist vor zwei Jahren gegangen, um international Karriere zu machen. In Hütteldorf wird noch immer versucht, das hinterlassene Loch zu füllen.