Sport/Fußball

(M)eine EM als Kommentator

Was redet der ********* schon wieder für einen Blödsinn?" Welchem Fußballfan ist dieser Satz nicht schon einmal über die Lippen gerutscht. Egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, der gemeine Fußballfan weiß es besser als sein TV-Kommentator.

So verwundert es nicht, dass fast alle Kommentatoren sich mit Vorwürfen der Oberflächlichkeit (Stichwort "ja, das war ein schlechter Pass, aber WARUM"), der fehlenden Vorbereitung (Stichwort "Aussprache von Namen") oder auch Anflügen von Narzissmus (Stichwort "der redet nur, weil er sich gerne reden hört") konfrontiert sehen.

Ein deutsches Internetportal versucht sich nun als Refugium für Leid geplagte Fanseelen zu etablieren. Auf marcel-ist-reif.de kann, passend zur EURO, entweder selbst kommentiert werden oder anderen Amateur-Kommentatoren gelauscht werden.

Selbst ist der moderne Zuschauer

Um selbst ins Geschehen einzugreifen, benötigt der geneigte Nachwuchs-Kommentator lediglich eine Internetverbindung und ein Computermikrofon. Durch diese Niederschwelligkeit erklärt sich das breit gefächerte Angebot. Hinzu kommt, dass die Spiele der Europameisterschaft anders als die nationalen Meisterschaften im Free-TV zu sehen sind.

Wem der heimische Kommentator zu "unparteiisch" agiert der findet fürs nächste Deutschland-Spiel wohl ebenso seinen "einseitigen" Kommentar, wie der Fan des "bayrischen Dialekts" oder Zuseher die "die Sache nicht ganz so ernst" nehmen.

Entstanden ist das geschäftsmodellfreie Hobbyprojekt in der Pause eines Champions-League-Abends. Die beiden Berliner Moritz Eckert und Wendelin Hübner fragen sich in ihrem "Manifest": Wie viele Millionen gedroschener Phrasen kann ein Land ertragen? und wollen dementsprechend mit dem einfachen Mitteln (Fernsehton aus, Audio-Kommentar am Computer an) jedem die Möglichkeit zum maßgeschneiderten Kommentar geben.

Die Crux mit der Technik

Was im Prinzip nach einer fantastischen Idee klingt, hat in der Praxis mit einigen kleinen Problemen zu kämpfen. Unterschiedlichste Internetanbindungen und minimale Zeitunterschiede bei den Signalen der einzelnen TV-Stationen verursachen eine oft nervige Asynchronität, welche sich zwar durch die Verzögerung des Audio-Streams per Mausklick verhindern lassen soll, zumindest in unserem Test aber nur schleppend funktionierte.
Ein weiterer Lösungsansatz wäre, das Spiel per digitalem Videorekorder aufzunehmen und entsprechend verzögert abzuspielen: Aber wer kann und will schon soviel für den Alternativ-Ton tun?

Schmerzlich vermissen werden viele Zuhörer auch die Stadionatmosphäre, wenngleich hier mit dem "Einschmuggeln von Stadiongrundrauschen" Abhilfe geschaffen werden soll - wirkliches "Feeling" kommt dadurch aber keines auf.

Nichts desto trotz, die Plattform erfreut sich wachsender Beliebtheit und da es offensichtlich Bedarf an Abwechslung zum bisherigen TV-Kommentatoren-Angebot gibt, werden auch weiterhin die Mikros glühen. Vielleicht keine Alternative für "Jedermann" aber allemal einen EURO-Versuch wert.

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