Marco Rose: „Ich will weder tarnen, noch täuschen“
KURIER: Als Anfang Dezember vermeldet wurde, Sie würden mit Hoffenheim verhandeln, haben Sie gesagt, dass Sie gerade nur mit ihrer Tochter reden würden, ob sie zu Weihnachten ein neues Handy bekommt. Wie sind diese Verhandlungen ausgegangen?
Marco Rose: Natürlich positiv für sie, meine Tochter hat ein neues Handy. Jeder, der ein liebender Familienvater ist, weiß, dass man selten Nein sagen kann, wenn sich sein Kind etwas wünscht. Aber manchmal muss man das natürlich tun.
Verhandeln Sie derzeit mit Hoffenheim? Oder sind die Gespräche gar schon abgeschlossen?
Am Status Quo hat sich nichts geändert. Ich möchte aber dazu auch weiter nichts sagen, weil ich manchmal nicht das Gefühl habe, dass das, was ich sage, auch so ankommt. Wir haben mit Red Bull Salzburg genügend spannende Aufgaben vor uns. Es ist wichtig, dass wir alle unseren vollen Fokus und unsere ganze Energie auf diese Dinge legen.
Warum wird gerade im Profifußball oft lieber getäuscht und getarnt als mit offenen Karten gespielt?
Ich will weder tarnen, noch täuschen. Es gibt einfach persönliche Entscheidungen, die in erster Linie meine Familie und mich etwas angehen und die ich erst dann mit der Öffentlichkeit teilen möchte, wenn ich die Entscheidung getroffen habe. Und ich habe auch eine Verantwortung meinem Verein gegenüber.
Warum sind Sie eigentlich Trainer geworden?
Weil ich Fußball liebe. Es war nicht so, dass ich immer gesagt habe, ich will und muss Trainer werden. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mir der Job liegt und gefällt. Dazu kommt, dass ich sehr ehrgeizig bin und deshalb immer versuche, das Bestmögliche aus jeder Situation herauszuholen. Ich habe aber auch eine normale Ausbildung genossen und bin erst dann in den Profifußball gekommen.
Es gibt wohl keinen anderen Job, in dem die Chance so hoch ist, mehrmals in der Berufskarriere gefeuert zu werden. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
Ich stehe nicht jeden Tag auf und habe Angst davor. Es gehört dazu, ist Berufsrisiko. Trotzdem tut es sicher nicht gut, wenn es passiert. Man macht dann diese Erfahrung, zieht daraus seine Lehren und entwickelt sich weiter.
Könnten Sie es sich vorstellen, für einen Arbeitgeber jahrzehntelang zu arbeiten wie es in der „normalen“ Berufswelt durchaus üblich ist?
Ich habe zum Beispiel zwölf Jahre in Mainz gespielt und als Trainer gearbeitet. Und ich bin auch fast sechs Jahre hier in Salzburg, weil ich mich wohlfühle. Das sagt schon etwas aus. Aber es gibt Dinge im Fußball, die man nicht immer planen kann.
Sie haben einmal gemeint, Sie würden jeden Tag an Ihre Mannschaft denken. Können Sie überhaupt nie abschalten?
An meine Mannschaft zu denken heißt ja nicht zwingend, dass ich an Arbeit denke, sondern an extrem positive Dinge. Das ist kein Stress.
Was machen Sie eigentlich, um sich abzulenken?
Ich gehe gerne einmal mit Freunden gut essen. Wir hatten vor kurzem erst mit der Mannschaft und allen Betreuern den Family Day in Obertauern. Da war schönes Wetter, eine nette Atmosphäre. Wir hatten alle viel Spaß. Und dann das Allerwichtigste für mich zum Entspannen: meine Familie.
Geht Ihnen Ihre Arbeit nicht manchmal doch auf die Nerven?
Eigentlich nicht, weil ich wohl einschätzen kann, dass mein Job sehr privilegiert ist. Auf der anderen Seite ist er sehr öffentlichkeitswirksam. Es prasselt viel auf einen ein. Viele Leute bewerten dein Tun und Handeln. Das kann nerven. Aber in Summe bin ich dankbar, dass ich das machen darf.
Was würden Sie beruflich tun, wenn Sie nicht Profifußballer geworden wären?
Ich habe Sozialversicherungs-Kaufmann gelernt, glaube aber nicht, dass ich in diesem Job geblieben wäre. Ich hatte einmal das Thema Polizist auf dem Schirm. Das wäre interessant gewesen, weil ich auch ein bisschen ein Gerechtigkeitsfanatiker bin.
Sie sind in einem damals getrennten Europa in der DDR aufgewachsen. Nun wird in einem vereinten Europa an Grenzübergängen wie am Walserberg wieder kontrolliert. Was denken Sie sich dabei?
In erster Linie denke ich mir: Warum musst du jetzt schon wieder im Stau stehen? (Anm: schmunzelt). Aber natürlich steckt da viel mehr dahinter. Die EU ist ein wahnsinnig großes Gebilde. Und das muss erst einmal organisiert und strukturiert werden. In der EU sind extrem viele Länder mit unterschiedlichen Mentalitäten und Interessen. Dies auf die Bahn zu bringen, ist ein Riesenjob. Als das Flüchtlingsthema 2015 eskaliert ist, habe ich am Grenzübergang Freilassing Dinge mitbekommen, die weniger schön waren. Da haben Menschen aller Herren Länder gezeltet, gehaust. Es ist ein ganz schwieriges Thema, weil es um Humanität geht und es viele gibt, denen es extrem schlecht geht – auch in Europa. Patentrezept habe ich keines. Aber natürlich kann man versuchen, die Länder, in denen Krieg und Armut herrschen, vor Ort zu unterstützen, damit die Menschen erst gar nicht flüchten müssen. Denn ich glaube, dass jeder auf diesem Planeten heimatverbunden ist.
In ihrer Heimatstadt Leipzig fanden 1989 die Montagsdemonstrationen statt, die die Initialzündung für die deutsche Wiedervereinigung waren. Nun ist Sachsen eine Hochburg einer extrem rechten Partei wie der AfD. Wie ist das erklärbar?
Es ist mir wichtig zu sagen, dass sowohl meine Heimatstadt Leipzig als auch andere Städte in Sachsen sehr weltoffen, gastfreundlich und lebenswert sind. Fakt ist, dass ich mit dem Gedankengut der AfD und dieser Partei insgesamt gar nichts anfangen kann. Die Einstellung mancher Menschen rührt daher, dass sie sehr unzufrieden mit ihren Lebensverhältnissen und mit der Art und Weise sind, wie in Deutschland Politik gemacht wird. Dann schafft es so eine Partei, sich zu etablieren. Die AfD ist eine Partei, die man leider mittlerweile sehr ernst nehmen muss, die ich aber eigentlich nicht ernst nehmen kann, wenn ich deren Vertreter sehe, wie diese Leute argumentieren und welche Parolen sie raushauen.
Sie trainieren Spieler aus vier Kontinenten, dementsprechend unterschiedlich sind die Kulturen. Wie gehen Sie damit um?
Ich liebe es. Ich finde es großartig, so eine Truppe zu trainieren, miterleben zu dürfen, wie die Jungs miteinander umgehen und wie die unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen. Trotzdem ist es eine Aufgabe. Denn jede Kultur hat ihre Eigenheiten und bringt Menschen mit eigenem Charakter hervor. Dem gerecht zu werden ist extrem spannend und nicht immer einfach.
Goldsteaks, Flüge mit Privatjets, Autos mit 700 PS. Leben Fußballer in einer Scheinwelt?
Dazu haben in den letzten Monaten schon viele viel gesagt. Ich sehe es differenziert. Die Frage ist: Muss man alles posten, was man erlebt? Ich bin weder bei Facebook noch bei Instagram, weil ich mich lieber persönlich um die wichtigen Dinge um mich herum kümmere. Ich stehe durch meine mediale Präsenz sowieso schon mehr als genug in der Öffentlichkeit. Auf der anderen Seite sollte man aber auch jeden so leben lassen, wie er das für richtig hält – so lange er sich dabei an die grundsätzlichen Regeln hält. Solange er also kein goldenes Steak klaut, ist es Sache eines jeden einzelnen. Man springt dann oft auf solche Dinge auf, vergisst aber, was derjenige schon alles Positives getan und dafür geleistet hat.
Werden Sie auch in der kommenden Saison noch Trainer bei Salzburg sein?
Ich könnte jetzt sagen, dass ich diese Frage nicht beantworten will. Dann wäre ich fein raus aus der Nummer. Aber ich kann auch offen sein und sagen, dass wir attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen, der auch Interesse weckt. Wenn mein Telefon also klingelt, dann hebe ich meistens auch ab. Fakt ist: Ich fühle mich in Salzburg wohl und weiß, was ich hier habe. Somit bleibt für mich Red Bull Salzburg auf jeden Fall ein spannender Ansprechpartner.