Leipzig - Hoffenheim: Das Un-Spiel für Traditionalisten
Deutscher Spitzenfußball braucht keine Tradition. Im Spitzenspiel der 18. Runde empfängt der Zweite den Dritten, spielt am Samstag (15.30 Uhr/live Sky) Hoffenheim in Leipzig. Angesichts dieses Duells der beiden Bayern-Jäger wird den Hütern der hehren deutschen Fußballtradition flau im Magen.
Der Dosenklub
Leipzig wird als Dosenklub abgekanzelt, dessen RB für RasenBallsport steht, aber auch für Red Bull und die Millionen von Dietrich Mateschitz. Der aktuelle Spiegel veröffentlicht ein Interview mit Ralph Hasenhüttl, Trainer von RB Leipzig. Der Österreicher wird gefragt: "Wollen Sie dem Markenklub eines Dosengetränks, das keine Tradition hat, ein freundliches Image verleihen?" Die pragmatische Antwort des 49-Jährigen: "Sehen Sie, für einen Trainer ist es überhaupt kein Nachteil, wenn der Verein keine große Tradition hat." Warum nicht? "Selten kommt dort einer um die Ecke und erzählt, wie toll alles vor 20 Jahren war."
Leipzig stieg im Sommer 2016 auf, Hoffenheim im Sommer 2008. Mit dem "Brause-Klub" hat Hoffenheim inzwischen einen ernsthaften Gegner in der inoffiziellen Missgunst-Tabelle der Bundesligavereine bekommen.
Die Selbstironie
Beim Ligaauftakt im August (2:2) sorgten selbstironische Transparente der Hoffenheim-Fans für Lacher. "Den Fußball zerstört nur einer, Hoffe und sonst keiner", war auf einem Transparent zu lesen. Auf einem anderen forderten die Fans: "Gebt uns unseren Hass zurück" – eine Anspielung darauf, dass sich der Spott der Liga von Hoffenheim auf RB Leipzig verteilt hat. Auf weiteren Plakaten war zu lesen: "Geld regiert die Welt" oder "Traditionslose Arschlöcher im Stadion".
Die Fans des 1. FC Kaiserslautern, eines nicht weit von Hoffenheim entfernten sogenannten Traditionsklubs, schrieben einst: "Ihr Verein, Herr Hopp, hat alle Evolutionsstufen eines Traditionsvereins ausgelassen, kann keine Wurzeln im Fußballsport vorweisen und tritt alle Werte, die Millionen Fußballanhänger im Herzen tragen, mit Füßen."
Die Wertedebatte
Dabei vergessen die Fans gerne, dass die Wurzeln etlicher anderer Vereine künstlich oder historisch belastet sind. So fusionierten in Köln erst 1948 zwei mittelmäßige Regionalligaklubs zum 1. FC. So hat in Berlin die aktuelle Hertha nichts mehr mit dem Arbeiterklub der 20er- und 30er-Jahre zu tun und wurde Ende der 90er-Jahre mit Geldern eines Sportrechtevermarkters zum Spitzenklub. So war 1860 in München der Nazi-Klub. Und Leverkusen und Wolfsburg sind ohnehin Werkssportvereine, die nur wegen Zuwendungen des Chemiekonzerns Bayer oder des Autobauers Volkswagen Spitzenfußball bieten.
Das wird im Fall Hoffenheim zumindest von der Konkurrenz gemacht. Im Sommer übersiedeln Verteidiger-Talent Niklas Süle und Mittelfeldspieler Sebastian Rudy nach München. Denn zumindest Bayerns Einkaufstouren bei der Liga-Konkurrenz haben Tradition.