Kritik an der Bundesliga: "Diese Reform schadet der Entwicklung"
Patrick Salomon erinnert sich. „Ich hab’ zwei Jahre lang jeden Tag bis 2 Uhr früh Playstation gespielt, bin um 11 Uhr aufgestanden, um 15 Uhr war Training.“ Das alles, nachdem er als 20-Jähriger bei Austria Lustenau seinen ersten Profivertrag unterschrieben hat. „Irgendwann kommst du drauf, dass es so nicht weitergeht. Dass du, wenn du über einen längeren Zeitraum Fußballprofi sein darfst, so viel Zeit hast, die du nicht vergeuden darfst.“
Also hat der Wiener mit seinem ersten Fernstudium begonnen, während er für die Austria, Altach und Mattersburg mittlerweile mehr als 130 Bundesligaspiele absolviert hat. Dem Lehrgang Sportjournalismus folgte jener zum Fußball-Manager an der IST-Hochschule Düsseldorf. Im Management-Bereich sieht sich der 30-Jährige auch nach seiner Karriere. Gedanken über den österreichischen Fußball und seine Entwicklung macht er sich schon heute.
KURIER: Warum läuft es in Mattersburg derzeit gut?
Patrick Salomon: Dafür zahl’ ich gern fünf Euro ins Phrasenschwein: Wir haben es im Gegensatz zum Herbst wirklich geschafft, dass wir eine Mannschaft sind, die an einem Strang zieht. Im Herbst noch haben bei einem Fehlpass sieben Spieler eine abwertende Gestik gemacht. Es gab viele Schuldzuweisungen. Wir haben viel in diese Richtung getan, viele Gespräche geführt. Bei kleinen Klubs wie Mattersburg ist das Teamgefüge umso wichtiger.
Mattersburg war knapp dran, noch den Sprung in die Meistergruppe zu schaffen. Wie lebt es sich in der Qualifikationsgruppe?
Ich muss dazu sagen, ich seh’ die Ligareform sehr kritisch. Ich will nicht sagen, die Bundesliga hat sich nichts dabei überlegt, aber dieses Format schadet der Entwicklung. Ich habe eher das Gefühl, man geht ins Jahr 1997 retour, als ein Sieg nur zwei Punkte wert war. Die Punkte, die man jetzt geholt hat, sind auch nur noch die Hälfte wert. Und jetzt ist es so, dass sich vor allem die Vereine der Qualifikationsgruppe überhaupt nicht auf die nächste Saison vorbereiten können. Dazu kommt, dass sich nicht wirklich wer auskennt. Was ist der vierte, was der fünfte Platz wert? Wenn Rapid Cupsieger wird, bekommt der Achte noch die Chance auf die Europa League. Aber ehrlich: Ein Achtplatzierter hat sich das nicht verdient.
Sie sagen, das Format schadet der Entwicklung. Können Sie das konkretisieren?
Ich denke, wenn man so eine Reform startet, dann muss es Vorteile bringen. Die sehe ich nicht. Man hat zwar nach dem Grunddurchgang einen steigenden Zuschauerschnitt verkündet. Ob das nach der Saison auch so sein wird, wage ich aber zu bezweifeln. In der Qualifikationsgruppe sind die Stadien leerer, obwohl das Wetter besser wird. Und nicht zuletzt leidet die Qualität des Fußballs darunter, weil viele Angst haben, abzusteigen und deshalb das Wesentliche vergessen.
Und das wäre?
Fußball zu spielen. Es wird versucht, mit hohen Bällen, Kampf und Krampf auf Biegen und Brechen Punkte zu holen. Wer will sich denn das ansehen? Das beste Beispiel dafür ist Hartberg, die jetzt in der Qualifikationsgruppe plötzlich mit hohen Bällen versuchen, 50 Meter zu überbrücken und auf die zweiten Bälle zu gehen. Ich glaube nicht, dass das grundsätzlich im Sinne ihres Trainers Markus Schopp ist, wenn man sich erinnert, wie erfrischend sie im Herbst als Aufsteiger Fußball gespielt haben. Oder Altach. Als wir vor zwei Wochen mit Mattersburg gegen sie gespielt haben, ist jeder Ball, den sie gewonnen haben, hoch nach vorne geschlagen worden.
Leidet darunter die Entwicklung der Spieler?
Natürlich. Wir hatten mit Mattersburg vor der Punkteteilung etwa zwölf Punkte Vorsprung auf den Letzten. Diesen Polster hätten wir dazu nützen können, unser Spiel zu verbessern. Das geht jetzt nicht. Generell ist es jetzt so, dass keiner im Spielaufbau ein Dribbling oder einen Fehlpass riskieren will. Darunter leidet die Qualität der Spiele, der einzelnen Spieler und unterm Strich die Entwicklung des österreichischen Fußballs.
Welche Maßnahmen könnten diese Entwicklung vorantreiben?
Mein Vorschlag wäre, sich am amerikanischen Weg zu orientieren. Dass man zum Beispiel für 2025 eine Liga mit zehn Klubs ausschreibt, in der alle hohe Standards erfüllen müssen. Etwa ein Top-Stadion, wo mindestens 10.000 Sitzplätze überdacht sind. Man hätte einige Jahre Zeit, um mittels Investoren und Sponsoren die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Wem das gelingt, der spielt mit. So könnte man auch Traditionsklubs wie dem GAK, Austria Salzburg oder dem Wiener Sport-Club die Perspektive bieten, wieder ganz oben dabei zu sein, wenn sie innerhalb von fünf Jahren die Rahmenbedingungen schaffen.
Sie sagen, wer die Rahmenbedingungen erfüllt, darf mitspielen. Meinen Sie eine geschlossene Liga ohne Absteiger?
Ja. Sportlichen Anreiz gibt es ja nach wie vor durch den Meistertitel und die internationalen Startplätze. Geschlossen heißt aber nicht, dass es keine Aufsteiger, bzw. neue Klubs geben kann. Wenn mehr Klubs die Standards erfüllen, kann man von zehn auf zwölf oder 14 erweitern. Nicht absteigen zu können, löst jedenfalls Verkrampfungen. Bei den Spielern wie bei den Funktionären. Ein Abstieg in die neue 2. Liga ist wirtschaftlich verheerend. Ohne Abstiegsangst könnte ein Klub, wenn er nach drei Vierteln der Saison nicht mehr die Chance hat, oben mitzuspielen, für die nächste Saison Entwicklungsarbeit leisten und auch mehr junge Spieler einsetzen. Darüber hinaus fände ich persönlich eine Gehaltsobergrenze sinnvoll.
Da wäre Österreich das erste Land in Europa.
Für ein kleines Ausbildungsland wäre das aber sinnvoll. Im Zuge dessen könnte man wie in der Major League Soccer zwei bis drei Spieler pro Team holen, die mehr verdienen dürfen. Dadurch könnte man den einen oder anderen Zuschauermagneten verpflichten.
Glauben Sie, dass der amerikanische Fußball durch sein Liga-Format den entscheidenden Schritt machen wird, um gegenüber Europa aufzuholen? Ist es möglich, dass die MLS das sportliche Niveau einer NBA oder NFL erreichen wird?
Ich bin kein Hellseher, aber die Entwicklung, die sie in den letzten 20 Jahren gemacht haben, ist eine große. Stadien und Zuschauerzahlen sind top. Und ich denke, dass in der MLS mittlerweile auch ein sehr ansehnlicher Fußball gespielt wird.
In dieser Bundesliga-Saison gab es bereits acht Trainerwechsel. Auch eine Folge der Liga-Reform?
Auf alle Fälle. Die können ihr Spiel gar nicht durchziehen, werden vom Verein schnell unter Druck gesetzt, wenn sie etwa nicht unter den Top-6 sind. Dafür haben sie 22 Runden Zeit, das ist wenig. Die Trainer werden zu schnell ausgetauscht, ich habe auch schon viele Entlassungen miterlebt. Das ist nicht schön, wenn ein erwachsener Mann vor 25 Spielern steht und sich verabschieden muss. Und die 25 Spieler in dem Moment wissen, dass sie selbst auch dazu beigetragen haben.