Koller: "Schön spielen genügt nicht"
KURIER: Warum haben Sie sich gerade die Deutschen angeschaut?
Marcel Koller: Weil sie in der WM-Qualifikation unser erster Gegner sind. Gegen Schweden und Irland spielen wir erst nächstes Jahr, bei denen wird sich noch einiges ändern, und wir werden noch genug Möglichkeiten haben, sie zu sehen.
Und wie haben Sie die Deutschen erlebt?
Sie sind erfahren, abgeklärt, ruhig und hören nicht auf, konsequent zu spielen.
Haben Sie auch Schwächen gesehen?
Ich weiß, wie man spielen muss, um sie zu ärgern. Aber können wir das im September dann auch so umsetzen? Wenn wir nicht konsequent spielen, werden das die Deutschen ausnutzen.
Wäre die eher defensive Spielanlage von Dänemark bei deren 1:2-Niederlage ein Vorbild?
Gerade in diesem Spiel habe ich das eine oder andere gesehen. Die Dänen haben ein Tor gemacht, obwohl sie nicht so konsequent nach vorne gespielt haben. Wenn du knapp vorm eigenen Tor stehst, dann ist der Weg zum gegnerischen weit. Und auf 90 Meter gibt es viele Chancen, den Ball zu verlieren.
Könnte sich Österreich einen Stürmer wie Gomez leisten, der wenig für die Mannschaft arbeitet?
Man unterschätzt das. Auch Gomez ist viel unterwegs. Aber wenn sich der Gegner am Strafraum formiert, gibt es nicht viele Räume, man hat nicht viel Platz, um unterwegs zu sein.
Welcher Deutsche hat Ihnen besonders imponiert?
Özil. Er hat Ruhe, ist am Ball sicher, macht kaum Abspielfehler. Der hat eine Leichtigkeit im Spiel. Und in der Offensive läuft sehr viel über ihn.
Wird bei den Iren und Schweden eher Frust herrschen? Oder Trotz, wie bei Ibrahimovic, der weiter im Team spielen will?
Iren und Schweden sind Naturburschen. Die werden sich fangen und das wieder wegstecken. Und wir sind ja nicht davon ausgegangen, dass nach der EM zehn Spieler ihre Karrieren beenden.
Die Iren haben aber bei der EM nicht überzeugt.
Sie sind ein bisschen überrascht worden. Man muss aber stets hellwach sein. Die Iren sind technisch vielleicht nicht so stark wie andere Teams. Aber sie haben Leidenschaft und Intensität. In Irland wird es sehr schwierig, da musst du dagegenhalten und Fußball spielen. Und diese Kombination über 90 Minuten halten.
Österreich hat die Ukraine geschlagen. Die Ukraine hat Schweden geschlagen. Also gewinnt Österreich gegen Schweden?
Das kann man so nicht hochrechnen. Die Schweden sind defensiv sehr diszipliniert. Und die Ukrainer haben im nächsten Spiel gegen Frankreich nicht die Geduld gehabt, ihren Stil durchzuziehen.
Haben Sie noch Geduld mit Ihrer Mannschaft?
Natürlich. Die Jungs sind in Seefeld nach einer langen Saison toll mitgezogen. Die Arbeit hat sehr viel Spaß gemacht.
Und haben Sie bei der EM etwas gesehen, weshalb Sie Ihre Spielphilosophie ändern würden?
Nein. Aber wir müssen unseren Stil erst noch umsetzen. Wir können uns fußballerisch, mental und physisch immer noch steigern. Gegen die Ukraine und Rumänien war je eine Halbzeit okay. Wir müssen das aber 90 Minuten durchziehen und volle Pulle gehen.
Schweden und Irland sind schon nach zwei Spielen ausgeschieden. Sind sie nicht so stark wie angenommen? Oder wurden Sie unterm Wert geschlagen?
Ich glaube, eher unterm Wert. Wir brauchen gegen die beiden Mannschaften nicht überheblich sein. Wir sind in der Weltrangliste auf Platz 58 und sie auf 17 und 18. Wir brauchen uns aber auch nicht klein machen und wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren. Ich wehre mich jedoch gegen die Annahme, dass wir schon sicher den zweiten Platz in der Gruppe haben.
Aber vielleicht wird Österreich gar Erster?
Dafür genügt es nicht schön zu spielen. Österreich hat das daheim gegen Deutschland gemacht. Aber da muss zumindest ein Punkt her. Kroatien hat gegen Spanien auch schön gespielt und muss heimfahren.