Stöger: "Habe inständig gehofft, dass das aufgeht"
Von Christoph Geiler
Der Peter ist einer von uns.“ Und das aus dem Munde eines echten Kölners. Bei den Fans, die den 1.FC Köln ins Trainingslager nach Kitzbühel begleitet haben, genießt Peter Stöger ein hohes Ansehen. Nicht nur, weil der Traditionsverein sportlich auf Kurs ist, sondern vor allem weil der Wiener Trainer die Kölner Bräuche und das Vereinsmotto beherzigt. „Spürbar anders.“
KURIER: Herr Stöger, warum kommen Sie in Köln so gut an?
Peter Stöger: Wären wir letztes Jahr nicht aufgestiegen und hätten wir heuer nicht die Klasse gehalten, würde das sicher anders aussehen. Wir haben in den beiden Jahren unsere sportlichen Ziele erreicht, und wir, damit meine ich die Geschäftsführung und das Präsidium, haben auch noch Ruhe in den Verein herein gebracht. Dafür gibt es eine gewisse Wertschätzung. Und du musst die Fans mit ins Boot holen, das ist in einer Stadt wie Köln wichtig.
Was meinen Sie damit?
Wir sind kein abgehobener Haufen, sondern ein Verein zum Angreifen. Wir finden’s cool, wenn die Leute da sind und zu uns ins Trainingslager kommen. Und dementsprechend volksnah und natürlich versuchen wir uns auch zu geben. Das kommt gut an, weil die Leute schon merken, dass das nicht gespielt, sondern ehrlich ist.
Deshalb kann man Sie auch mit Narrenkappe und beim Karnevalsumzug sehen?
Das haben wir vor zwei Jahren so entschieden, dass wir ganz fix am Karneval teilnehmen. Und zwar völlig unabhängig davon, wie es gerade sportlich läuft. Ich halte nichts davon, nur dann zum Karneval zu gehen, wenn man erfolgreich ist. Der Karneval ist hier in der Stadt genauso eine Institution wie der 1.FC Köln, und die Leute, die den Karneval ausleben, sind zum Großteil auch FC-Fans, und das sollte man deshalb auch nicht trennen.
"Die Verantwortlichen sind ein ziemliches Risiko eingegangen"
Sie haben in einem Interview gesagt, dass die Kölner Vereinsführung mit Ihrer Verpflichtung ein großes Risiko eingegangen wäre. Inwiefern?
Erstens einmal habe ich relativ viel Ablöse gekostet. Das ist schon einmal eher unüblich, dass man für einen Trainer Ablöse zahlt – noch dazu für einen österreichischen Trainer, der nicht einmal Bundesligaerfahrung vorweisen kann. Da sind die Verantwortlichen deshalb schon ein ziemliches Risiko eingegangen. Das war für mich daher zu Beginn auch nicht einfach. Ich habe inständig gehofft, dass es funktioniert und alles so aufgeht.
Darum ging es mir gar nicht. Für mich persönlich war das Risiko relativ gering, es war vor mir sowieso schon ewige Zeit kein österreichischer Trainer mehr in Deutschland. Hätte es nicht funktioniert, dann hätte es geheißen: ,Ja meine Güte, es hat halt nicht geklappt.’ Aber für die Kölner Vereinsführung wär’s dann richtig hart geworden. Das habe ich am Anfang schon einige Zeit mitgeschleppt. Ich bin froh, dass sie sich nicht dafür rechtfertigen müssen, warum sie mich damals geholt haben.
Jetzt gehen Sie schon in Ihre dritte Saison. Seit einem Vierteljahrhundert (Anm. Christoph Daum 1986 bis 1990) war kein Köln-Trainer länger als drei Jahre im Amt.
Eine dritte Vorbereitung mit der Mannschaft zu machen ist jetzt schon ein Zeichen, dass man mit unserer Arbeit zufrieden. Natürlich haben wir unsere Zielsetzungen erreicht, aber es geht dazu auch einigermaßen unaufgeregt und sachlich zu und wir versuchen immer die Probleme gemeinsam zu lösen. Möglicherweise war das früher in Köln nicht immer der Fall und man hat sich von der Öffentlichkeit und den Medien ein wenig treiben lassen. Vor allem in der Führungsebene sind jetzt keine Leute, die sich durch die Stadt jagen lassen, nur wenn einmal zwei Spiele verloren gehen .
Das macht das Arbeiten für Sie wahrscheinlich angenehmer?
Man braucht jedenfalls keine Angst vor Aktionismus haben. Klar werden wir an Ergebnissen gemessen. Und wenn die ausbleiben, dann kriegst du Probleme. Aber ich habe zumindest die Sicherheit, dass ich aus allen Ecken die Unterstützung kriege, wenn es einmal schwieriger wird. Jeder im Verein weiß, dass wir eine längerfristige Planung haben und noch am Anfang der Entwicklung stehen. Wir haben eine junge Mannschaft, die noch viel lernen muss.
"Wir haben gegen 15 der 17 Bundesligisten gepunktet"
Apropos Lernen. Sie mussten in der vergangenen Saison auch lernen mit Kritik umzugehen. Zu viele torlose Unentschieden, zu wenig Treffer – hat Sie dieser Gegenwind überrascht?
Das hat mich vor allem einmal sehr gestört. Da geht’s weniger um mich, ich halte das schon aus und fühle mich deshalb nicht persönlich gekränkt. Aber diese Kritik war für mich eine fehlende Wertschätzung meiner Spieler.
Was hat Sie so geärgert?
Wir waren nie auf einem Abstiegsplatz, wir haben nie die Verletzungen thematisiert oder auf Fehlentscheidungen der Schiedsrichter hingewiesen. Viele hätten das als Alibi genommen, aber wir jammern nicht. Meiner Meinung nach sind viele Sachen in der Beurteilung untergegangen. Wir haben im Frühjahr kein Heimspiel verloren – das hat’s lang nicht mehr gegeben. Wir haben gegen 15 der 17 Konkurrenten gepunktet, nur gegen die Bayern und Freiburg nicht. Wir haben neun Mal 0:0 gespielt, dafür braucht man sich als Aufsteiger nicht schämen. Aber das ist alles irgendwie auf der Strecke geblieben. Dass es dann gleich einmal heißt, ich wäre dünnhäutig geworden, okay, das sollen manche so sehen. Aber ich verteidige nur meine Jungs gegen falsche Bewertungen.
Wird das zweite Jahr jetzt wirklich schwieriger oder halten Sie nichts von dieser Fußballphrase?
Ich habe immer gesagt, dass das erste Jahre das Schwierigste ist. Weil wir da nicht genau wissen, wo wir stehen und die Bundesliga für viele Spieler Neuland ist. Jetzt haben wir gesehen, dass wir uns durchsetzen können. Und wir gehen auch davon aus, dass wir unsere Lehren und die richtigen Schlüsse gezogen haben. Wenn wir das also richtig umsetzen, dann werden wir auch eine gute Saison spielen.
Trotzdem bleibt das Ziel der Klassenerhalt, oder?
Diese Liga ist so ausgeglichen, man darf sich nie zu sicher sein. Ich meine aber: wenn wir unsere konsequente Arbeit fortsetzen und wenn wir nicht wahnsinnig viel Pech haben, dann werden wir auch in dieser Saison die Liga halten. Und das wäre wieder ein Schritt vorwärts. Die Fans wissen, dass wir junge Spieler entwickeln wollen, und dass wir wir keine Stars einkaufen. Und das dauert eben seine Zeit.
Sie haben im Sommer Philipp Hosiner verpflichtet, nachdem im Winter der Wechsel wegen seiner Erkrankung geplatzt war. Waren Sie ihm den Transfer schuldig?
Das hat mit dem überhaupt nichts zu tun. Für uns war wichtig, dass er wieder gesund ist. Und das ist er, und dann war uns auch klar, dass wir ihn holen wollen. Das ist jetzt keine Hollywood-Story, dass wir ihm eine Chance geben. Auch er wird an Leistung gemessen. Da ist keine Sekunde daran verschwendet worden zu denken: ,Sollten wir den jetzt holen, weil es sich gehört oder weil es eine schöne Geschichte ist oder wir ihm gegenüber verpflichtet sind. ’
"Der große Prophet wird nicht aus Österreich daher kommen"
Wie sieht’s denn generell mit dem Standing der Österreicher in Deutschland aus. Von Ihnen stammt die Aussage: Einem österreichischen Trainer kauft man nicht so schnell ab, dass er was kann?
Es ist doch klar. Du kannst als österreichischer Trainer nicht mit den großen Sprüchen daher kommen. Weil du natürlich auch nicht viele internationalen Erfolge vorweisen kannst. Dazu kommt, dass es relativ schwierig ist, hier in den Medien etwas über den österreichischen Fußball zu erfahren. Der Ottonormalverbraucher hat praktisch keine Informationen.
Und möglicherweise ein falsches Bild über den österreichischen Fußball?
Er hat, glaube ich, kaum ein Bild. Und man darf jetzt auch nicht gekränkt sein, wenn es nach der Europacup-Auslosung heißt: ,Gott sei Dank Wolfsberg und nicht Wolfsburg.’ Natürlich ist es so, dass die Vereine am Spielersektor unterwegs sind und die Österreicher beobachten. Als Trainer hast du es schon ein Stück weg schwieriger. Nicht dass ich das Gefühl gehabt hätte, dass man es mir nicht zutraut, aber du musst dann schon Leistung bringen. Weil eines ist auch klar: der große Prophet wird nicht aus Österreich nach Deutschland kommen. Was mich persönlich aber betrifft: es ist mittlerweile schon so, dass ich eine hohe Wertschätzung genieße. Das spüre ich auch in der Stadt, ich fühl’ mich überhaupt in Köln sehr wohl und bin eigentlich fast nie mehr in Wien.
Wie ist denn das Leben als öffentliche Person?
Unbemerkt bleibe ich jedenfalls nie. Wenn du ausgehst, dann hast du keine Ruhe. Aber ich habe das Gefühl, dass es bei den Leuten gut ankommt, dass ich greifbar und sichtbar bin und mich nicht verstecke. Ich akzeptiere es, dass die Leute dann Selfies machen wollen. Mein Gott, das kostet mich vielleicht vier Sekunden, aber der Fan freut sich den ganzen Abend, dass er ein Foto mit dem Köln-Trainer hat.
Als Trainer ein Himmelsstürmer