WM-Teilnehmer, Teil 8: Iran und die Frauen ohne Kick
Einige Aktivistinnen von „Open Stadiums“ planen eine Reise nach Russland, um das iranische Team anzufeuern. „Das wird zwar eine sehr teure Reise. Aber die WM ist der beste Zeitpunkt, um uns Aufmerksamkeit zu verschaffen“, sagte die iranische Journalistin und Frauenaktivisten Niloofar Hamedi der deutschen Tageszeitung taz. Frauenrechtlerinnen nutzen die WM, um darauf aufmerksam zu machen, dass es ihnen im Iran verboten ist, zu Fußballspielen ins Stadion zu gehen.
Vor zwei Wochen erregte ein Foto in den sozialen Netzwerken Aufmerksamkeit. Fünf junge Frauen waren darauf zu sehen, die mit aufgeklebten Bärten auf der Tribüne eines Fußballstadions saßen. Sie schauten sich das letzte Spiel des feststehenden Meisters Persepolis Teheran gegen Sepidrood (trainiert vom Ex-Bayern Ali Karimi) aus der Stadt Rasht am Kaspischen Meer an. „Das darf aber nicht die Lösung sein, Frauen müssen auch als Frauen erkennbar ins Stadion dürfen“, sagte Hamedi.
Einzigartig
Die Bilder und Videos entstanden im Stadion mit dem Namen Azadi – übersetzt Freiheit. Die gibt es für Frauen im iranischen Fußball nicht. Denn der Iran ist das einzige Teilnehmerland der Fußball-WM, in dem Frauen keine Fußballspiele mit Männern im Stadion sehen dürfen. Sogar in Saudi-Arabien durften erstmals in der Geschichte das Landes Anfang 2018 bei einem Fußballspiel offiziell Frauen ins Stadion.
Am 5. September letzten Jahres spielte der Iran im Azadi-Stadion das WM-Qualifikationsspiel gegen Syrien (2:2). Dort sah man Frauen im Stadion: syrische, keine iranischen. Internationale Regeln verpflichten das Gastgeberland, allen Fans der Gästemannschaft den Zugang ins Stadion zu gewähren. Das gilt für Frauen, das gilt auch für den Iran. Das gilt aber nicht für iranische Frauen. Einige hatte online Tickets erworben. Und ihnen wurde wie gewohnt der Eintritt verweigert.
Das Stadion blieb jedoch nicht komplett ohne iranische Zuschauerinnen. Drei Parlamentarierinnen waren vom Sportministerium zum Spiel eingeladen worden. Die Abgeordnete Parvaneh Salahshouri hatte die Einladung aus Solidarität aber abgelehnt: „So lange sich die Frauen meines Landes für den Zutritt ins Stadion wie Männer verkleiden müssen, möchte ich als ihre Vertreterin nicht mit einer Sondergenehmigung an Sportevents teilnehmen“, zitierte Eghtesad News die reformistische Politikerin.
Kurz nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 wurde Frauen der Zutritt zu vielen Sportveranstaltungen mit absurden Begründungen untersagt. Diese dürften nicht der vulgären Stimmung im Stadion ausgesetzt werden. Und ohnehin sei das Risiko für Belästigungen an solchen Orten viel zu hoch. Die Lösung gegen Männergewalt: Frauen aussperren.
Hamedi begleitete im März 35 Frauen auf dem Weg zum Teheraner Lokalderby zwischen Esteghlal und Persepolis ins Azadi-Stadion. Diese wurden jedoch vor dem Stadioneingang von der Polizei festgehalten und erst nach dem Spiel wieder freigelassen.
Keine Probleme beim Einlass hatte damals der anwesende FIFA-Präsident Gianni Infantino. „Fußball schauen ist unser Recht. Wir brauchen eine Garantie, dass das Verbot abgeschafft wird“, rief Hamedi ihm zu. Infantino reagierte nicht und äußerte sich dort auch nicht öffentlich zum Verbot.
Das Stadionverbot macht auch vor Shohreh Mousavi nicht halt. Die 51-Jährige ist seit vergangenem Jahr Chefin des Zweitligisten FC Baadran Teheran und damit die einzige Frau an der Spitze eines iranischen Klubs. Für Mousavi wurde im VIP-Bereich des Kargar-Stadions extra ein Bereich geschaffen, der mit dunklen Scheiben abgetrennt ist. Aber das reicht nicht immer: „Ich wurde mehrmals von Sicherheitsbeamten aus unserem eigenen Stadion hinausgeschmissen“, sagte sie der iranischen Nachrichtenagentur Isna.
Das Eintrittsverbot für iranische Frauen bei Wettkämpfen bestimmter Sportarten sorgt aber schon seit Langem für Diskussionen. Der international bekannte Regisseur Jafar Panahi behandelte das Thema bereits 2006 in seinem Film „Offside“, der im Iran verboten wurde. Der Film erzählt die Geschichte einiger Frauen und Mädchen, die sich während der Qualifikationsspiele zur Fußball-WM 2006 als Jungen verkleiden, um ins Stadion zu gelangen. Sie werden entdeckt und verhaftet.
Frau Referee zensiert
Frauen und Fußball im Iran, das ist ein heikles Thema für die Sittenwächter. Letztes Wochenende bei der Übertragung des Spiels zwischen dem 1. FC Köln und Bayern München wurde Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus im iranischen Fernsehen zensiert, sie war nur in der Totalen zu erahnen. Sobald eine Großaufnahme von ihr zu sehen sein sollte, schaltete die Regie auf die Zuschauer um.