Der EURO-Traum ist endlich wahr
Um exakt 22.37 Uhr war es vollbracht. Da kannte der Jubel keine Grenzen. Österreich nimmt an der EURO 2016 in Frankreich teil. Teamchef Marcel Koller, der sonst so zurückhaltende Schweizer, riss die Hände in die Höhe, schrie laut und busselte seinen Betreuerstab ab, danach lief er zu seinen Spielern und umarmte jeden einzelnen innigst.
Die Österreicher schlugen in der Friends Arena zu Stockholm vor den Augen von Bundeskanzler Werner Faymann Schweden 4:1 und stellten die Theorie endgültig ins Abseits. Ausgerechnet im ABBA-Land jubelten die Österreicher frei nach dem Motto: The Winner takes it all. Mit dem siebten Pflichtspiel-Sieg in Folge, das gab es noch nie in der österreichischen Fußball-Geschichte.
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Österreichs großartiger Sieg in Bildern:
Traumstart
Und so kam es dazu: Koller vertraute derselben Startelf wie beim 1:0 über Moldawien. Und die wurde von 2200 Fans lautstark angetrieben. Die Schweden, bei denen Superstar Ibrahimovic rechtzeitig fit geworden war, versuchten von Beginn an Druck aufzubauen, standen sie doch tabellarisch unter Druck.
Das erste Highlight fand aber auf der anderen Seite statt. Junuzovic wurde nach einem schnellen Einwurf von Klein im Strafraum von Källström gefoult, Alaba behielt die Nerven und schupfte den Elfmeter eiskalt zum 1:0 ins Netz (9.). Besser hätte das Spiel nicht beginnen können. Es ging aber Schlag auf Schlag, Goalie Almer fischte wenig später einen Ibrahimovic-Freistoß aus dem Kreuzeck.
Die Österreicher versuchten die Schweden früh, vor allem deren Innenverteidiger, zu attackieren. Mit Erfolg. Vor allem Janko und Granqvist lieferten einander packende Duelle. Nach 15 Minuten hallte es aus dem Österreich-Sektor: "Frankreich, wir kommen." Doch plötzlich stand wieder dieser Ibrahimovic allein, Klein rettete in höchster Not. Wenig später verfehlte Ibrahimovic mit einem Freistoß nur um Zentimeter den Ausgleich. Das Spiel entwickelte sich zu einem sehenswerten Schlagabtausch.
Pure Effizienz
Bei Österreich funktionierte vor allem das Umschalten in die Offensive sehr gut, in der Defensive hatte man Hochbetrieb, weil die Schweden nicht locker ließen und den Ton angaben. Die Musik machten in der 38. Minute aber wieder die Österreicher: Janko verlängerte einen Einwurf von Fuchs auf Harnik, der auf 2:0 stellte. Zwei Outeinwürfe, zwei Tore. Das Koller-Team glänzte mit nahezu maximaler Effizienz. Denn Arnautovic und Harnik hatten noch vor der Pause Top-Chancen auf das 3:0.
Schweden riskierte nach dem Wechsel alles. Musste es auch. Österreich hielt mit viel Kampfgeist und dem Selbstvertrauen des Gruppenersten dagegen. Einen Schuss von Alaba parierte Isaksson stark (58.). Umgekehrt auch Almer sensationell gegen Berg (63.).
Schaulaufen
Dann lief den Schweden die Zeit davon, sie brauchten unbedingt einen Sieg, um auf EM-Kurs zu bleiben. Ob dieses Wissens behielten die Österreicher, im Gegensatz zum November 2011, die Nerven und spielten ihre mittlerweile gewonnene Reife voll aus. In der Friends Arena senkte sich der Lärmpegel, dafür waren die rot-weiß-roten Fans umso größere Schreihälse. Vor allem beim 3:0 durch Janko (76.). Und bei weiteren Paraden des überragenden Almer. Und beim 4:0 durch Harnik (89.). Das 1:4 durch Ibrahimovic in der Nachspielzeit ließ sie kalt. Weil nach dem Schlusspfiff wurde ausgelassen gefeiert.
Solna, Friends Arena, 48.355, SR Carlos Velasco Carballo ( ESP)
Tore: 0:1 ( 9.) Alaba (Elfmeter) 0:2 (38.) Harnik 0:3 (76.) Janko 0:4 (88.) Harnik 1:4 (91.) Ibrahimovic
Schweden: Isaksson - S. Larsson, Antonsson, Granqvist, M. Olsson (82. Durmaz) - Zengin (62. Kiese Thelin), Ekdal (86. Khalili), Källström, Forsberg - Berg, Ibrahimovic
Österreich: Almer - Klein, Prödl, Dragovic, Fuchs - Baumgartlinger, Alaba - Harnik, Junuzovic (80. Sabitzer), Arnautovic (88. Jantscher) - Janko (84. Ilsanker)
Gelbe Karten: Granqvist bzw. Junuzovic, Janko
Marcel Koller (ÖFB-Teamchef): "Herzlichen Dank an das Betreuerteam, was die geleistet haben, die letzten Tage war unglaublich. Und natürlich vorneweg an die Spieler, die hervorragend zusammen gefunden haben; die bereit sind, sich den Hintern aufzureißen und weite Wege zurückzulegen. Wir freuen uns ungemein. Jetzt können wir sagen: 'Frankreich, wir kommen'. Vorher waren wir immer noch etwas abhängig von anderen. Großartig, dass wir das auswärts in Schweden so hinbekommen haben. 4:1 - Wahnsinn! Herzlich Dank auch zu Hause an die Fans. Wir freuen uns natürlich im Team, dass wir dem österreichischen Fußball, dem österreichischen Fan etwas zurückgeben können."
David Alaba (Torschütze Österreich): "Es ist schon etwas Besonderes, wenn man Geschichte schreibt. Wir haben heute wieder gezeigt, dass wir eine tolle Mannschaft sind und verdient nach Frankreich fahren. Der Sieg hätte noch höher ausfallen können. Wir sind überglücklich, dass wir uns unseren Traum erfüllt haben. Man kann es noch nicht so richtig realisieren. Die Fans waren heute überragend. Man schläft ja generell nicht so gut nach einem Match, aber heute wird noch weniger geschlafen."
Marko Arnautovic (Mittelfeldspieler Österreich): "Ich denke, wir schreiben Geschichte damit. Es hat keiner gedacht, dass wir nach Schweden kommen und vier Tore schießen, so ein Resultat schaffen. Wir sind einfach eine Familie, das ist das Wichtigste. Es ist unbeschreiblich, das ist ein Wahnsinns-Gefühl. Das Ergebnis war heute unglaublich."
Zlatko Junuzovic (Mittelfeldspieler Österreich): "Einfach phänomenal! Der ganze Tag, wie wir hier aufgetreten sind, mit den Fans im Rücken.... Wir haben genau das, was wir uns vorgenommen haben, perfekt umgesetzt. Wir haben extrem verdient gewonnen. So einen Tag wird man nie vergessen. Wir haben sehr viel Erfahrung durch die Vergangenheit mitgenommen. Was vor zwei Jahren schiefgelaufen ist, war heute besser."
Robert Almer (Torhüter Österreich): "Dafür haben wir lange gearbeitet und sehr viel geopfert. Dass es so klar wird, damit konnten wir nicht rechnen. Aber das zeigt die Qualität, die wir in der Mannschaft haben. Im Spiel ist man so fokussiert, dass man es nicht mitkriegt. Man versucht einfach, die Bälle zu halten."
Marc Janko (Torschütze Österreich): "Es ist unbeschreiblich, was heute wieder los war. Wenn man sich die rot-weiß-rote Wand (Anm.: an Fans) anschaut, das ist schon unglaublich. Wir haben hochverdient gewonnen. Schweden zu Hause ist eine sehr heimstarke Mannschaft. Aber wir sind mittlerweile soweit, dass wir an unsere Stärken glauben. Großes Kompliment an unsere Mannschaft."
Christian Fuchs (Kapitän Österreich): "Es überwiegt momentan einfach die Freude über die Qualifikation. Wir haben solange daraufhin gearbeitet. Es ist einfach richtig geil und super. Jetzt können wir es auch sagen, wir sind qualifiziert."
Zlatan Ibrahimovic (Schweden-Superstar): "Gratulation an die Österreicher, sie waren die bessere Mannschaft."
Werner Faymann (Bundeskanzler): "Es ist ein wahnsinnig toller Tag, ich bin extrem stolz auf diese Mannschaft und auch auf die Fans. Zeitweise hat man geglaubt, wir haben ein Heimspiel. Da ist es etwas Großartiges entstanden, das uns alle viel Freude bereitet."
Leo Windtner (ÖFB-Präsident): "Mit dieser Qualifikation sind wir die Sensation in Europa, diese Mannschaft hat Geschichte geschrieben."
Gerald Klug (Sportminister): "Wir haben heute eine Sternstunde des österreichischen Fußballs erlebt! Unser Team hat mit diesem sensationellen Sieg die hohen Erwartungen noch weit übertroffen. Es war für alle Fußballfans beeindruckend, wie souverän und mannschaftlich geschlossen unsere rot-weiß-rote Elf auch heute agiert hat und sich dadurch völlig zurecht die vorzeitige Endrundenqualifikation und den Gruppensieg sichern konnte. Ich gratuliere allen Akteuren, Teamchef Marcel Koller, dem gesamten Betreuerstab und allen andern Verantwortlichen im ÖFB zu diesem großartigen Erfolg, der ganz Fußball-Österreich stolz macht!"
Herbert Prohaska (Ex-Teamchef, der die bisher letzte Qualifikation für Frankreich 1998 geschafft hat, und ORF-Experte): "Großartig, ich bin begeistert. Weil es auch in dieser Höhe verdient ist. Sie hätten auch, fünf, sechs, sieben Tore machen können. Ich bin ein ganz, ganz großer Fan dieser Mannschaft. Diese ganze Qualifikation war eine Reifeprüfung. Wenn wir weniger gut spielen, gewinnen wir auch, wenn wir gut spielen sowieso. In dieser Mannschaft hat sich jeder super entwickelt, und das ist die Belohnung dafür."