Frankreich als Nr. 1 der Statistiker, Österreich im Achtelfinale
Von Alexander Huber
Wer wird Europameister? Für die Buchmacher sind Frankreich und England die großen Favoriten. Das sieht auch eine Expertengruppe aus mehreren Universitäten in Österreich, Deutschland und Luxemburg so. Die Simulationen mit „mehreren komplexen statistischen Modellen“ und 100.000 Durchläufen sieht Österreichs Auftaktgegner als Titelfavorit Nr. 1, knapp vor den Engländern.
Einen anderen Zugang verfolgt Lorenz Gilch von der Uni Passau. Der Bayer setzt auf das Elo-Rating, das Stärken wie Schwächen der 24 Starter aus den vergangenen sechs Jahren genauer unterteilt – und dementsprechend England nicht unter die Top-Favoriten reiht, während die Franzosen auch bei Gilch führen.
Einig sind alle Statistiker, dass heuer so viele Teilnehmer wie noch nie tatsächliche Chancen auf den Titel haben.
Konkret kommt Frankreich in Gilchs Modell auf eine Titelwahrscheinlichkeit von 16,1 Prozent, gefolgt von Portugal (12,8 %), Spanien (12,4 %), Belgien (10,1 %) und Niederlande (10,0 %).
England überbewertet?
Interessanterweise folgen erst dann drei der größten Fußball-Nationen: England (8,3 %), Italien (5,0 %) und – wohl durch die vielen Enttäuschungen der vergangenen Jahre – Deutschland mit nur 4,7 %.
Zum Vergleich: Vor der WM 2018 sah Gilch noch eine Chance von 31 Prozent, dass die Deutschen wieder Weltmeister werden. Tatsächlich scheiterte das DFB-Team damals erstmals in der Vorrunde.
Am Samstag startet die Gruppe B, die neben der Österreich-Gruppe D als anspruchsvollste gilt. Das zeigt auch das Statistikmodell: Lediglich in Gruppe B finden sich gleich drei Teams unter den Top-10 der Titelkandidaten. Neben Spanien (Platz 3) und Italien (7.) sind auch die Kroaten mit 4,6 % Siegeschance auf Platz 9 – knapp hinter Deutschland – als Außenseitertipp zu nennen.
ÖFB-Aufstieg zu 57,8 %
Österreichs Team sieht Gilch zu 57,8 % im Achtelfinale.
Also zu immerhin 42,2 % wäre schon nach der Vorrunde Schluss. Das Scheitern ist somit wahrscheinlicher als bei ähnlich stark eingeschätzten Mannschaften wie Schweiz, Serbien, Tschechien oder Ukraine. Doch die direkte harte Konkurrenz für Österreich macht ein frühes Aus realistischer.
Übrigens, für besonders Mutige: Gilch sieht Österreich zu 1,9 % als nächsten Europameister.
Fix ist: Der Fußball und seine Turnierverläufe sind weniger genau zu berechnen als alle anderen populären Sportarten. Obwohl mittlerweile alle Teams hochprofessionell arbeiten und so viele Daten wie möglich in ihre Arbeit einbauen, bleibt der Fußball ein Refugium der Überraschungen.
Das musste bei der vergangenen EM auch Gilch erkennen. Sein Modell sah 2021 Belgien, Frankreich und Spanien als Favoriten. Das Finale im Wembley haben dann aber bekanntlich Italien und England bestritten.