Sport/Fußball

"Eine Lektion täte uns Deutschen gut"

Er wuchs im Ruhrgebiet auf, zu einer Zeit, als die Nachkriegsgeneration dort noch Briketts hustete. Seit 37 Jahren lebt Alexander Goebel (59) in Wien, wo der Entertainer Hauptrollen in Erfolgsmusicals wie "Evita", "Phantom der Oper" oder der "Rocky Horror Show" spielte.

Jetzt empfindet der Wien-verliebte Deutsche die politischen Vorkommnisse in Kärnten, aber auch die Hooligan-Problematik als blanken Horror. Vor dem Deutschland-Spiel spricht der Musical-Star deutliche Worte, auch auf die Gefahr hin, dass diese als Misston interpretiert werden.

KURIER: Was verbindet Sie mit Fußball? Beschäftigt er Sie denn überhaupt noch?
Alexander Goebel: Na klar. Ich habe Ende der 50er-Jahre in der C-Jugend von Borussia Dortmund gespielt. Ich bin am Stadtrand von Dortmund aufgewachsen. Wenn die braven Kumpels aus den Zechen kamen, fanden sie Ablenkung beim Fußball. Die Begeisterung war groß.

So wie auch heute wieder. Nur ohne Kumpels: Die meisten Zechen sind geschlossen.
Aber meine Heimat erlebt ein Fußball-Hoch. Da fühle auch ich mich wie ein Glückskind. Borussia Dortmund ist Meister. Und ich denke, in dieser Saison redet bei der Vergabe des Meistertellers auch der Nachbar Schalke ein Wort mit.

Die österreichische Liga ist Ihnen vermutlich ziemlich "Powidl". Gleichgültig, wie`s auf Hochdeutsch heißt.
Falsch. Ich interessiere mich sehr wohl. Aber ich bin ein virtueller Fan geworden. Ich verfolge alles in allen Sendern. In ein Stadion geh` ich in Wien seit 1985 nicht.

Warum?
Ich vermisse die Atmosphäre dieser Zeit. Aber heute – die ordinären Gesänge, die Aggression, der Rassismus, all das widert mich an. Ich glaube, dass es zum Beispiel bei Rapid diesbezüglich große Versäumnisse gab. Man ist den Fans zu sehr in den Arsch gekrochen. Mir gefällt auch das Verhalten der Politik und der ganzen Öffentlichkeit nicht. Diese elegante Art der Empörung, mit der nur die eigene Passivität verschleiert wird.

Was empörte Sie – abgesehen vom ungelösten Hooligan-Problem – als Deutscher in Österreich zuletzt am meisten?
Was da politisch in Kärnten abgeht, ist unfassbar. Ich kenne Deutsche, die deshalb nicht mehr ins schöne Kärnten auf Urlaub fahren wollen. Und wie sich ein Teil der Medien während Olympia verhalten hat, wie Boulevardblätter die besten Sportler des Landes auf Doppelseiten als Trotteln hingestellt haben – das war unterste Schublade.

Müssen Österreichs Fußballer nach dem Deutschland-Spiel mit ähnlichen journalistischen Untergriffen rechnen, wenn sie in ein Debakel rennen?

Nein. Es wird keine Demütigung geben. Die Hoch-Zeiten des sympathischen Herrn Löw sind offensichtlich vorbei. Die kolossalen taktischen Fehler, die er bei der EM beging, die verzeih` auch ich ihm nicht.

Wem drücken Sie am Dienstag die Daumen?
Für mich ist das Spiel eine Win-win-Situation. Es kann durchaus sein, dass der Weg zum Erfolg über pure Leidenschaft führt. Die entwickelt eben nur ein Underdog. Österreich hat jetzt eine gute, junge Mannschaft und trotzdem nichts zu verlieren. Wenn aber Deutschland verliert, dann fände ich das auch gut. In Hinblick auf die WM 2014, bei der sie Gastgeber Brasilien schlagen wollen, brauchen die Deutschen rechtzeitig eine Lektion. Aus Lektionen lernt man am besten.

Fühlen Sie sich als Deutscher oder schon als echter Weaner?
Österreich ist seit 37 Jahren mein Lebensmittelpunkt. Aber ich bin nicht bereit, meine Identität zu opfern. Auch nicht meine linguale Identität. Das wird mir bis heute übel genommen, wie mir Reaktionen auf meine Mittwoch-Sendung in Radio Wien zeigen. Aber es ist besser geworden.

Wie gefallen Ihnen die ORF-Fußball-Kommentatoren?
Mir ist das ein bissel zu viel Radio-TV. Die erzählen mir, was ich ohnehin sehe.

Was machen Sie, wenn Sie sich nicht gerade über Fußball ärgern?
Ich schreibe derzeit an meiner Show "Rote Lippen", die am 12. November im Raimund-Theater Premiere hat. Es geht um Frauen aus Männersicht. Na, da wird`s wieder Aufregung geben. Obwohl ich Frauen unendlich liebe – so wie Österreich.

Zur Person: Von Dortmund nach Wien

Entertainer Alexander Goebel (*9. 10. 1953) studierte am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, ehe es den Dortmunder für fünf Jahre nach New York verschlug. Nach Engagements an Volks- und Burgtheater startete er eine Musical-Karriere. Im ZDF war der in Wien verheiratete Goebel zuletzt Juror bei „Musical Showstar“ neben Thomas Gottschalk.