Sport/Fußball

Eine EM-Qualifikation, die zum Stresstest für Körper und Geist wird

Am Donnerstag startet England den nächsten Anlauf auf den ersten internationalen Titel seit 1966. Zum Auftakt der EM-Qualifikation wartet auf das Mutterland des Fußballs mit Italien gleich ein Gradmesser.

Das jüngste Großereignis hatte ja wieder einmal dramatisch und früh geendet: Bei der 1:2-Niederlage im WM-Viertelfinale gegen Frankreich hatte Hary Kane in der 84. Minute vom Elfmeterpunkt den Ausgleich und damit eine Verlängerung am Fuß. Der Rest ist traurige englische Elfmeter-Geschichte.

Alle Inhalte anzeigen

103 Tage sind seit dem folgenschweren Fehlschuss vergangen. 103 Tage, in denen etwas Abstand vom Rasen Harry Kane durchaus gut getan hätte. 103 Tage, in denen Harry Kane aber vor allem eines getan hat: Fußball spielen.

Der englische Teamkapitän und Tottenham-Star steht exemplarisch dafür, wie hoch die Belastungen im Profifußball mittlerweile geworden sind, die Winter-WM in Katar hat diesen Trend noch weiter verschärft. Für den 29-jährigen Kane ist das Ländermatch in Neapel das 51. Pflichtspiel in der laufenden Saison.

Aufgrund des vor allem in England extrem dicht gedrängten Terminplans mit Meisterschaft, zwei nationalen Cup-Bewerben sowie dem Europacup kommt Kane seit WM-Ende im Schnitt auf ein Spiel alle fünf Tage. Geschont wird der zweitbeste Torjäger der Saison im Rennen um die Champions-League-Startplätze obendrein auch kaum: Zum letzten Mal ausgewechselt in der Premier League wurde er am 3. September (!) des Vorjahres.

Die zunehmenden Belastungen untermauert auch eine Studie der internationalen Vertretung der Profifußballer FIFPRO, die 64 Spieler der WM in Katar anonym befragt hat. Die Ergebnisse sind alarmierend. 54 Prozent der Befragten gaben an, seither verletzt gewesen zu sein; ähnlich viele Spieler leiden unter einer „extremen körperlichen Müdigkeit“; jeder Fünfte betonte zudem, hohe mentale Belastungen zu spüren.

Schutzlos und überfordert

FIFPRO-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann spricht im Zusammenhang mit den Ergebnissen von einer „exzessiven Überforderung“ und betont: „Wir erkennen bei den Spielern ein wachsendes Bewusstsein für die schädlichen Auswirkungen dieses Drucks auf deren Leistung, Karrieren und Privatleben. Sie erkennen, dass dieser Terminplan sie zunehmend belastet und dass sie sich schutzlos fühlen gegenüber eines beschleunigten Zyklus’ von schlecht koordinierten Wettbewerben.“

Besserung ist eher nicht in Sicht. Vor allem der Weltverband FIFA bastelt an immer neuen und immer größeren Bewerben. Die nächste WM beinhaltet 40 Spiele mehr, auch eine weltumspannende World League – analog zur europäischen Nations League – ist in Planung. 103 Tage Länderspiel-Pause könnten schon bald echter Luxus sein.