Dortmund im Last-Minute-Freudentaumel
Der Schlusspfiff ist im tosenden Lärm der über 65.000 Zuschauer untergegangen, und auch Minuten nach dem Spiel für die Ewigkeit wollte niemand nach Hause gehen. Das denkwürdige 3:2 gegen Malaga versetzte Profis und Fans von Borussia Dortmund am Dienstag in einen Rauschzustand.
"Der liebe Gott war heute auf unserer Seite", kommentierte Mittelfeldspieler Nuri Sahin das Fußball-Wunder, das dem BVB den erstmaligen Einzug ins Champions-League-Semifinale seit 1998 bescherte.
Mit einer unglaublichen Aufholjagd und zwei Toren in der Nachspielzeit von Marco Reus (91.) und Felipe Santana (93.) riss Dortmund ein schon verloren geglaubtes Spiel noch aus dem Feuer. Die Aufregung stand Sportmanager Michael Zorc noch lange nach der Partie ins Gesicht geschrieben. "Dieses Spiel wird in der Vereinshistorie einen festen Platz einnehmen. Es gibt nicht viel Vergleichbares."
Ungläubigkeit
Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verschlug es nach dem Thriller beinahe die Sprache. "Ich habe gedacht, ich hätte schon alles erlebt im Leben, aber so etwas noch nicht. Ich bin fix und fertig. Das ist unglaublich, unfassbar. Das war bis jetzt glaube ich der emotionalste Moment überhaupt", stammelte der Vereinschef.
Auch Trainer Jürgen Klopp war nach dem Schlusspfiff gezeichnet. "Ich glaube, ich brauche einen Arzt", rief der 45-Jährige, der von seinen Emotionen überwältigt wurde. "Es fühlt sich an, als ob wir schon den Champions-League-Pokal gewonnen hätten."
Ungewollte Handbremse
An einen klaren Dortmund-Sieg war am Dienstag aber nicht zu denken - die Deutschen wirkten im Gegensatz zu ihren bisherigen Auftritten in dieser Champions-League-Saison ungewohnt gehemmt. "Man muss Fußballspiele auch an regnerischen Tagen gewinnen. Heute hat es bei uns sogar richtig geschifft. Wir mussten das Glück erzwingen", sagte Klopp.
Den verkrampften Auftritt seiner Schützlinge konnte sich der Coach selbst nicht erklären. "Wir haben zum ersten Mal Nerven gezeigt. Ich habe uns ganz selten so wenig inspiriert spielen gesehen. Wenn wir heute rausgeflogen wären, wären wir rausgeflogen, weil wir nicht gut waren. Aber mit dieser Moral sind wir auch verdient weiter", betonte Klopp. "Wir haben in Malaga mehr richtig gemacht als heute, sind aber über beide Spiele verdient weitergekommen. Mein Mitgefühl ist aber auch bei Malaga."
Bitteres Aus
Für die Spanier waren diese Worte kein Trost. Trainer Manuel Pellegrini sah in Referee Craig Thomson den Hauptschuldigen für die Niederlage: "In den letzten sieben, acht Minuten war kein Schiedsrichter mehr auf dem Platz", klagte der Coach und verwies auf eine Abseitsstellung beim Siegestor der Borussia. Außerdem hätten laut Pellegrini zwei BVB-Spieler ausgeschlossen werden müssen.
Von der Darbietung der Dortmunder zeigte sich der Chilene wenig beeindruckt. "Alle haben gesagt, das ist die beste Mannschaft Europas. Und dann machen sie nichts anderes, als hohe Bälle nach vorne zu dreschen." Auch bei Pellegrinis Spielern war der Ärger über das verpasste Semifinale groß.
"Ungerechtigkeit und Rassismus"
Ähnlicher Meinung waren die spanischen Zeitungen. "Zu einer solchen Ungerechtigkeit, wie sie den Andalusiern in Dortmund widerfuhr, fehlen die Worte. Ganz Spanien drängt sich der Eindruck auf, dass der UEFA-Boss Platini etwas gegen diesen Club hat", schrieb Marca. Die UEFA hatte Malaga wegen Verstöße gegen das "Financial Fair Play" für die kommende Europacup-Saison ausgeschlossen, über den Einspruch des Clubs wurde noch nicht entschieden.
Das UEFA-Urteil hängt mit dem Engagement von Scheich Abdullah Bin Nasser Al Thani aus Katar zusammen, der den Club im Mai 2010 kaufte, zuletzt aber mangelnde Spendierfreudigkeit zeigte. Auch Al Thani zeigte sich nach der Partie empört und ließ über Twitter verlauten, das Ausscheiden sei die Folge von "Ungerechtigkeit und Rassismus".